Bella Italia: Bekannt für Strand, Fußball, Pizza und desaströse Wirtschaftspolitik. Stimmt nicht, behauptet der britische Economist und kürt Italien zum "Land des Jahres" 2021.
Ausschlaggebend für die Wahl ist, dass unsere Nachbarn deutlich besser dastehen als vor einem Jahr. 2020 hatte die Corona-Pandemie Italien gesundheitlich verheerend getroffen, der Einbruch der Wirtschaft folgte. Ende 2021 hat das Land eine der höchsten Durchimpfungsraten Europas und die Wirtschaft erholt sich schneller als in Deutschland und Frankreich. Für heuer wird ein BIP-Zuwachs von über sechs Prozent prognostiziert.
Einer, der schon länger zur Ehrenrettung Italiens ausgeritten ist, ist der Ökonom Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Vergangenen Februar hat er die "Campaign Against Italy Nonsense" (#CAIN) gestartet, die dazu beitragen sollte, das seiner Ansicht nach falsche Bild Italiens zurechtzurücken.
Denn der Österreicher liebstes Urlaubsland lebt mitnichten nur vom Tourismus. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone mit dem zweitgrößten industriellen Sektor nach Deutschland.
Dementsprechend haben mit dem heurigen weltweiten Konjunkturaufschwung die Exporte angezogen.
Ein weiterer Punkt, der Heimberger wichtig ist: Dass Italien über seine Verhältnisse lebt, hält er für ein Klischee. Nicht nur erwirtschaftet Italien seit 2012 Exportüberschüsse, bei der Budgetdisziplin sei das Land im internationalen Vergleich sogar Spitzenreiter. Zieht man die Zinszahlungen ab, erwirtschaftete der Staat seit 1995 Überschüsse, mit Ausnahme der Jahre 2009 (Finanzkrise) und 2020/21 (Corona-Pandemie). Österreich verfehlte so einen Primärüberschuss hingegen auch in den Jahren 1995, 1996, 2004, 2010 und 2014.
Strukturelle Probleme
Alles in Butter also? Nein. Italien kiefelt noch immer am Schuldenberg, der in den 1970er- und 1980er-Jahren aufgehäuft wurde. Durch das Sparen bei den Staatsausgaben fehlten notwendige Investitionen in die Infrastruktur, wodurch wiederum das Wirtschaftswachstum gehemmt wurde, so Heimberger. Zudem wurden viele strukturellen Probleme lange verschleppt, etwa bei der Bildung oder bei mangelnder Effizienz im öffentlichen Sektor und der Justiz.
Dass Italien jetzt so viel positiver wahrgenommen wird, liegt für den Volkswirt vor allem an Mario Draghi. Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ist seit Februar 2021 italienischer Ministerpräsident und habe eine "Aufbruchsstimmung erzeugt". Draghi genießt sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den EU-Partner ein hohes Ansehen. Er könnte es schaffen, die dringend nötigen Strukturreformen durchzusetzen, an die die Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds gebunden sind. Diese wiederum würden Investitionen etwa in Digitalisierung und die Energiewende ermöglichen und so zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen.
Dabei dürfe man "nicht in verfrühten Jubel verfallen", so Heimberger. Die Wirtschaftsleistung ist noch immer unter Vorkrisenniveau und die Arbeitslosigkeit dementsprechend hoch. Hier gelte es "den klaren Blick auf die Tatsachen nicht verlieren".Die Frage der Staatsschulden sei in der EU unverändert schwierig. Zuletzt hat das Pandemic Emergency Purchasing Program (PEPP) der EZB auch Italien viel geholfen. Wenn das Anleihenprogramm, wie von der EZB angekündigt, schrittweise ausläuft, wird die Schuldenlast wieder steigen.
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