Wieso viele Väter bei ihren Kindern bleiben wollen - und dennoch scheitern
Das gleiche Recht auf Elternzeit: Finnland kommt dem gerade einen großen Schritt näher. Eine Reform zur Elternzeit soll Gleichberechtigung schaffen. 160 Tage bekommen beide Elternteile jeweils zugeteilt. Bis zu 63 davon dürfen sie an den Partner oder die Partnerin abgeben.
Reform in Dänemark
Diese Reform soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vereinbaren. Auch in Dänemark entschloss man sich bereits im August dieses Jahres zu einem modernen Modell: Elf Wochen für beide Elternteile, 26 weitere bezahlte Wochen, die in der Praxis beliebig aufgeteilt werden können.
Väterkarenz
Hierzulande führt die Väterkarenz nach wie vor ein Schattendasein. Nur zwei von zehn Vätern gehen in Karenz. Sonja Dörfler-Bolt ist Soziologin an der Universität Wien und beschäftigt sich mit Geschlechterrollen und Familienpolitik. Sie sieht zwar, dass die Väterkarenz gerade in Sozialberufen zunehmend akzeptiert wird, „dass Männer aber längere Zeit in Karenz gehen, also über die zwei Monate hinaus, ist in Österreich nur selten akzeptiert.“
Einen Grund dafür sieht die Soziologin in der gesellschaftlichen Wertehaltung, die immer noch von „alten, konservativen Rollenbildern“ geprägt ist. „Dabei wünschen sich die meisten Väter, dass es gesellschaftlich akzeptiert wird.“
Das bestätigt eine Studie des österreichischen Familienbundes. Demnach möchten 80 Prozent der Väter mehr Zeit mit ihrer Familie und ihren Kindern verbringen. Familienbund-Präsident Bernhard Baier: „Väter sehen sich nicht mehr nur in der Rolle des Familienernährers.“
Zeit mit den Kindern
Michael Schöpfer ist Vater von zwei kleinen Kindern. Für ihn war von Anfang an klar, dass er aktiv Zeit mit seinen Kindern verbringen möchte. Sowohl er als auch seine Partnerin, 37, arbeiten Teilzeit und kümmern sich gleichermaßen um den einjährigen Jakob und die fünfjährige Charlotte.
Teilzeit und Homeoffice
Schöpfer ist selbstständig und kann größtenteils von zu Hause aus arbeiten – eine Voraussetzung für diese Art der Kinderbetreuung, wie er weiß: „Wenn einer der beiden Partner verpflichtend ins Büro muss, braucht der andere eine Homeoffice-Möglichkeit in der Firma. Wenn beide ins Büro müssen, führt das meist dazu, dass der Mann hingeht, weil er häufig mehr verdient.“
Für die Kinder ist die Anwesenheit beider Elternteile ein Segen, ist sich der 40-Jährige sicher: „Sie wissen immer, dass einer von uns beiden da ist. Mal bringe ich die Kleinen ins Bett, mal meine Partnerin. Gerade am Anfang ist es für die Kinder einfacher, wenn zu Hause Halt und Festigkeit gegeben sind.“
Familienfreundliche Unternehmen
Dass Michael Schöpfer, Gründer von Telefonieanbieter mytello, von zu Hause aus arbeiten und sich gleichzeitig um die Kinder kümmern kann, sieht er als Privileg. Er wisse, dass viele Arbeitgeber ihren Angestellten diese Möglichkeit nicht bieten. Genau darin sieht Sonja Dörfler-Bolt jedoch ein Problem und mahnt:„Unternehmen müssen familienfreundlicher werden, um auch für potenzielle Väter attraktiv zu sein.“
Papamonat oder Karenz
Ein Unternehmen, das sich dem Thema Gleichstellung schon seit geraumer Zeit widmet, ist Accenture Österreich. Martina Pitterle, Leiterin des Bereichs Human Ressources erklärt: „Wir beobachten, dass immer mehr männliche Kollegen Elternzeit, Papamonat oder die Möglichkeit der Karenz in Anspruch nehmen.“ Für die Beratungsfirma sei das keine neue Situation, „flexible Arbeitsgestaltung – zeitlich und örtlich – gibt es bei uns generell.“
Dies ermögliche auch Vätern wertvolle Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Damit sowohl Väter als auch Mütter gleichermaßen in Karenz gehen, brauche es die Möglichkeit auf eine nahtlose Rückkehr in den Job, ist Pitterle überzeugt. Bei Accenture setzt man daher auf die Möglichkeit einer geringfügigen Beschäftigung während der Karenz, „um eine Wiedereingliederung zu ermöglichen und weiter in Kontakt zu bleiben“, so Pitterle.
