Voest-Chef Eder: "Daran krankt das Land: An diesem Kastldenken"

Voest-Chef Eder: "Daran krankt das Land: An diesem Kastldenken"
Was der Leiter eines Weltkonzerns nicht mehr hören kann und warum die Maschinensteuer nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

KURIER: Sie haben soeben ein neues Werk in Corpus Christi in Texas/USA eröffnet. Was kann Texas, was Linz nicht kann?

Wolfgang Eder: Die USA haben langfristig kalkulierbare politische, wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen.

Auch wenn Trump kommt?

Egal, wer kommt, er wird nichts tun, was die USA wirtschaftlich schwächt. Denn das ginge eins zu eins auch zulasten der politischen und militärischen Schlagkraft – nach US-Selbstverständnis sicher undenkbar.

In Europa ist das anders?

Die Entwicklung ist nicht absehbar. In Europa wird leider die Bedeutung der Wirtschaft für die eigene Zukunft zunehmend unterschätzt.

Wobei es immer heißt: Die Konzerne können es sich steuerlich ohnehin richten.

Wissen Sie, das kann ich nicht mehr hören! Es ist doch logisch, dass sich Unternehmen im Zuge des globalen Wettbewerbs dorthin orientieren, wo die Voraussetzungen für ein langfristig erfolgreiches Wirtschaften am günstigsten sind, sonst stellen sie sich selbst infrage. Und sie haben sorgfältig mit dem Geld ihrer Eigentümer umzugehen. Unbestritten ist, dass einzelne internationale Unternehmensgruppen den Bogen überspannt haben. Doch der weitaus größte Teil der Unternehmen verhält sich auch steuerlich ordentlich.

Wie geht’s da der voestalpine?

Bisher schaffen wir auch aus Europa heraus noch eine kontinuierliche Wertsteigerung. Das heißt: auch ausreichend Gewinne, um wieder investieren und damit Arbeitsplätze schaffen und eine angemessene Dividende zahlen zu können. Die Aktionäre sind dabei im Vergleich zum Staat ohnehin bescheiden. Wir haben im letzten Jahr ungefähr 170 Millionen Euro – rund 25 Millionen Euro davon übrigens an die Mitarbeiter – an Dividende bezahlt, aber mehr als 600 Millionen an Steuern und Abgaben. So viel zum: "Es sich steuerlich richten."

Amerika lockt mit günstigeren Steuern und niedrigeren Energiepreisen.

Was die reine Gewinnbesteuerung betrifft, ist Amerika nicht sonderlich attraktiv. Ansonsten sind die Steuern aber überwiegend günstiger. Außerdem fördern die USA Betriebsansiedelungen über steuerliche Anreize, die üblicherweise bis zu zehn Jahre laufen. Es gibt auch einen massiven Wettbewerb der Bundesstaaten um Betriebsansiedelungen. Bevor wir uns für Texas entschieden haben, waren 18 Standorte weltweit im Rennen. Darunter drei in massivem inneramerikanischen Wettbewerb stehende.

Wie der Voest-Konzern Amerika (und den Rest der Welt) erobert

Wie sehr kommt Ihnen die Steiermark entgegen, damit das neue Stahlwerk in Kapfenberg gebaut wird?

Wir sind erst am Anfang der Gespräche, aber die Steiermark bemüht sich sehr darum. Das große Thema ist allerdings die Energie. Wohin geht der Strompreis? Das ist kein steirisches, sondern ein europäisches Thema.

Zahlt die Industrie denn nicht ohnehin günstigere Preise als ein Haushalt?

Ja, aber allein durch die sich abzeichnende Entflechtung des Energiemarktes zwischen Österreich und Deutschland könnten die Strompreise schon 2017 um einen zweistelligen Prozentsatz steigen. Wenn man solche Überraschungen in Zukunft nicht ausschließen kann, dann disqualifiziert sich der Standort Europa auf Dauer von selbst.

Sie arbeiten bereits an einem Verfahren, das die Stahlbranche langfristig energieautark machen soll.

Es geht um das Thema Wasserstoff, da reden wir allerdings über mindestens zwei Jahrzehnte – und völlig CO2-frei wird die Stahlerzeugung nie sein können.

Die Industrie wird immer weniger personalintensiv. Was halten Sie von der Maschinensteuer, wie sie Bundeskanzler Kern und die SPÖ gerne hätten?

