Wüstenrot-Chefin: "Ein Mietpreisdeckel ist ein Placebo"
Die Wüstenrot Bausparkasse forciert mit einer eigenen Direktbank das Spargeschäft. Das Geschäft mit Immobiliendarlehen ist hingegen eingebrochen. Chefin Susanne Riess-Hahn kritisiert im KURIER-Gespräch die neuen Kreditrichtlinien ebenso wie diverse politische Pläne.
KURIER: Die Wüstenrot Bank ist im Juni gestartet, also inmitten der Phase steigender Geldmarktzinsen. Ein guter Zeitpunkt?
Susanne Riess-Hahn: Das war ein Zufall. Das war ein lang geplantes Projekt. Bei uns geht es um Allfinanzdienstleistung und nicht nur um die Bank per se. Wir sind das einzige Unternehmen, wo der Kunde sowohl die Autoversicherung, ein Konto, Bausparen oder eine Lebensversicherung aus einer Hand haben kann. Über einen Berater oder eine App. Etwas, das sonst niemand bieten kann.
Bei den Sparzinsen ist Wüstenrot nicht Bestbieter, überraschend zum Start eines neuen Angebots.
Ich war nie ein Anhänger von Dumping-Wettbewerben. Wir machen ein solides Angebot mit dem Mehrwert einer soliden Beratung für die Kunden, die es möchten. Über Telefon, Video, Außendienst oder in unseren Geschäftsstellen. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Es gibt immer weniger Bankfilialen. Der Retailkunde ist bei Banken nicht mehr das primäre Ziel der Aufmerksamkeit, es ist nicht das ertragsstärkste Geschäft. Bei uns schon. Wir machen zwar Massengeschäft, behandeln aber den Kunden nicht so. Und die Kunden brauchen nicht verschiedene Berater für verschiedene Produkte.
Es gibt wiederholt den Vorwurf, dass Banken verspätet und verkürzt die höheren Zinsen an ihre Sparkunden weitergeben.
Das Wifo hat nachgewiesen, dass das nicht den Fakten entspricht. Sondern dass seit Ende der Nullzinspolitik die Sparzinsen stärker gestiegen sind als die Kreditzinsen. Wir haben deswegen einen verfälschten Eindruck, weil wir eine absolut unüblich lange Niedrigzinsphase hatten. Als die Banken teilweise Negativzinsen an die EZB gezahlt haben, da hat auch niemand Danke gesagt, als sie nicht weitergegeben wurden.
In anderen Ländern sind die Zinsen aber höher und die Inflationsraten niedriger.
In Österreich wird immer alles sehr emotional diskutiert. Wir haben eine Situation, die überhaupt keiner Aufregung bedarf. Es ist eine ganz normale Zinsentwicklung. Man muss dort punktuell unterstützen, wo Menschen eine Schwierigkeit haben, ihre Kredite zu bedienen. Man muss aber auch sagen, wir haben weder steigende Kreditausfälle noch auffällige Forderungsverluste. Wir sehen keine Verwerfungen im realen Leben.
Es gibt viel Kritik an der KIM-Verordnung, die die Kreditvergabe einschränkt ...
Sie kam zum ungünstigsten Zeitpunkt, nämlich zugleich mit den Zinsanstiegen und den hohen Baupreisen. Zur Zeit können sich junge Familien kaum noch Wohnungseigentum leisten. Ein junges Paar, das 4.000 Euro netto verdient und eine Kreditrate von 1.650 Euro hätte, erhält laut KIM-Verordnung keinen Kredit. Das ist lebensfremd. Wir müssen jungen Leuten die Möglichkeit geben, Eigentum zu erwerben. Gerade die jetzige Situation zeigt, dass Miete ein riesiger Preistreiber und eine Falle ist. Das kann man auch mit Mietpreisdeckeln nicht umgehen.
Was halten Sie davon?
Gar nichts. Ich bin ein pragmatischer Mensch und schaue mir an, wo etwas funktioniert hat. Diese Deckel gibt es etwa in Berlin oder Spanien. Und was ist passiert? Das Angebot ist komplett weggebrochen. Und die Leute mit schwachen Einkommen haben sich gar keine Wohnung mehr leisten können. Diese Deckel haben noch nirgends funktioniert. Deswegen finde ich Eigentum so wichtig, weil es Unabhängigkeit und finanzielle Selbstbestimmung schafft. Wenn jetzt kein Eigentum geschaffen werden kann, erzeugt das Altersarmut. Meine Eltern hatten zu Pensionsantritt ihr Haus abbezahlt. Hätten sie das nicht, hätten sie sich in der Pension sehr stark einschränken müssen.
