"Russland ist als Wirtschaftsmacht zwar abgehängt, aber eine Rohstoff-Großmacht. Wenn der Konflikt das Ende der Gaslieferungen bedeutet, was der Wort-Case wäre, dann haben wir eine Rezession", skizziert Wifo-Chef Gabriel Felbermayr die Konsequenzen aus dem sich zuspitzenden Konflikt.
Vor allem Deutschland, Österreich und Osteuropa wären davon besonders betroffen. Die Folge wäre eine Rezession, die schon in diesem Jahr drohe. Das angekündigte Wirtschaftswachstum für Österreich von fünf Prozent würde dann ins Minus drehen.
Bei Redaktionsschluss lieferte der staatliche russische Monopolist Gazprom laut OMV aber nach wie vor vertragsgemäß. Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete, Putin habe nicht vor, die Gaslieferungen zu stoppen. "Russland beabsichtigt, die ununterbrochenen Lieferungen dieses Rohstoffs, einschließlich des Flüssiggases, an die Weltmärkte fortzusetzen", sagte Putin am Dienstag in Moskau dem Kreml zufolge auf einem Forum erdgasexportierender Länder.
Die europäischen Energiemärkte reagierten trotzdem auf die politischen Verwerfungen: Am Dienstag stieg der Preis für ein Fass (159 Liter) Öl der Nordseesorte Brent zwischenzeitlich um 4,3 Prozent auf 99,5 US-Dollar - und damit auf den höchsten Stand seit 2014. Beim Erdgas war der Anstieg mit etwa zehn Prozent auf knapp 80 Euro pro Megawattstunde noch stärker. Die EU bezieht etwa ein Viertel ihrer gesamten Energie aus Gas, Russland ist dabei der mit Abstand wichtigste Lieferant.
Sanktionen-Training
Am effizientesten würde Russland ein "gezielter Boykott der fünf größten Banken treffen, das wäre die stärkste Waffe", meinte Felbermayr im Klub der Wirtschaftspublizisten. Die EU-Kommission schlägt vor, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten, um eine Refinanzierung des russischen Staats zu erschweren.
Die Staatsverschuldung Russlands sei zwar niedrig und die russische Zentralbank habe 160 Milliarden US-Dollar an Währungsreserven angehäuft. Doch sollte die Zentralbank einen sinkenden Rubelkurs stützen, "schmelzen die Währungsreserven rasch weg". Ein Abschneiden vom internationalen Zahlungssystem Swift könne Russland durch andere Systeme teilweise umgehen.
Österreichs Banken seien in Russland in Relation stärker engagiert als der Rest der EU, erklärte Felbermayr. Hierzulande ist die Raiffeisen Bank International am stärksten betroffen. Insgesamt haben die heimischen Banken laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 17,5 Milliarden Dollar an Russland-Krediten in ihren Büchern. Das Obligo in der Ukraine liegt bei 4,1 Milliarden Dollar.
Kurzfristig könne Russland auch scharfe Sanktionen ohne großen Schaden überstehen. Das Land lebt seit 2014 mit Sanktionen, die laufend angezogen wurden. Die bestehenden Beschränkungen kosten die russische Wirtschaft im Jahr rund 30 Milliarden Euro an Wertschöpfung, rechnete der Wifo-Chef vor.
Österreichs Handel mit Russland sei in den vergangenen acht Jahren um 40 Prozent eingebrochen. In Summe seien damit drei Milliarden Euro an Wertschöpfung (Arbeits- und Kapitaleinkünfte, Steuern) verloren gegangen. Die EU sei für Russland der "mit Abstand wichtigste Exportmarkt, umgekehrt ist das nicht der Fall".
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