So wie sie jetzt diskutiert wird, wäre das eine zusätzliche Gewinnbesteuerung mit entsprechend negativem Lenkungseffekt. Die voestalpine würde das an die 10 Millionen Euro kosten.

Der Thinktank Agenda Austria hat vorgerechnet, dass es Kleinere noch mehr treffen würde.

Das ist richtig: Je kleiner und gewinnträchtiger die Unternehmen, desto größer wären die Belastungen. Je größer, personalintensiver und margenschwächer, desto geringer die Belastung. Wenn das so kommt, wandert hochqualitative, industrielle Wertschöpfung ab. Das bedeutet aber eine Umschichtung der Qualifikation nach unten – genau das Gegenteil dessen, was wir eigentlich anstreben müssen.

Sie als Sozialdemokrat ...

… ich war nie Mitglied einer Partei, und auch in der voestalpine spielt Parteipolitik seit dem Verstaatlichtendrama bekanntermaßen keine Rolle mehr.

Vielleicht gehören zur österreichischen Tradition solche Zuschreibungen einfach dazu.

Aber daran krankt das Land: an diesem Kastldenken. Gott sei Dank befreien sich immer mehr Unternehmen davon.

Muss man nicht irgendwann das Steuersystem ändern, wenn die Fabrikshallen leerer und daher auch die Einkommenssteuern weniger werden?

Das Steueraufkommen steigt doch permanent! Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem, wie der Finanzminister richtigerweise sagt.

In näherer Zukunft könnte die Zahl der Beschäftigten aber zurückgehen.

Die Beschäftigung steigt in Österreich seit vielen Jahren, und daran wird sich auch nichts ändern. Wir hatten etwa beim Börsegang 1995 rund 15.000 Beschäftigte in Österreich und haben heute 23.000. Im Übrigen: Österreich hat die vierthöchste Steuerquote in der EU, irgendwann einmal wird man auch über Sparen reden müssen.

Die RHI zieht von der Wiener Börse ab – wie interessant ist diese für heimische Unternehmen eigentlich noch?

Glücklicherweise haben die meisten in Wien notierten Unternehmen keine akuten Eigenkapitalprobleme. Würden wir jetzt eine Kapitalerhöhung brauchen, wären die Voraussetzungen in Wien wenig attraktiv, tritt doch der ATX im internationalen Vergleich seit langem auf der Stelle. Das größte Problem aber ist, dass die Börse von der österreichischen Politik vielfach als Instrument von Zockern und Spekulanten abgetan und auch so behandelt wird.

Trotz Erfolgszahlen spart die Voest und baut Leute ab – warum?

Unsere Beschäftigungszahlen wachsen permanent. Dass es bei 500 Standorten aber immer wieder einzelne gibt, wo Handlungsbedarf besteht, sollte nicht überraschen.

Erhoffen Sie sich neue Impulse von der Bundesregierung?

Bisher positiv scheint mir die Bewegung in der Bildung.

Wo kann der Staat sparen?

Bei den Subventionen wären in Etappen über die Jahre wohl einige Milliarden Euro drinnen. Man wird auch beim Sozialsystem noch stärker nach Bedürftigkeit gewichten und das Pensionssystem durch Erhöhung des Pensionsantrittsalters entlasten müssen. Auch das Geld zwischen Bund und Ländern braucht eine effizientere Verteilung.

Sehen Sie einen New Deal?

(Setzt an zu reden, schweigt dann aber.)

Der Oberösterreicher Wolfgang Eder (64) ist Vorstandsvorsitzender der voestalpine. Bis vor Kurzem war er auch Präsident des Weltstahlverbands. Er ist seit 1978 im Unternehmen.

Voestalpine

Der Technologie- und Industriegüterkonzern hat 48.500 Mitarbeiter und ist Weltmarktführer in der Weichentechnologie sowie bei Spezialschienen. Er liefert Teile für Autos und Hausgeräte. Seit 1995 notiert die früher verstaatlichte Voest an der Wiener Börse. Das Unternehmen ist mit rund 500 Konzerngesellschaften und -standorten in 50 Ländern und auf allen Kontinenten vertreten. 2015/’16 wurde ein Umsatz von 11,1 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis von 1,6 Milliarden erzielt.

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