Dazu passend: Die SPÖ fordert eine Erbschafts- und Vermögenssteuer ...
Das Ungeheuer von Loch Ness. Auch das ist so eine typisch österreichische, absolut sinnlose Diskussion. Die Superreichen gehen dann einfach weg, die sind total mobil. Und wenn man alle ausnimmt, die von ihren Eltern ein Haus erben, stellt sich die Frage, um welche Summe geht es dann noch? So viel Geld nimmt man damit nicht ein. Wir haben eine merkwürdige Klassenkampfdiskussion. Ein Rückfall in Stereotypen der früheren Revolutionsjahre. Wir leben in einem Land mit einem vergleichsweise großen Wohlstand. Alle Restaurants sind voll und die Urlaubsflüge überbucht, und wir haben einen sehr treffsicheren Wohlfahrtsstaat. Für die Gruppe, die besondere Unterstützung braucht, soll es Direktleistungen geben – aber tunlichst nicht mit der Gießkanne.
Das war in den vergangenen Jahren aber nicht der Fall ...
Ja, und das halte ich auch für falsch. Das ist mit einer der Inflationstreiber. Wir haben Geld mit vollen Händen ausgeschüttet, auch an Menschen, die es nicht brauchen. Das führt zu Verwerfungen im Sozialstaat, weil für die, die es brauchen, ist es zu wenig und für die anderen nicht nötig.
Jetzt soll aber auch in Österreich ein Mietpreisdeckel kommen.
Es wird sich auch bei uns keine Wirkung zeigen, es klingt nur sehr simpel. Ein Mietpreisdeckel ist ein Placebo. Die Regierung ist dahin getrieben worden.
Sie erklären Ihre Zugänge plakativ und nachvollziehbar. Wäre das nicht ein Grund für ein Comeback? (lacht) Nein! Ich habe eine schöne und verantwortungsvolle Aufgabe. Ich beneide keinen in der Politik. Weil ich kann jetzt sagen, was ich mir denke. Ich würde mir nur ein herunterschrauben des Erregungspegels wünschen und des Hysterieniveaus. Damit man wieder vernünftig über Sachen diskutieren kann.
Noch zu einem anderen Thema: Sie sind auch im Aufsichtsrat der Signa Holding von René Benko. Was sagen Sie zu den diversen Vorwürfen gegen ihn?
Die gibt es, seit ich denken kann und haben sich nie materialisiert. Der Immobilienmarkt hat generell eine Veränderung erfahren. Signa ist immer ein eigenkapitalstarkes Unternehmen gewesen. Ich sehe nicht den geringsten Anlass für irgendeine Aufregung oder Gefährdung. Es handelt sich um super Immobilien in Bestlagen, die absolut werthaltig sind. In jedem anderen Land wäre es eine „Vom Tellerwäscher zum Milliardär“-Story, die mit Anerkennung und Respekt kommentiert würde. Bei uns ist jeder Erfolg über dem Durchschnitt verdächtig. Außergewöhnlicher Erfolg wird nicht außergewöhnlich geschätzt, sondern außergewöhnlich negativ kommentiert. Ein österreichisches Phänomen.
Benko ist ja auch mit Sebastian Kurz befreundet. Sie haben den neuen Film über den Ex-Kanzler gesehen. Wie hat er Ihnen gefallen?
Ich fand ihn zeithistorisch sehr interessant, weil er sehr gut die Abfolge einer wirklich sehr außergewöhnlichen Karriere gezeigt hat. Ich fand ihn bemerkenswert uneitel, überhaupt nicht wehleidig und bemerkenswert, dass man auch prononcierte Gegner zu Wort kommen hat lassen. Er ist nicht reißerisch und auch kein Heldenepos, sondern einfach seine Geschichte, von ihm erzählt.
Die gebürtige Oberösterreicherin (geboren 1961) ist studierte Juristin und war von 2000 bis 2003 Vizekanzlerin und Sportministerin in der ersten schwarz-blauen Bundesregierung. Danach wechselte sie zur Wüstenrot Versicherung, wo sie bis heute Generaldirektorin ist. Aus der FPÖ trat sie 2005 aus. Sie ist auch seit 2009 im Beirat der Signa Holding, im Generalrat der OeNB (seit 2018) und Vizepräsidentin im Bankenverband (seit 2020). Im Vorjahr heiratete sie EU-Kommissar Johannes Hahn.
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