WKO-Chef Mahrer: "Arbeitszeit-Modell der Gewerkschaft ist nicht brauchbar"
KURIER: Gratulation zur Wiederwahl als Präsident der Wirtschaftskammer. Die Wahlbeteiligung von 33 Prozent ist aber mager.
Harald Mahrer: Menschen, die mit einer Organisation zufrieden sind und über die Jahre hinweg gut betreut worden sind oder die auch keinen Bedarf gehabt haben, haben eine geringe Motivation, zu einer Wahl zu gehen. Das könnte sich aber jetzt durch die Krise ändern, weil die Organisation neu wahrgenommen wird und ihre Schlagkraft gezeigt hat, was sie kann. Mit über 630.000 telefonischen Beratungen, 670.000 beantworteten eMails, 300.000 Chatbot-Gesprächen und über tausend Webinaren sieht man, dass unsere Betriebe unsere Leistungenmassiv in Anspruch genommen haben. Auch jene, die noch nie mit uns in Kontakt waren. Das wird die Akzeptanz der Organisation entgegen allen Hetzkampagnen zum Härtefallfonds heben.
Was war das Hauptmotiv, dass die Abwicklung die Kammer übernimmt?
Wir sind gefragt worden und haben ja gesagt.
Es wird aber kolportiert, dass es andersrum gewesen wäre...
Es war allen klar, dass das aws (Austria Wirtschaftsservice, Anm.) extrem belastet sein wird, ebenso die Finanz und die Sozialversicherungen. Und dann hat man sich die Frage gestellt, wer könnte es noch machen, wer hat die Kontakte und die Infrastruktur. Und das ist die Wirtschaftskammer. Und ich habe gesagt, ok, wir übernehmen das als Dienstleister für die Republik. . Wir verrechnen dafür auch keine Kosten. Mittlerweile wurden 95 Prozent aller Anträge abgewickelt. Die Kritik ist sehr leise geworden und die kommt vonBetrieben, die kein Geld bekommen. Oft liegt das nur an Problemen beim Einreichen, Dann helfen wir. Dass die Richtlinien streng sind, ist aber logisch, denn das Geld der Steuerzahler muss missbrauchsicher verwendet werden.
Hat man Fehler bei der Abwicklung gemacht?
Man hätte von Anfang an mehr auszahlen können. Das haben wir dann auch bei der Regierung durchgesetzt. Deswegen hat es auch zwei, drei Wochen eine Pause gegeben, um die Systeme zu adaptieren. Wenn einzelne Härtefälle unter unseren Mitgliedern tatsächlich die Kriterien nicht erfüllen, dann bemühen sich unsere Landeskammern mit unseren eigenen Fonds zu unterstützen.
Ein strittiges Thema ist auch das von der Gewerkschaft vorgeschlagene Arbeitszeitmodell „90 für 80“ (dabei soll die Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert werden. Das Gehalt reduziert sich allerdings nur auf 90 Prozent. Die Differenz soll das AMS tragen. Für die frei werdende Zeit wird eine neue Arbeitskraft aufgenommen, Anm.). Die Gewerkschaft wirft ihnen vor, sie könnten nicht rechnen.
Das ist eine klassische Arbeitnehmervertretungs-Rechnung, die auf die Lohnnebenkosten vergisst. Zudem müsste nach Auslaufen der AMS-Finanzierung der Betrieb die Kosten übernehmen. Also wird es wohl sehr teuer. Woher soll er das Geld dafür sowie für den zusätzlichen Mitarbeiter nehmen? Österreich ist schon jetzt ein Höchststeuerland. Wir brauchen im Gegenteil eine Lohnnebenkostensenkung. Das Modell ist auch für die jetzige Lage nicht brauchbar.
Warum?
Die Gewerkschaft weiß doch, dass wir nicht zu viel, sondern zu wenig Arbeit haben. Wir haben noch 800.000 Menschen in der Kurzarbeit, die wir wieder regulär beschäftigen wollen, damit sie einen normalen Lohn bekommen. Das ist ein trojanisches Pferd, eine Arbeitszeitverkürzung durch die Hintertür auf Kosten der Steuerzahler und der Betriebe. Wenn aber eine Firma das will, so kann sie schon jetzt eine entsprechende Betriebsvereinbarung machen.
