Wirecard: So will Ex-Chef Braun zehn Jahre Haft vermeiden

Wirecard: So will Ex-Chef Braun zehn Jahre Haft vermeiden
Erstmals sprach der Wiener Ex-Chef Markus Braun über seine Rolle in dem gigantischen Betrugsfall und den Weltuntergang. Er sieht sich als Aufklärer, Prüfer, Mediator – und vor allem als Opfer.

Markus Braun hatte am 13. Prozesstag in München seinen ersten großen Auftritt. Und glaubt man dem ehemaligen CEO, dann war die Aufgabe des Chefs des einstigen Milliardenkonzerns nur die eines besseren Mediators. Vorschläge hätten die anderen gemacht, er habe diese nur geprüft, er sei nur in einer Vermittlerrolle gewesen.

Viele dieser Vorschläge seien von seinem Landsmann Jan Marsalek gekommen, den Braun zunächst als „Glücksfall“ für das Unternehmen sah. Zusammen habe man mitunter drei Tage und drei Nächte am Stück durchgearbeitet.

„Es gab kein Leben außerhalb von Wirecard“, schilderte Braun. Trotz engster Zusammenarbeit will er nichts von Malversationen, Betrug und Scheingeschäften mitbekommen haben. Das klingt ganz anders als 2019 – damals betonte er in einem Pressestatement, Einblick in jeden Geschäftsbereich zu haben.

„Ich habe mich mit niemandem zu einer Bande zusammengeschlossen“, betonte Braun schon in seiner ersten Stellungnahme.

Bandenmäßig agiert?

Die Staatsanwaltschaft wirft Braun, seinen zwei Mitangeklagten und mehreren weiteren Beschuldigten gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Als Kronzeuge fungiert Oliver B., von Whistleblowern als eher dubiose Figur geschildert, die mit äußerst radikalen politischen Ansichten aufgefallen war.

Wirecard: So will Ex-Chef Braun zehn Jahre Haft vermeiden

Oliver B. soll für Wirecard eine ganze Zahlungsabwicklungsfirma in Dubai erfunden haben. Bei einem Lokalaugenschein jenes Whistleblowers, der den Wirecard-Skandal auffliegen ließ, war in dem angemieteten Büro vor Ort kein einziger Mitarbeiter, obwohl der Umsatz angeblich im Milliardenbereich lag. Niemandem fiel auch auf, dass der Briefverkehr die idente Formatierung wie jene von Wirecard hatte. Es wurde einfach dasselbe Briefpapier benutzt.

Braun sieht sich jedenfalls fälschlicherweise als „absolutistischer CEO“ dargestellt. Aber die externe Wirtschaftsprüfung will er dann doch selbst vorangetrieben haben, als konkrete Vorwürfe in Medienberichten aufgetaucht seien. Er selbst wollte damit alles aufklären, obwohl Marsalek anfänglich gebremst habe. Braun präsentierte sich über weite Strecken als das Opfer, das stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat.

Der Kollaps des einstigen Dax-Konzerns im Juni 2020 sei für ihn „ein echtes Schockerlebnis“ gewesen, betonte er. „Der 18. 6. ist auch heute noch für mich ein Tag des tiefsten Bedauerns“ – der Schicksalstag, an dem der Wirecard-Vorstand einräumen musste, dass 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar waren. Vermutlich hatte es diese Summe nie gegeben, sie soll über Dubai geflossen sein. Braun: „An diesem Tag ist für mich die Welt untergegangen.“

Es folgten die Insolvenz und für Braun die Untersuchungshaft. Seit mehr als zweieinhalb Jahren sitzt der Manager im Gefängnis. Abgesehen davon hat Braun nahezu sein gesamtes Vermögen verloren, das er zum allergrößten Teil in Wirecard-Aktien angelegt hatte. Zumindest diese Tatsache ist wohl am meisten entlastend für ihn – welcher Betrüger investiert seine gesamte Existenz in den eigenen Betrug?

„Dealmaker“ vertraut

„Dass es hier Betrug gibt, dass die Gelder nicht da sind, das hat niemand vermutet“, sagte Braun. Deshalb habe er bis zuletzt an Marsalek, dem „Dealmaker“, festgehalten. Dieser sitzt nicht auf der Anklagebank, da er sich rechtzeitig abgesetzt hat. Vermutlich lebt er derzeit in Russland.

Der Strafprozess in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim wird mindestens bis in das Jahr 2024 dauern. Insgesamt wurden hundert Verhandlungstage anberaumt. Bei einem Schuldspruch drohen Braun bis zu zehn Jahre Haft.

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