Worum es im Nord-Stream-2-Streit geht
Die Pipeline Nord Stream 2 sorgt für Zwist, nicht nur mit den USA, sondern auch innerhalb Europas. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Projekt.
Was ist Nord Stream 2?
Eine Pipeline, die russisches Erdgas nach Deutschland transportieren soll. Die Doppelröhre soll vom russischen Ust-Luga durch die Ostsee bis zum ostdeutschen Lubmin führen. Über den Großteil der Strecke verläuft Nord Stream 2 damit parallel zur 2011 eingeweihten ersten “Nord Stream“ Pipeline.
Bekommen wir nicht schon russisches Gas?
Doch, aber Befürworter der Pipeline rechnen damit, dass Europa in absehbarer Zeit mehr Gas brauchen wird, nicht zuletzt wegen des Ausstiegs aus Kohle. Das Volumen der Doppelröhre von Nord Stream 2 soll mit jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas dem der ersten Ostseepipeline entsprechen.
Wer steckt dahinter?
Eigentümer der Nord Stream 2 AG mit Sitz in der Schweiz ist Gazprom. Der Konzern ist mehrheitlich in russischem Staatsbesitz. Zu den Investoren zählen mehrere europäische Energieunternehmen wie Shell, die französische Engie und die deutsche Uniper. Die österreichische OMV ist mit bis zu 950 Millionen Euro beteiligt.
Wie hoch sind die Kosten?
Für den Bau der Pipeline wurden ursprünglich 9,5 Milliarden Euro veranschlagt, von denen westeuropäische Konzerne die Hälfte beitragen sollten. Bis zur Fertigstellung dürfte das Investitionsvolumen insgesamt 12 Milliarden Euro betragen.
Wie weit ist sie fertig?
Der Bau begann im Frühling 2018 und sollte eigentlich Ende 2019 fertiggestellt werden. Laut der Betreibergesellschaft ist die Verlegung über 94 Prozent der 1.230 Kilometer abgeschlossen. Es fehlen also noch etwa 150 Kilometer, davon 120 Kilometer in dänischen und 30 Kilometer durch deutsche Gewässer. Der dänische Abschnitt könnte bis Ende April 2021 fertig werden.
Wer will die Pipeline stoppen?
Einige EU-Staaten, Umweltschützer und die USA. Umweltschützer und die Grüne Fraktion im EU-Parlament kritisieren, dass weiter in Infrastruktur für fossiles Gas investiert wird.
Ist Europa geeint?
Nein. Innerhalb der EU sind unter anderem Frankreich, Polen und die baltischen Staaten gegen Nord Stream 2. Im Januar hat eine Mehrheit des EU-Parlaments für die Einstellung der Bauarbeiten gestimmt. Die Kritiker sehen in der Pipeline den Versuch russischer Eliten, ihren Einfluss zu festigen. Auch der Anschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny ist ein Argument gegen Geschäfte und strategische Partnerschaften mit Russland.
Was haben die USA damit zu tun?
Die USA kritisieren, dass Russland „natürliche Ressourcen als Mittel für politischen Druck und bösartigen Einfluss gegen Westeuropa“ nutzen könnte. Befürworter der Pipeline werfen den USA wiederum vor, ihren eigenen Einfluss sowie ihre Gas-Absatzmärkte zu verteidigen.
Auch unter Präsident Joe Biden?
Wer gehofft hatte, dass Joe Biden den Widerstand seines Vorgängers Trump nicht fortsetzt, wurde enttäuscht. Die Position der USA ist unverändert, die transatlantischen Beziehungen sind von dem Projekt weiterhin belastet.
Was können die USA tun?
Die USA versuchen, die Fertigstellung mit Sanktionen gegen beteiligte Firmen zu verhindern. Die Drohung hat dazu geführt, dass sich unter anderem die Schweizer Firma Allseas 2019 aus dem Projekt zurückgezogen hat. In der Folge ruhte der Bau für ein Jahr.
Wie geht die Projektgesellschaft damit um?
Die Rohre in dänischen Gewässern werden jetzt von dem russischen Schiff „Fortuna“ verlegt. Die USA haben das Verlegeschiff zu „blockiertem Eigentum“ erklärt. Da sie aber außerhalb ihrer Hoheitsgewässer keinen Zugriff darauf haben, ist unklar, welche Konsequenzen das haben soll.
Wie ist die Position Österreichs?
Bundeskanzler Sebastian Kurz befürwortet das Projekt. Die teilstaatliche OMV könnte bei einem Abbruch ihre Investition verlieren.
Ist ein Abbruch des Projekts realistisch?
Nein. EU-Sanktionen bräuchten die Zustimmung der Mitgliedsstaaten und die deutschen Regierungsparteien stehen hinter der Pipeline. Zweitens hat Gazprom für den Fall des Baustopps bereits mit rechtlichen Schritten gedroht. Die Grundlage könnte das Investitionsschutzabkommen Energy Charter Treaty (ECT) sein. Zwar ist Russland 2009 aus dem ECT ausgetreten, die Nord Stream 2 AG hat ihren Sitz aber in der Schweiz.
Was wären die Konsequenzen?
Europa würde auch ohne Nord Stream 2 nicht das Gas ausgehen. Kürzlich wurde die Trans Adriatic Pipeline (TAP) fertiggestellt, die Gas aus Aserbaidschan nach Europa bringt. Zwischen Norwegen und Polen entsteht gerade die Baltic Pipeline. Die zusätzliche Direktverbindung würde aber bestehende Überlandpipelines entlasten. Transitländer wie die Ukraine befürchten deswegen Verluste bei den Gebühreneinnahmen.
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