Streitgespräch ums Wohnen: Sind die Kosten in Österreich zu hoch?
In Österreich fließen laut Nationalbank bereits im Schnitt 23,4 Prozent der Konsumausgaben ins Wohnen. Im September legten die Mietkosten inklusive Neuvermietung um 5,5 Prozent zu. Die Inflation lag aber nur bei 1,8 Prozent.
KURIER TV bat Walter Rosifka vom Wohnservice der AK Wien und Louis Obrowsky, Präsident des Verbands der institutionellen Immobilieninvestoren, zum Streitgespräch über Wohnkosten.
KURIER: Wird Wohnen immer weniger leistbar?
Walter Rosifka: Ja, das kann man so sagen. Aber ich würde von diesen Durchschnittsbetrachtungen warnen, weil das sind ja auch Wohnkosten von Menschen beinhaltet, die bereits seit Jahrzehnten mit einer Wohnung versorgt sind. Wir haben ja aktuell ein großes Problem bei denen, die auf Wohnungssuche sind, bei denen, die in den letzten fünf oder zehn Jahren Mietverträge abgeschlossen haben. Die zahlen teilweise schon bis zu 40 Prozent des Einkommens fürs Wohnen. Und das ist natürlich weit über dem, was wirklich leistbar ist. Da muss man dann extreme Einschränkungen in anderen Bereichen auf sich nehmen oder eben überhaupt die Wohnungssuche abblasen. Und dann bleibt man zum Beispiel bei den Eltern wohnen.
KURIER Talk mit Walter Rosifka und Louis Obrowsky, Immobilien
Louis Obrowsky: Also ich glaube, man muss das differenziert betrachten. International betrachtet sind die Wohnkosten in Österreich gering, absolut und relativ. In Deutschland etwa werden 26 Prozent ausgegeben. Und wenn wir uns die absoluten Zahlen anschauen, nur im europäischen Kontext, dann ist Österreich im Allgemeinen und Wien im Besonderen günstig im unteren Mittelfeld. Dass es Härtefälle gibt, denen auch unterstützend zur Seite gestanden werden muss, ist unbestritten. Das ist für einen modernen Sozialstaat und für jemanden, der auch von einem christlichen Ansatz kommt, eine Selbstverständlichkeit. Und dem wird auch Genüge getan.
Rosifka: Dass es Einzelfälle sind, stimmt ja nicht. Denn diese Durchschnittsbetrachtung verzerrt ja irrsinnig. Da fließen auch Zahlen ein von Menschen, die eine Eigentumswohnung gekauft oder geerbt haben, die quasi nur Betriebskosten zahlen.
Obrowsky: Ich gebe Ihnen recht. Diejenigen, die jetzt eine Wohnung suchen, zahlen im Durchschnitt deutlich mehr als die, die eine Wohnung haben. Das liegt zum Teil auch an dem versteinerten Mietrecht, das wir haben. Es braucht hier eine gewisse Liberalisierung, es gibt hier völlig aus der Zeit gefallene Regelungen. Das ist etwa der heute immer noch historisch niedrige Mietzins. Er gilt auch für Leute, die in das Wohnrecht eingetreten sind, obwohl sie nicht einmal dort gewohnt haben. Und beim zweiten Punkt, da bin ich auch bei Ihnen. Sie haben gesagt, wer eine Eigentumswohnung hat, zahlt weniger. Vollkommen richtig. Und genau diesen Ansatz sollte man auch fahren. Ein Umfeld schaffen, dass die Eigentumsbildung wieder möglich macht. Eine Eigentumswohnung ist in the Long Run eines der besten Mittel, um Altersarmut entgegenzuwirken.
Rosifka: Die Eigentumswohnungen sind ja noch viel, viel teurer geworden wie Mietwohnungen. Man kann sich heutzutage nur noch eine Eigentumswohnung leisten, wenn man etwas geerbt hat. Und deswegen muss man ja gerade hier die Investoren- und Anlegerwohnungen entsprechend preisdämpfen, damit Menschen, die Wohnungen für ihre Familie kaufen, sich diese noch leisten können.
Und was ist mit den günstigen alten Mietverträgen?
Rosifka: Ja, da gebe ich Herrn Obrowsky recht. Die Gnade der frühen Geburt sagen wir immer. Aber die haben ja auch Vermieter wie Banken oder Versicherungen, die schon in den 50er, 60er, 70er-Jahren immer wieder Immobilien um einen Pappenstiel gekauft haben. Mit welchem Recht verlangt der einen heute marktüblichen Mietzins? Ohne bis heute einen marktüblichen Kaufpreis bezahlt zu haben. Das ist nicht logisch und nicht fair.
