Schwarzarbeit: „Pfusch ist ein wesentlicher Puffer“

Schwarzarbeit: „Pfusch ist ein  wesentlicher Puffer“
Die Schattenwirtschaft ist für viele in der Rezession eine wichtige Stütze, so Wirtschaftsforscher Schneider

Die Corona-Krise könnte den Pfusch in Österreich anheizen – zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung des renommierten Linzer Wirtschaftsforschers Friedrich Schneider. Um 1,8 Milliarden Euro wird die Schattenwirtschaft in Österreich coronabedingt zunehmen, nämlich auf knapp 24,7 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 7,86 Prozent gegenüber dem noch im Jänner Erwarteten. „Das ist eine ganz beträchtliche Steigerung, die wir schon lange nicht mehr hatten“, so Schneider, der seit Jahrzehnten zum Thema Schattenwirtschaft forscht. Nur im Jahr 2000 hat der Pfusch in Österreich prozentuell noch stärker zugenommen. Somit würde die Schattenwirtschaft von einem Anteil von 5,84 Prozent auf 6,40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen.

Warum es gerade in der gegenwärtigen Krise zu einem Anstieg der Schattenwirtschaft kommt, ist leicht erklärt: „Durch den Lockdown sind viele arbeitslos geworden, in Kurzarbeit oder haben, wenn sie selbstständig sind, massive Einkommenseinbrüche“, fasst Schneider zusammen. Daher nehme das Bestreben zu, Einkommensverluste durch selbst pfuschen auszugleichen – oder, indem man andere im Pfusch für sich arbeiten lässt und sich so die Steuern spart.

Pfusch als Abfederung

Akut käme der Schwarzarbeit eine in der Krise nicht unwesentliche Rolle der Existenzsicherung für viele zu, so Schneider. „Der Pfusch ist ein wesentlicher Puffer, damit viele nicht ganz abstürzen.“ Gefragt nach zielgerichteten Maßnahmen zur Eindämmung des Pfuschs appellierte er an die Bundesregierung, den Handwerkerbonus wieder einzuführen und Steuern zu senken – zwei Maßnahmen, die ohnehin bereits angedacht werden. „Steuern sind ja ein wesentlicher Treiber, um zu pfuschen“, so Schneider. Dem Experten ist klar, dass eine Prognose zum tatsächlichen Ausmaß der coronabedingten Schwarzarbeit zum jetzigen Zeitpunkt kühn ist – zu volatil sind die Parameter, von denen die weitere Entwicklung der Krise abhängt. Er sei also dazu gezwungen, Annahmen zu treffen. „Ich begebe mich damit aufs Glatteis“, betonte Schneider im Zuge der Präsentation seiner Erhebung. Bei der Rezession etwa ist Schneider von einem Wert für 2020 von minus fünf Prozent des BIP ausgegangen – aktuelle Berechnungen gehen momentan von minus sieben Prozent aus. Es handle sich bei den aktuell veröffentlichten Daten jedenfalls um „eine Momentaufnahme. Simuliert ist nicht, was bei einer zweiten Welle ist.“

Schneiders Berechnungen decken sich auch mit der Einschätzung der Österreicher: Das Market-Institut hat gemeinsam mit Schneider 1.016 Menschen über 16 Jahren gefragt, wie sich die Corona-Krise auf den Pfusch auswirkt. Das Ergebnis: 44 Prozent der Befragten meinen, dass der Pfusch „deutlich mehr“ oder „etwas mehr“ zugenommen hat. Details – wie spezifische Änderungen etwa in Branchen – wird es im Herbst geben. Nach dem Sommer wird eine neue Umfrage durchgeführt.

Selbiges gilt für die Frage, ob die ohnehin hohe Akzeptanz der sogenannten „Nachbarschaftshilfe“ in Österreich durch die Corona-Pandemie noch einmal gestiegen ist. „Ich erwarte aber, dass die Akzeptanz noch einmal zunimmt“, so Schneider. Das Unrechtsbewusstsein ist bei den Österreichern was den Pfusch angeht aber sowieso ein traditionell geringes: Zwei Drittel der Österreicher halten ihn für ein Kavaliersdelikt.

„Pfusch nutzt fast allen“

Als allzu großen Störfaktor im Wirtschaftssystem Österreichs sieht Friedrich Schneider den Pfusch aber ohnehin nicht. „Ich sage ja immer: Der Pfusch nutzt fast allen“ – nur nicht dem Staat, und besonders wenig den Sozialversicherungsträgern. „Er ist auch ein schöner Konjunkturfaktor“ – zwei Drittel des im Pfusch verdienten Geldes werde nämlich sofort wieder ausgegeben. „Der Pfusch in Österreich steigert unseren Wohlstand.“

In anderen europäischen Ländern führt die Corona-Pandemie laut Schneider zu meist noch höheren Zuwächsen in der Schattenwirtschaft: In Deutschland werde bei einem Minus von sieben Prozent des BIP das Volumen der Schwarzarbeit von 9,10 Prozent auf 10,46 Prozent des BIP ansteigen; in der Schweiz ein Anstieg von 5,30 Prozent des BIP auf 5,88 Prozent (bei einem BIP-Minus von sechs Prozent), in Italien von 18,70 Prozent des BIP auf 21,78 Prozent (bei einem BIP-Rückgang von 9,10 Prozent).

 

Warum in vielen anderen europäischen Ländern der Pfusch eine größere Rolle spielt als in Österreich, erklärt Schneider so: In Österreich sei man mit der Gegenleistung, die es für die Bezahlung von Steuern gibt, sehr zufrieden. „Man akzeptiert, was man vom Staat zurückbekommt.“ Außerdem sei in Österreich die Steuerlast im Vergleich zu etwa der Schweiz sehr viel geringer.

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