Es wird derzeit sehr viel Geld in das Wiederhochfahren der Wirtschaft investiert. Der Leitspruch lautet „Koste es, was es wolle“. Ist irgendwann der Plafond erreicht?
Österreich finanziert sich im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut und alle Länder müssen sich derzeit hoch verschulden. Der Meeresspiegel der Schulden steigt weltweit. Mein Ziel und das der Regierung ist es, nach der Krise besser aufgestellt zu sein als zuvor und im Idealfall den Standort besser zu gestalten als andere. Österreichs Investitionspaket ist mit 4,8 Prozent des BIP mutiger als jenes von Deutschland mit 3,8 Prozent.
Apropos Eigenkapital: Das ist einigen Betrieben während des Lockdowns erschreckend schnell ausgegangen. Gibt es strukturelle Probleme oder zu wenig Vorsorge?
Das ist kein rein österreichisches Problem gewesen. Viele sind von der Geschwindigkeit der Krise überrollt worden. Aber die Krise wird sicher zu einem Umdenken führen.
Wer wird am Ende des Tages die Zeche zahlen? Es gibt wieder Rufe nach Vermögenssteuern...
Ich bin gegen jede Form der Vermögenssubstanzbesteuerung. Weil wir haben eine extrem hohe Vermögenszuwachsbesteuerung. Und das Geld der Superreichen wandert dorthin, wo man es nicht besteuern kann. Was man aber besteuern kann, weil es nicht auswandern kann, ist die Substanz der Betriebe. Ich will nicht, dass Betriebsgrundstücke oder Anlagen besteuert werden. Das ist ein No Go, erst recht in einer Krise.
Woher soll dann das Geld kommen?
„In the Long Run“ werden die Schulden weginflationiert. Und wir werden alle über einen längeren Zeitraum höhere Schuldenstände haben. Die Lösung ist: Weltweit zu einem der besten Standorte zu werden. Durch entsprechendes Wirtschaftswachstum sprudeln die Steuereinnahmen und wir brauchen keine Steuererhöhungen.
Sie werden als Hans Dampf in allen Gassen beschrieben. Wie schaffen Sie das eigentlich alles jetzt in der Krise?
Ich glaube das ist mehr Zuschreibung der Opposition. Man muss die Kirche im Dorf lassen. Ich habe neben meiner Unternehmertätigkeit zwei zentrale Funktionen – hier in der Kammer und als Aufsichtsratschef der OeNB. Der Rest bindet wenig Zeit. Ich bin auch nicht mehr Obmann der SVA, weil es sie nicht mehr gibt, die Tätigkeit im Präsidium der Sporthilfe habe ich abgegeben.
Sie haben sich unlängst mit einer Magnum-Flasche Wein abbilden lassen, was einen kleinen Shitstorm ausgelöst hat. Würden Sie das so wieder tun?
Selbstverständlich. Ich würde mich auch zu einer dreistöckigen Hochzeitstorte stellen oder zu einer Brautkleidschneiderin mit Brautkleidern oder zu jedem Eventtechniker und seiner Anlage. Denn die Botschaft war, nur wenn jetzt konsumiert wird und wir alle Geld ausgeben, können andere wieder aus der Arbeitslosigkeit zurückkommen, weil Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden Die mangelnde Wirtschaftsbildung trägt dazu bei, dass man sich lieber über Fotos unterhält. Ich stehe zu meiner Botschaft tausendprozentig. Nur so kann das Comeback der Wirtschaft funktionieren. Viele Betriebe haben sich für die klare Ansage wieder zu konsumieren bei mir bedankt.
Wohin geht’s im Sommer auf Urlaub?
Entweder in die Salzburger Berge oder an einen Kärntner See.
Zweite Amtszeit
Mahrer folgte im Mai 2018 Christoph Leitl als Chef der Wirtschaftskammer Österreich nach. Nun wurde er für eine fünfjährige Periode wiedergewählt. Bei den Wahlen zum Parlament der WKO konnte er als Spitzenkandidat des ÖVP-Wirtschaftsbundes von 67 auf 70 Prozent zulegen
Politik
Vor der WKO war der 47-jährige Kärntner Unternehmer von 2014 an Staatssekretär (u.a. für Wirtschaft), dann Wirtschaftsminister
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