Patchworkfamilie
Bei der Frage, inwieweit Kinder und Beruf miteinander vereinbar sind, spielt die Kindertagesbetreuung eine wesentliche Rolle. Das kann Stefan Häckel bestätigen. Der 45-jährige Geschäftsführer einer Werbeagentur in Wien lebt in einer Patchworkfamilie. Seine Frau hat aus erster Ehe drei Kinder mitgebracht, zusammen haben sie eine Tochter.
Ohne Organisation geht es nicht
Sowohl er als auch seine Frau sind voll berufstätig: „Ohne Organisation und Management läuft da gar nichts“, sagt er. Damit beide Eltern tagsüber arbeiten gehen können, sind sie – wie so viele – auf Kinderbetreuung angewiesen: „Wir haben das Privileg, dass die Stadt Wien hier genug anbietet. In den anderen Bundesländern, vor allem in ländlicheren Gegenden, sieht das aber ganz anders aus“, kritisiert Häckel.
Eine besondere Herausforderung seien die neun Wochen Sommerferien: „Das ist ein Wahnsinn für berufstätige Eltern.“ Ohne Unterstützung von Eltern und Freunden sei das oftgar nicht machbar. Stefan Häckel ist überzeugt davon, dass Kinder beide Elternteile brauchen.
Beide Elternteile
Vom Papa, der unter der Woche spät heimkommt, zu Abend isst und dann ins Bett geht, hält er nicht viel: „Da geht viel Lebenszeit mit den Kindern verloren.“ Er selbst wollte immer mehr Zeit mit seinen Kindern haben und ist überzeugt davon, dass es vielen Vätern ähnlich geht.
Rechtliche Situation Österreich
Die rechtliche Situation sieht in Österreich so aus: Grundsätzlich haben Mütter oder Väter bis zum 7. Geburtstag des Kindes ein Recht auf eine Reduktion der Arbeitszeit. Die arbeitsrechtliche Karenz beträgt zwei Jahre. Sie kann zwischen den Eltern zweimal geteilt werden, sodass insgesamt drei Karenzteile zulässig sind, wobei die erforderliche Mindestzeit zwei Monate beträgt.
Gleichzeitig in Karenz können Eltern in Österreich einen Monat gehen, der jedoch von der Gesamtzeit abgezogen wird. Väter, die keine zwei Monate in Karenz gehen können, haben die Möglichkeit, zumindest den Papamonat in Anspruch zu nehmen.
Männliche Role Models
Damit das Thema in österreichischen Unternehmen alltäglich wird, brauche es mehr männliche Role Models, erklärt die Soziologin Sonja Dörfler-Bolt:„Wenn Männer in Führungspositionen Väterkarenz beanspruchen, hat das eine enorme Vorbildwirkung.“ Derzeit verbringen berufstätige Väter im Schnitt pro Tag 30 Minuten mit ihren Kindern, sagt Stefan Häckel: „Das ist definitiv zu wenig. Da geht sich vielleicht gerade noch ein gemeinsames Frühstück, oder ein zu Bett bringen aus.“
Gemeinsame Zeit
Bei Familienvater Michael Schöpfer sieht das anders aus:„ seitdem unser Sohn, der Jakob, auf der Welt ist, war ich vielleicht vier oder fünfmal für ein paar Stunden allein. Das ist schon komisch, aber auch schön.
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