Was steckt wirklich in meiner Banane?

Was steckt wirklich in meiner Banane?
Um das Obst möglichst billig zu produzieren, werden Chemikalien eingesetzt. Auf Kosten der Arbeiter und vielleicht auch der Konsumenten.

Das Summen der Motoren ist nicht zu überhören. Einmal geht der Flieger tief nach unten, dann zieht er eine Schleife. Eine Art Sprühregen kommt aus den Düsen. Bedeckt die Blätter der Bananenstauden, dringt in den Boden ein, trifft Feld-Arbeiter oder jene, die sich in der Nähe aufhalten. Mit Pestizidfliegern lassen sich Schädlinge billig und schnell bekämpfen. Auf Kosten der Gesundheit vieler Menschen.

Was steckt wirklich in meiner Banane?
FAIRTRADE Österreich/Guillermo Granja - nur für Bericht Fairtrade

Niemand weiß das besser als Jorge Acosta. Der 56-Jährige arbeitete als Pestizidpilot in der Provinz El Oro, in Ecuador. Bis er selber erkrankte. Zuerst war es Übelkeit, Schwindel, dann Herz-Rhythmus-Störungen – Symptome, die auch bei Kollegen auftraten.

Je ärmer, desto schlimmer

Fast zwei Millionen Menschen arbeiten in Ecuador im Bananensektor. Viele von ihnen in Klein- und Mittelbetrieben, die an Konzerne wie Dole oder Chiquita liefern. Eines der bekanntesten Anbaugebiete ist die Provinz El Oro. Von der Stadt Machala und deren Hafen Porto Bollivar wird ein Großteil der Bananen exportiert. Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner der Meduni Wien, hat in Mittel- und Südamerika schon etliche Plantagen gesehen, was sie alle eint: "Die Arbeitsbedingungen sind medizinisch weder tolerabel, noch sind sie einem sozialen Standard angepasst, den wir als ethisch vertretbar ansehen." Und: je ärmer die Länder, desto schlimmer ist es, berichtet der Mediziner.

Zuletzt führten er und die Organisation "ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt" eine epidemologische Studie in zwei ecuadorianischen Bananenanbaugebieten durch. Sie verglichen den Gesundheitszustand von Landarbeitern in konventionellen Plantagen, die Pestizide ausbringen, mit Arbeitern im ökologischen Bananenanbau. Von den befragten Arbeitern wusste kaum jemand über die Risiken Bescheid. Jene, die eine Ahnung hatten, gaben an, keine Wahl zu haben und das Geld zu brauchen, erklärt Hutter. 80 Prozent mischen Chemie-Cocktails an, versprühen sie, ohne dabei Masken oder Handschuhe zu verwenden. Meist stehen diese gar nicht bereit. Über Haut und Atemwege gelangen die Pestizide in den Organismus. Zum Beispiel Mittel wie Paraquat, das in der EU seit 2007 verboten ist. Oder Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein.

Die Arbeiter in Hutters Studie klagten über Schwindel, Erbrechen und Durchfall, Augenbrennen und Hautreizungen, Müdigkeit sowie Schlaflosigkeit. Langzeitfolgen, die generell durch Pestizide in der Landwirtschaft vorkommen können: Unfruchtbarkeit, Tumorerkrankungen oder neurologische Erkrankungen wie Parkinson.

Betroffen sind auch die Familien der Arbeiter. Wenn einer nach Hause kommt, dort die Arbeitskleidung ablegt, wird alles kontaminiert. Oder, wenn die Pestizid-Flieger ihre Runden drehen, erwischen sie oft Häuser und Schulen. Den festgelegten Mindestabstand von 200 Metern zu Wohngebieten hält der Experte für unzureichend. Eine Schule konnte zumindest durchsetzen, dass die Flieger erst ab 16 Uhr starten: wenn die Kinder nicht mehr im Hof spielen. Die ausgesprühten Pestizide setzen sich dort dennoch am Boden ab, finden sich im Hausstaub wieder, wo sie lange eine bedeutende Belastungsquelle für die Kinder sind.

Rückstände in Schalen

Mindestens so hartnäckig sind auch die Rückstände in der Banane, erklärt Hutter. Es gibt Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen. Welche Langzeitfolgen der Konsum konventioneller Bananen hat, ist nur schwer nachweisbar. "Gut, ist es jedenfalls nicht." Hutter stört, dass Konsumenten erst dann sensibel werden, wenn sie um ihre eigene Gesundheit fürchten. "Wer eine höhere Qualität und Minimierung seiner Pestizid-Belastung will, muss sich auch um jene sorgen, die diesen Giften in ungleich höheren Maßen ausgesetzt sind."

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FAIRTRADE Österreich/Guillermo Granja - nur für Bericht Fairtrade
Ganz ohne Schädlingsmittel geht es auch bei Bio-Bananen nicht, die Pflanzen sind zu anfällig für Pilze und Schädlinge. Bauern rücken daher mit biologisch abbaubaren Mitteln an. Jene Bananen, die ein Bio- und Fairtrade-Label haben, unterliegen strengen Kontrollen, sagt die Organisation. Im Konkurrenz-Kampf mit den Billig-Produzenten wird es für sie immer schwieriger. Das kritisiert auch der ehemalige Pestizidpilot Acosta. Er sieht die Verantwortung ebenso bei den Supermärkten: "Sie drücken die Preise. Produzenten müssen immer günstiger und produktiver werden, können auf keine Arbeitnehmerrechte eingehen und verwenden Pestizide."

Mafiöse Strukturen

Besuche und Kontakt zu Arbeitern sind in der Regel nicht erwünscht. Hutter bekam durch Kontaktpersonen Zugang und erlebte auch in vorangeganenen Studien mafiöse Strukturen. Unter Drohungen und Repressalien leiden auch Gewerkschafter. Als Jorge Acosta seinen Job quittierte und 2014 die Gewerkschaft ASTAC gründete, wollten ihn viele tot sehen. Unter Plantagenbesitzern kursieren sogenannte "Scharze Listen" mit den Namen von Arbeitern, die sich gerwerkschaftlich engagieren. Die sozialistische Regierung ist keine Hilfe, sagt der 56-jährige Acosta. Ganz im Gegenteil. Um effektiver gegen Schädlinge vorzugehen, wollen sie die Pestizidflüge sogar verstärken.

800 Arbeiter haben sich der Gewerkschaft mittlerweile angeschlossen. Sie setzen sich nicht nur gegen unsachgemäße Anwedung von Chemikalien ein, sondern auch für die Anstellung und Bezahlung von Überstunden ein, Gleichberechtigung sowie Männern und Frauen. NGOs wie "Südwind" oder "Oxfam" unterstützen sie auch mittels Kampagnen. Acostas größte Errungenschaft: Er wurde von den Vereinten Nationen angehört und erreichte, dass sie Plantagenarbeit als Sklavenarbeit klassifizierten.

Zahlen & Fakten

  • 40 Kilogramm Pestizide werden im konventionellen Bananenanbau pro Hektar und Jahr eingesetzt.
  • Einmal pro Woche wird eine Bananenstaude mit einem Chemiecocktail bearbeitet.
  • 60 Mal im Jahr werden Fungizide vom Flugzeug aus gespritzt.
  • 50 Prozent der Bananen landen auf dem EU-Markt. Die EU ist weltweit der größte Bananenimporteur.
  • 17.190 Tonnen Bananen konsumierte man 2015 in Österreich.
  • 12 Kilogramm Bananen isst jeder Österreicher pro Jahr.

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