Wirecard-Prozess: Ex-Chef Braun über seine und Marsaleks Rolle

Wirecard-Ex-Chef Markus Braun
Der Österreicher über den "Glücksfall Marsalek" und warum er sich selbst als Opfer sieht.

Im Prozess um den mutmaßlichen Milliardenbetrug beim früheren Dax-Konzern Wirecard weist der ehemalige Vorstandschef Markus Braun (53) !sämtliche Vorwürfe der Anklage zurück. „Ich hatte keinerlei Kenntnisse von Fälschungen oder Veruntreuungen“, sagte Braun am Montag vor der vierten Kammer des Landgerichts München.

Wie berichtet, gilt der Österreicher als zentrale Figur in dem gigantischen Betrugsfall. Einst erklärte er, über alles im Unternehmen Bescheid gewusst zu haben, später will er nur das Opfer von Jan Marsalek gewesen sein. Deshalb war seine Aussage mit Spannung erwartet worden. Für Interesse sorgen allerdings auch die Verbindungen des einstigen Zahlungsdienstleisters für Porno und Poker bis in höchste politische Kreise in Deutschland und Österreich.

Keine kriminelle Bande

„Ich habe mich mit niemandem zu einer Bande zusammengeschlossen“, betonte Braun schon in seiner ersten Stellungnahme zu den Vorwürfen seit Prozessbeginn im Dezember. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun, seinen zwei Mitangeklagten und mehreren weiteren Beschuldigten gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor.

Marsalek habe er einst als "Glücksfall" für das Unternehmen gesehen, heute sehe er das anders. Mitunter sei man zusammen drei Tage und Nächte durchgehend zusammengesessen und habe gearbeitet: "Ein Leben außerhalb der Firma gab es nicht."

Kann man tatsächlich so eng zusammenarbeiten, ohne etwas von den Malversationen mitzubekommen? Die Wirecardmanager sollen jedenfalls Umsätze in Milliardenhöhe erfunden, die Bilanzen gefälscht und die Kreditgeber des Unternehmens um über drei Milliarden Euro geprellt haben. Durch die Finger schauten auch zahlreiche Anleger, die an ein sicheres Investment und ständig steigende Einnahmen glaubten. Die deutschen Behörden ermittelten sogar gegen jene, die Zweifel äußerten.

"Dass es hier Betrug gibt, dass die Gelder nicht da sind, das hat niemand vermutet", sagt Braun. Deshalb habe er bis zuletzt an Marsalek, dem "Dealmaker" festgehalten. 

Ein Vorstand als Mediator

Braun spielt seine Rolle als CEO herunter. Es habe Vorstände gegeben, die Vorschläge gemacht hätten und welche, die geprüft hätten. Er sei eher prüfend und als Mediator tätig gewesen, behauptet er im Prozess. Braun sieht sich fälschlicherweise als "absolutistischer CEO" dargestellt. Und die externe Prüfung will er selbst vorangetrieben haben, als konkrete Vorwürfe in Medienberichten aufgetaucht seien. Er selbst wollte damit alles aufklären, obwohl Marsalek anfänglich gebremst habe.

Wirecard-Prozess: Ex-Chef Braun über seine und Marsaleks Rolle

Wirecard war im Sommer 2020 zusammengebrochen, nachdem das Unternehmen einräumen musste, dass 1,9 Milliarden Euro angeblich auf Treuhandkonten verbuchter Erlöse in Asien nicht auffindbar waren. „Ich hatte keine Kenntnis, dass diese Gelder veruntreut wurden“, sagte Braun dazu.

Die Wirecard-Pleite sei für ihn ein "Tag des Schmerzes" und "der Weltuntergang" gewesen. Schuld, dass Wirecard offenbar nicht ausreichend Geschäft machte, sei für ihn alles mögliche - bis hin zu den Anschlägen des 11. September. Natürlich habe auch der Zusammenbruch des Online-Poker-Marktes in den USA durch FBI-Razzien eine Rolle gespielt. Danach sollen Scheingeschäfte erfunden worden sein, um die Umsatzausfälle zu kaschieren, so ein zentraler Vorwurf. Braun will hingegen davon ausgegangen sein, dass diese Luftschlösser "voll existent" gewesen sein.

Kronzeuge belastet Braun

Der bis 2020 in Dubai für Wirecard tätige Manager Oliver B. tritt in dem Verfahren als Kronzeuge der Anklage auf und hat Braun im bisherigen Prozessverlauf schwer beschuldigt. Nach seiner Aussage war Braun ein alles dominierender Chef, der in den Milliardenbetrug voll eingebunden war. B. soll die mutmaßlichen Scheingeschäfte in Dubai orchestriert haben. So wurde dort offenbar eine komplette Firma mit Milliardenumsatz einfach erfunden.

Seit Sommer 2020 sitzt der frühere Vorstandschef Braun in Untersuchungshaft. Marsalek ist auf der Flucht und hält sich vermutlich in Russland auf. Er wird von Brauns Verteidigung als Hauptdarsteller der Causa aufgebaut. Der Kronzeuge hingegen sei ein "professioneller Lügner".

 

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