Was kommt: Deflation oder Mega-Inflation?
In Europa gehen abwechselnd zwei Gespenster um. Einerseits das Deflationsgespenst und andererseits – für die Zeit nach der Krise – das Gespenst der Hyperinflation. Durch den gleichzeitigen Einbruch von Nachfrage und Angebot wirken unzählige Faktoren auf die Teuerungsrate ein. So sind die Verbraucherpreise im Euroraum erneut gesunken. Die Inflationsrate verharrte im Dezember bei minus 0,3 Prozent, wie die Statistikbehörde Eurostat am Mittwoch mitteilte.
Das riecht nach Deflation. Dreht sich die Preisspirale wegen fehlender Nachfrage also endgültig nach unten? Müssen die Unternehmen europaweit Massenkündigungen vornehmen, weil sie aufgrund fallender Preise immer weniger verdienen? Und wird Österreich mitgerissen?
Der Druck auf die Preise ist jedenfalls enorm. „Die Wirtschaftsaktivität auf außergewöhnlich niedrigem Niveau sowie die hohe Arbeitslosigkeit wirken natürlich sehr preisdämpfend und geben Anlass zur Sorge“, sagt Atanas Pekanov, Ökonom beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Dennoch sieht er aufgrund der EZB-Hilfspakete keine unmittelbare Deflationsgefahr. Auch Christian Helmenstein vom Wirtschaftsforschungsinstitut Economica ortet keine dauerhafte „deflatorische Tendenz“. Die umfassenden Covid-Hilfspakete würden dem entgegenwirken.
Geldschwemme
Weltweit haben Zentralbanken seit dem Ausbruch der Corona-Krise Billionen Euro/Dollar in die Märkte gespült, um einen Absturz der Weltwirtschaft zu verhindern. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) erst vor einigen Wochen ein weiteres 500-Milliarde-Paket geschnürt und damit die Geldschleusen weiter geöffnet. Droht hier aber dann nicht das Gespenst der Hyperinflation, wenn die Märkte mit Geld überschwemmt werden?
Nun: In einer Rezession wie jetzt, bestimmt nicht nur die Geldmenge die Preisentwicklung, sondern eben auch die Nachfrage wie Pekanov und Helmenstein betonen. Die Maßnahmen der EZB hätten demnach bislang vor allem dazu geführt, dass Banken, aber auch große Unternehmen, das Geld horten. Sprich: Das Geld der Zentralbanken kommt nicht bei denen an, die damit einkaufen gehen und die Preise treiben könnten. Also bei Handwerkern, Lehrern, Arbeitern oder Büroangestellten zum Beispiel.
Helmenstein: „Vor dem Hintergrund der fast traumatischen Erlebnisse der Krise von 2008/09 haben die Banken seither Liquidität aufgebaut.“ Das wirke nach, indem man nun in dieser Krise auf alle Fälle Liquiditätsengpässe vermeiden wolle. Pekanov stellt in seinen Analysen fest, dass es zudem an der Kreditnachfrage aus den Unternehmen mangle, die jetzt einfach nicht investieren wollen, da die Zeiten eben noch zu unsicher seien. „Viele Firmen reduzieren ihre Kapazitäten und werden sie erst wieder ausbauen, wenn ein Ende der Krise absehbar ist.“
Und wohin geht die Reise, wenn die Krise endet und der Rohölpreis wie schon zuletzt wieder anspringt?
Global betrachtet verfolgt der US-Vermögensverwalter Blackrock eine interessante These. Demnach mache die Krise starke Unternehmen (vor allem große) noch stärker. Schwache würden nach dem Ende der Staatshilfen vom Markt verschwinden. Die „Überlebenden“ könnten dann so leichter Preiserhöhungen für ihre Produkte durchsetzen.
Unklar ist auch, ob mit dem Ende der Krise die Welt nicht einen Nachholeffekt erlebt, der zusammen mit den steigenden Ölpreisen, die Teuerung treibt. Früher hätten die Notenbanken mit Zinserhöhungen den Konsumrausch samt Preisauftrieb gebremst. Im Zeitalter der Nullzinspolitik geht das nicht. Die EZB muss die Zinsen an der Nulllinie halten, weil sonst ganz Euro-Südeuropa ökonomisch kollabieren würde. Das wäre dann das Ende der Eurozone.
Eine teuflische Schere
Doch in Summe wird es ohnedies keine Mega-Inflation geben. Bei allen Prognosen ist von einem moderaten Inflationsanstieg die Rede, wie Pekanov betont. „Und zwar nicht nur kurzfristig, sondern für die kommenden fünf Jahre.“ Konkret ist in allen Prognosen von ein bis maximal zwei Prozent Inflation die Rede. Österreich liegt am oberen Ende. Und warum?
Helmenstein nennt hier die hohen Mieten bzw. Wohnkosten aber vor allem die hohen öffentlichen Abgaben und Gebühren. Das hat zweierlei Folgen. Erstens: Das Inflationsdelta Euroraum zu Österreich gefährde den Standort, findet Helmenstein. Denn die zuletzt ohnedies geringen Kollektivvertragserhöhungen entlang der österreichischen Inflationslinie kann man sich aufgrund der krisenbedingten Produktionsrückgänge eigentlich gar nicht leisten. Und dann gibt es noch ein Problem.
Schere öffnet sich weiter
Die Schere zwischen Inflation und Nominalzinsen öffnet sich hierzulande weiter und der Realzins (also Nominalzins minus Inflationsrate) rutscht dann noch stärker in den negativen Bereich ab.
Das nennt man Wertvernichtung von Erspartem. Das trifft vor allem den Mittelstand. Weshalb Herr und Frau Österreicher seit Jahren angehalten werden, ihr Erspartes in Immobilien zu investieren. Dass dort bald eine Blase platzen könnte, glaubt Pekanov aber nicht. „Wer Geld und Ersparnisse hat, investiert sie nach wie vor häufig in Immobilien.“ Was freilich die Preisspirale weiter nach oben treiben könnte.
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