Autor Brett Scott: "Wer digital zahlt, hinterlässt Spuren"

Autor Brett Scott: "Wer digital zahlt, hinterlässt Spuren"
Die zunehmende Digitalisierung des Zahlungsverkehrs bereitet dem britischen Autor und Finanzexperten Brett Scott Sorgen. Er plädiert für mehr Barzahlungen.

Seit Anfang der Woche kann man in Österreich für die "uneingeschränkte Bargeldzahlung" unterschreiben. Es ist eines von insgesamt sieben Volksbegehren, die noch bis 26. September laufen. Die Initiatoren des Begehrens möchten damit der "zunehmenden Digitalisierung" der Zahlungsmittel entgegentreten.

Britische Finanzexperte

Auch der britische Finanzexperte und Buchautor Brett Scott setzt sich für den Erhalt von Bargeld ein. In seinem aktuellen Buch "Cloudmoney" kritisiert er die Macht großer Tech-Firmen und schreibt über die Gefahren des bargeldlosen Zahlens.

KURIER: Wie viel Bargeld haben Sie bei sich?

Brett Scott: Gerade sind es 70 Euro. Bargeld habe ich aber immer bei mir. Wenn ich einen Geldautomaten sehe, hebe ich etwas ab. Ich finde es nicht schwer, daran zu denken.

Sie sagen, dass die Bequemlichkeit des digitalen Zahlens gefährlich werden könnte. Von welchen Gefahren sprechen sie?

Bequemlichkeit geht in diesem Fall mit einem hohen Maß an Abhängigkeit von geballter Konzernmacht einher. Der Grund, warum digitales Bezahlen zumindest theoretisch praktisch ist, ist der, dass man die Durchführung den supergroßen Playern überlässt. Das bringt jedoch Gefahren mit sich. Unter anderem Abhängigkeit, Überwachung und Ausgrenzung.

Ausgrenzung, inwiefern?

Wer keinen Zugang zu einer Visa- oder Mastercard hat, ist ausgeschlossen. Beispielsweise Studierende, Personen ohne Meldeadresse und Staatenlose. Irgendwann wird man sich jedoch gezwungen fühlen, sich einen Zugang zu verschaffen, nur um gewöhnliche Aktionen durchzuführen.

In Österreich und Deutschland ist Bargeld nach wie vor sehr beliebt. Trotzdem wird auch hier immer mehr digital bezahlt. Glauben Sie, dass dieser Prozess noch zu stoppen ist?

Ich denke, wir können diesen Prozess stoppen, aber niemand hat es jemals wirklich versucht. Die Behauptung, dass Menschen vom Bargeld wegwollen, stimmt nur bedingt. Die meisten Menschen ziehen es vor, verschiedene Auswahlmöglichkeiten zu haben. Die großen Player wollen das aber genau nicht. Große Konzerne wollen, dass Geschäfte beispielsweise nur noch Cashless-Systeme anbieten. Sodass man eben keine Wahl hat. In London ist bar bezahlen zum Beispiel kaum noch möglich.

Ein Argument, das gegen Bargeld spricht, ist das Schwarzmarktgeschäft. Illegale Transaktionen werden häufig mit Bargeld durchgeführt. Kann eine Bargeldobergrenze kriminelle Machenschaften eindämmen?

Die Mehrheit der mit Bargeld durchgeführten Transaktionen sind keine kriminellen Handlungen. Außerdem muss man bedenken, dass die alternativen Systeme, nämlich die digitalen, ebenfalls von großem Nutzen für die Kriminalität sind. Bereits jetzt finden viele Verbrechen digital statt. Verbrechen wird man so also nicht stoppen, sie verlagern sich nur.

In Skandinavien kann man bereits in vielen Geschäften nur noch digital bezahlen. Es scheint zu funktionieren, oder?

Das sind sehr einkommensstarke Länder. Die Menschen haben Vertrauen in die Regierung und die Institutionen. Das System funktioniert jedoch nicht für alle Menschen in Skandinavien. Wenn Sie beispielsweise ein Emigrant in Skandinavien sind, haben Sie keinen Zugang zu diesen Institutionen, Sie können nichts tun. Sie sind völlig abhängig von den anderen. Das Bargeldsystem hingegen baut nicht darauf auf, dass Sie Konten benötigen oder erst akzeptiert werden müssen. Aus diesem Grund wird Bargeld historisch oft von Menschen genutzt, die sich ausgegrenzt fühlen oder den großen Einrichtungen nicht vertrauen. Wenn Sie sich also mit der Verbreitung der Bargeldlosigkeit befassen, sind die ersten Orte, an denen dies passiert, eher einkommensstarke.

Digitales Bezahlen hat also etwas mit dem sozialen Status zu tun?

Ja, es ist definitiv für die aufstrebende Mittelschicht. In London gibt es derzeit viele Arbeiter, die es hassen, dass sie nicht mehr überall mit Bargeld bezahlen können.

In ihrem Buch "Cloudmoney" schreiben sie, dass wir unsere intimsten Daten großen Tech-Firmen preisgeben, wenn wir digital bezahlen. Tun wir das nicht bereits ohnehin mit unseren Smartphones?

Wer mit Kreditkarte bezahlt, hinterlässt Spuren. Unsere Zahlungsdaten zeigen den Menschen viele verschiedene Details: Wer macht was, wann und wo? Diese Daten zeigen genau, wie eine Person ihr Leben lebt. Für Menschen, die also daran interessiert sind, Profile oder Bilder von Menschen zu erstellen, wird dies zu einem essenziellen Instrument. Zu diesen Menschen können Staaten gehören, aber eben auch Unternehmen, die diese Daten für viele Zwecke verwenden können.

Welche Zwecke wären das?

Im Moment spezialisieren sich die großen Technologieunternehmen darauf, vor allem die Bevölkerung im Teenageralter und die Mittzwanziger anzusprechen. In vielen Ländern geben sie in dieser Altersgruppe bereits den Ton an.

Demnach bräuchte das Bargeld eine gute PR-Strategie?

Ja, auf jeden Fall. Das Problem ist, dass das Bargeldsystem öffentlich ist, es gibt also keine privaten Akteure, die auf der Straße herumlaufen und den Menschen sagen, wie großartig Bargeld ist. Während das digitale System nur aus privaten Akteuren besteht. Da gibt es genug Marketing. Bargeld braucht also dringend öffentliche Akteure, die hinausgehen und sagen, warum es so wichtig ist, sowohl Bargeld als auch digitales Geld zu haben, um eine Art Gleichgewicht zu schaffen.

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