Wie der Voest-Konzern Amerika (und den Rest der Welt) erobert

Direktreduktionsanlage in Texas.
Am Mittwoch eröffnete die voestalpine ein neues Werk in Texas. Es ist die bis dato größte Investition eines österreichischen Unternehmens in den USA. Der Konzern will Innovations- und Öko-Vorreiter sein.

Staubige Hitze, brettlebenes Land, viel Wasser: Wir befinden uns in Corpus Christi, Texas. Hier, "in the middle of nowhere", hat die voestalpine 550 Millionen Euro in ein neues Werk gesteckt und am Mittwoch nach zweieinhalbjähriger Bauzeit eröffnet. Aus Eisenerzpellets werden mit Hilfe von Erdgas Eisenschwämme erzeugt – ein für die Stahlproduktion notwendiges Material (siehe Grafik). 40 Prozent davon verarbeitet die Voest selbst weiter, den Rest verkauft sie international. Die Auftragslage ist gut, für die kommenden vier Jahre ist bereits Vollauslastung garantiert. Das Werk verfügt sogar über einen eigenen Tiefseehafen.

Zum Interview mit Voest-Chef Eder: "Daran krankt das Land"

Wie der Voest-Konzern Amerika (und den Rest der Welt) erobert
Warum USA? Amerika ist um Reindustrialisierung bemüht und rollt ausländischen Firmen den roten Teppich aus. Die Strompreise sind in Österreich doppelt so hoch, die industriellen Gaspreise sogar drei Mal so hoch wie in den USA.Würde die Anlage in Österreich stehen, hätte die Voest schon allein deshalb (plus Logistik) Mehrkosten von rund 200 Millionen Euro jährlich. Schon jetzt hat der Konzern 49 Standorte in den USA und 12 in Kanada – Tendenz steigend. Auch die Steuerbelastung ist hier niedriger.

In Corpus Christi ist der 137 Meter hohe "Reduktionsturm" das Herzstück der zwei Quadratkilometer großen Anlage. Es gilt als höchstes Gebäude Südtexas und ist damit übrigens ziemlich genau so hoch wie der Stephansdom. Superlative gibt es rund um das Werk genügend: Es ist die weltweit größte und modernste Anlage ihrer Art mit 190 Mitarbeitern. Der in Europa gebaute Schiffsbeladekran (siehe Bild unten links) war mit seinen 500 Tonnen das schwerste je im Hafen Venedig umgeschlagene Gut. Die Umweltstandards sind hoch. Statt Kohle wird Erdgas eingesetzt. Kühlwasser wird aus dem Meer der Corpus Christi Bay gewonnen, Staubemissionen werden so weit es geht vermieden.

Leichtmaterialien für Autos

Das einst verstaatlichte Linzer Unternehmen ist mittlerweile ein an der Wiener Börse notierender (weiterhin wachsender) Weltkonzern mit 500 Konzerngesellschaften und -standorten, der in der Stahlindustrie Maßstäbe setzt. Schon lange geht es nicht mehr um simplen Stahl, sondern zum Beispiel um innovative, ultraleichte Teile für die Autoindustrie. Der Sektor beträgt schon jetzt 32 Prozent vom Konzernumsatz und soll noch weiter wachsen. Voest-Produkte sind mittlerweile in fast allen Automobilkomponenten vertreten: von Karosserie über Antrieb und Sicherheit bis hin zu den Reifen. Spezielle Leichtbaumaterialien ("phs-Technologie") haben noch großes Zukunftspotenzial: Sie senken den Kraftstoffverbrauch und verbessern die Fahrdynamik.

Wie der Voest-Konzern Amerika (und den Rest der Welt) erobert
Die voestalpine gilt auch als führender Lieferant von Schmiedeteilen für die Luftfahrt und als Weltmarktführer in der Weichentechnologie.

Irgendwann in den nächsten beiden Jahrzehnten wird man Stahl auch mit "grünem Wasserstoff" noch viel umweltfreundlicher und damit CO2-ärmer als jetzt produzieren können. Die Voest arbeitet am Standort Linz intensiv, gemeinsam mit dem Verbund, daran. Derzeit ist ein hoher Kohle-Einsatz nötig – was die Stahlbranche einerseits zum Umweltsünder stempelt und andererseits zum "Wut-Unternehmen" gegen die hohen Energiekosten in Europa (vor allem seit der deutschen Energiewende) macht.

Die Stahlindustrie hatte es in den letzten Jahren wahrlich nicht leicht: Es gab Preisdruck, Überkapazitäten und Billigimporte aus China. Der Voest als Hersteller von Röhrenblechen für Pipelines machte die schwache Nachfrage der Ölindustrie zu schaffen. Analysten sorgten sich außerdem, dass der Konzern zu viel investieren könnte. Voest-Boss Wolfgang Eder reagierte mit massiven Sparpaketen. Die Eigenmittel wuchsen seither stärker als die Schulden. Und die Stahlpreise? Sie ziehen nun endlich wieder an.

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