Der Begriff Nachbarschaftshilfe scheint ein dehnbarer zu sein. Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Ab wann handelt es sich um Schwarzarbeit oder Pfusch? „Diese Abgrenzung ist absolut nicht einfach, das stellt auch uns vor Probleme, weil wir den Sachverhalt sehr genau ermitteln müssen“, sagt Wilfried Lehner, Chef der Finanzpolizei. Ein Beispiel: Ein Österreicher baut ein Einfamilienhaus, und sein Bruder, ein Maler, übernimmt die Malerarbeiten kostenlos.
„Je näher die Verwandtschaft ist, desto eher ist von Hilfe auszugehen“, sagt Lehner. Das setzt aber voraus, dass die Arbeiten tatsächlich unentgeltlich erfolgen. „Wenn ich ganz normal zahle, dann ist es Schwarzarbeit und eine unbefugte Gewerbeausübung“, sagt Lehner. Dem privaten Häuslbauer droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 2.180 Euro, wenn er wissen hätte müssen, dass er einen Pfuscher beschäftigt. „Je kurzfristiger die Unterstützungsleistung erfolgt, desto eher wird keine Beschäftigung anzunehmen sein“, sagt Lehner.
Freundschaftsdienst?
Dazu kommt noch ein Spezialthema: Selbst wenn nichts bezahlt wird, kann die Tätigkeit eine Sozialversicherungspflicht auslösen, wenn die Tätigkeit grundsätzlich einen Anspruch auf Bezahlung hätte. „Es ist zwar steuerrechtlich kein Tatbestand, aber unter bestimmten Voraussetzungen, wenn es sich um einen entfernten Verwandten handelt, könnte es sich um Schwarzarbeit handeln, weil man diesen nicht bei der Sozialversicherung angemeldet hat“, sagt Lehner. „Je entfernter das Verwandtschaftsverhältnis, desto eher ist ein Dienstverhältnis anzunehmen.“ Nachsatz: „Wird eine gewerbliche Leistung auf der Baustelle erbracht, ist es ein klassischer Pfusch.“
Und was ist auf der Baustelle eines Einfamilienhauses, wenn Freunde die Elektro- und Heizungsinstallationen und Malerarbeiten ausführen? Es ist dann ein Fall von Nachbarschaftshilfe, wenn es dazu eine „Legende“ gibt, die auch glaubwürdig und nachvollziehbar ist.
Sozialversicherungspflicht?
„Wenn ganze Heerscharen unterschiedlicher Provenienz auf der Baustelle sind, dann wird das immer unglaubwürdiger“, sagt Lehner. „Wenn nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass es nur ein Freundschaftsdienst ist, dann fällt es unter die Sozialversicherungspflicht und ist somit Schwarzarbeit.“ Nachsatz: „Es gibt Fallkonstellationen, wo man sagt, die sind gemeinsam im Gesangsverein, und es ist denkbar, dass die sich gegenseitig helfen.“
Wenn eine Pensionistenrunde bei der Weinlese unentgeltlich hilft und sie bekommt dafür eine Verpflegung, ist das keine Schwarzarbeit. Freie Mahlzeiten haben keinen Entgeltcharakter.
Pfuscher setzen heuer 34,52 Milliarden Euro um
Elektroarbeiten, Autoreparaturen, Schönheitspflege und Massagen sowie Tätigkeiten rund ums Haus und die Nachhilfe für die Kinder – in diesen Bereichen wird in Österreich fröhlich gepfuscht. Das ergibt die aktuelle Auswertung einer Befragung von 1.000 Personen durch den Linzer Ökonomen Friedrich Schneider.
Die Schattenwirtschaft liegt an der Spitze der akzeptierten Kavaliersdelikte.
„Pfuschen ist nach wie vor sehr populär, fast zwei Drittel der Österreicher sehen es als Kavaliersdelikt an. Am meisten gepfuscht wird rund um den Hausbau oder Umbau“, sagt Schneider zum KURIER. „Die Leute haben auch kein Unrechtsbewusstsein. Sie sagen, wir zahlen so viel Steuern, dass sie sich die paar schwarz bezahlten Stunden genehmigen können.“
Insgesamt ist die Schattenwirtschaft heuer um 1,24 Milliarden Euro auf 34,52 Milliarden Euro gestiegen, das entspricht 7,5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs.
„Und wenn wir die enorme Abgabenbelastung des Faktors Arbeit nicht verringern, wird der Pfusch weiter steigen“, sagt Schneider.
Indes sind 65 Prozent der Österreicher der Ansicht, dass erst durch den Pfusch vieles leistbar wird. Die Hälfte der Befragten gab auch an, dass der Staat aufgrund der hohen Steuerbelastung selbst schuld sei, wenn viele Schwarzarbeiter engagieren.
Verschwenderisch
„Die Leute empfinden die Steuerlast als zu hoch. 79 Prozent der Befragten meinen auch, dass der Staat zu verschwenderisch mit dem Steuergeld umgeht“, sagt Schneider.
Welche Maßnahmen könnten den Pfusch eindämmen? „Ich habe vorgeschlagen, dass man den Handwerkerbonus auf haushaltsnahe Dienstleistungen ausweitet, sodass sich Reparaturen mit Rechnungen lohnen“, sagt der Ökonom. „Wenn es sich lohnt, machen es weniger schwarz. Das wäre eine anreizorientierte Maßnahme, die ganz gut wirkt.“ Außerdem sollten Firmen, die schwarz arbeiten, drei bis fünf Jahre lang für öffentliche Aufträge gesperrt werden.
Im Vergleich mit den EU-27-Staaten plus Großbritannien steht Österreich aber gut dar. „Bei uns wird nicht so viel gepfuscht wie Süd- und Osteuropa, weil die Leute sehen, dass die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen funktioniert“, sagt Schneider. Am meisten gepfuscht wird in Bulgarien und Kroatien.“ In Bulgarien entspricht die Schwarzarbeit 34,81 Prozent der Wertschöpfung, in Kroatien 31,85 Prozent.
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