Wirtschaftsexperte Rürup: "Zwerge stellt man in den Garten"

Prof. Bert Rürup
Der deutsche Ökonom plädiert für eine gemeinsame Finanz- und Schuldenpolitik. Ansonsten würde die EU gegenüber USA und China eine Zwergengemeinschaft bleiben.

Der KURIER sprach mit  dem bekannten Ökonomen und ehemaligen „Wirtschaftsweisen“ Bert Rürup über Zinspolitik, Inflationsbekämpfung und Zukunft der Schuldenpolitik in der EU.

KURIER: Die Inflation steigt und steigt – in der Eurozone sind wir schon bei 5 Prozent – und von der EZB kommt immer noch kein Zeichen, die Zinsen zu erhöhen. Wäre das aus Ihrer Sicht jetzt nötig? Und wann, schätzen Sie, wird die EZB ihren Kurs ändern?

Bert Rürup: Den Zeitpunkt, wann die EZB einen Wechsel einläutet, kann ich nicht sagen. Aber sie wird eine Getriebene der US-Notenbank sein. Die us-amerikanische Notenbank Fed hat in der Vorwoche schon einen recht markanten Kurswechsel angekündigt, der natürlich Konsequenzen auch für den Euroraum haben wird. Wir dürfen nicht vergessen: Nach wie vor ist die Fed der "Master of the Universe" des Finanzsystems.

Aber: Die Inflationsbekämpfung ist keine Aufgabe der Staaten. Dies wurde aus gutem Grund unabhängigen Notenbanken übertragen. Die nationalen Notenbanken der Euroländer, also auch die von Österreich, haben mit der Einführung des Euro ihr Mandat der EZB übertragen. Aber Ziel der EZB ist es nicht die Inflation in Österreich oder Deutschland zu bekämpfen, sondern die in der Eurozone.

Aber müsste die EZB nicht langsam ihren Kurs ändern?

Das sollte sie. Aber sie hat Sorge, dass die hochverschuldeten Staaten wie Italien – die drittgrößte Wirtschaftsmacht in der EU - dann in Schieflage geraten. Deshalb ist sie vorsichtig. Denn sie befürchtet, wenn sie die Zinsen anhebt, werden auch die Refinanzierungskosten für die Staaten spürbar steigen.

Aber ich sehe das nicht so: Die Staaten haben sich schon vorbereitet und die Fristigkeit ihrer Anleihen deutlich verlängert, so dass sich eine Erhöhung der Leitzinsen nicht sofort deutlich auf die staatlichen Zinsausgaben durchschlagen wird. Ich halte es an der Zeit, dass die EZB die Leitzinsen anhebt und auch ihre Anleiheaufkaufprogramme sukzessive zurückfährt. Ein großes Risiko, dass dadurch die Eurozone auseinanderbricht, sehe ich nicht.

Warum zögert die EZB dann so sehr?

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