Obrowsky: Bleiben wir sachlich. Es gibt eine Erhaltungspflicht des Eigentümers, es gibt die Notwendigkeit, dass ich das Haus den aktuellen Standards und Sicherheitsanforderungen anpasse. Und das Geld dafür regnet es nicht vom Himmel. Das ist eine Tatsache, dass Sie mit diesen niedrigen Mietkonditionen, wenn Sie eine Vielzahl davon haben, das Haus nicht einmal mehr erhalten können.
Sind diese 6,67 Euro Richtwertmiete je Quadratmeter in Wien für eine Hauptstadt mit 2 Millionen Einwohnern nicht wirklich ein bisschen wenig? Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Gebäude jetzt nachhaltig saniert werden sollen. Wo sollen die Mittel herkommen?
Rosifka: Ich glaube, dass man dafür mit 2 Euro pro Quadratmeter das Auslangen findet. Und dann bleibt noch genügend Profit. Die rund 7 Euro sind ja nur der Durchschnitt eines alten Zinshauses.
Obrowsky: Selbst dann, wenn diese von Ihnen geschönten Erhaltungskosten in Abzug kommen, sind wir nur noch bei drei bis 4 Euro, die übrig bleiben, und nicht die sieben Euro, die Sie genannt haben. Zum Zweiten: Wenn Sie etwas auf den heutigen Standard sanieren, zahlen Sie pro Quadratmeter zwischen 1.000 und 1.200 Euro. Das ist keine Sanierung im Luxusbereich, das ist eine Sanierung nach den heutigen Bedürfnissen. Und noch etwas: Die Bruttorendite von Wohnimmobilien liegt zwischen drei und 4 Prozent pro Jahr. Da ist noch nicht eine einzige Glühbirne, nicht ein einziger Pinselstrich für eine Instandhaltungsarbeit aufgewendet und keine Steuern gezahlt worden.
Wer sind denn die Eigentümer von diesen Immobilien?
Obrowsky: Institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, Mitarbeitervorsorgekassen. Die halten diese Immobilien nicht zum Selbstzweck, sondern für ihre Veranlagungsgemeinschaft, die eben von den Versicherungen, von den Zusatzpensionen oder von der Abfertigung Neu profitieren. Das heißt, wenn man hier sagt, dass die institutionellen Immobilieninvestoren auf etwas verzichten sollen, dann sagen Sie es bitte ganz korrekt. Die Kassiererin im Lebensmitteleinzelhandel oder der Krankenpfleger soll auf die Valorisierung seiner Zusatzpension verzichten.
Rosifka: Dieser Krankenpfleger ruft bei uns an und sagt: Warum soll ich jetzt 100 Euro mehr Miete bezahlen, nur damit ich dann 50 Euro mehr Pension bekomme? Das ist nämlich dann der Endeffekt. Das ist eine Rechnung, die geht sich nicht aus. Und ihre drei oder 4 Prozent Rendite erhält jemand, der heute oder gestern ein Zinshaus gekauft hat. Jemand, der 1990 gekauft hat, dessen Rendite ist weit im zweistelligen Bereich.
Was kann man tun, um sowohl die Interessen der Mieter als auch der Vermieter zu berücksichtigen?
Obrowsky: Wenn man ein ordentliches Angebot schafft, dann werden auch die Preise auf einem vernünftigen Niveau bleiben. Man müsste ein Umfeld schaffen, das auch Investitionsfreudigkeit garantiert. Und zum Zweiten den über Jahrzehnte gepflegten dualen Weg beibehalten und nicht diesen immer gegeneinander ausspielen. In Wien etwa sind nur rund 8 Prozent des Wohnungsbestandes nicht preislich geregelt. Dass wir bezüglich Mieten in einem sehr freien Bereich leben, ist Humbug.
Rosifka: Es sind viel mehr nicht preisgeregelt. Und es sind ungefähr 30 Prozent zwar pro forma geregelt, tatsächlich sind sie es aber nicht. Es gibt Bereiche in Wien, die Lagezuschläge von 200 Prozent haben. Man muss daher mehr Mietwohnungen in eine bessere Preisregelung bekommen.
Obrowsky: Diesen Ansatz, den sie verfolgen, übernehmen wir wegen des großen Erfolgs von der Deutschen Demokratischen Republik.
Rosifka: Ich denke, wir sind einer sozialen Marktwirtschaft und wo soll sich das sonst zeigen wie beim Grundbedürfnis Wohnen.
Walter Rosifka
Der studierte Jurist begann 1991 in der AK und leitet das Team Wohnen. Die AK setzt sich für die Interessen von Mietern ein und kooperiert mit der Mieterhilfe der Stadt Wien
Louis Obrowsky
Hat Jus und BWL studiert und ist Geschäftsführer der Immo KAG der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) in Österreich sowie der LLB Realitäten und Präsident des Verbands der institutionellen Immobilieninvestoren. Der VII sieht sich als Unterstützer des Eigentums, setzt sich für die Erzielung notwendiger Renditen ein und für eine Modernisierung des Mietrechtsgesetzes
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