Lecks an Pipelines: Habeck sieht Attacken als Ursache

Die dänischen Streitkräfte haben das an die Meeresoberfläche aufsteigende Gas vom Flugzeug aus fotografiert.
Direkte Auswirkungen auf die Versorgungslage sind nicht abzusehen, Umweltschäden aber schon. Wie lange die Reparaturen dauern könnten, ist noch unklar.

Innerhalb von nur 24 Stunden wurde auf den Gaspipelines Nord Steam 1 und Nord Stream 2, die Russland durch die Ostsee mit Deutschland verbinden, ein massiver Druckverlust gemessen. Beide Pipelines waren befüllt, obwohl sie zuletzt nicht in Betrieb waren. Dänische und schwedische Behörden haben seitdem drei Lecks nahe der dänischen Insel Bornholm geortet, somit sind drei der vier Stränge beschädigt. Entdeckt  wurden die Lecks von Militärflugzeugen. An einer Stelle bilden die an die Meeresoberfläche aufsteigenden Blasen eine kreisförmige Fläche mit einem Kilometer Durchmesser.

Nach Einschätzung des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck gehen die Lecks auf gezielte Angriffe zurück. Man wisse inzwischen sicher, "dass sie nicht durch natürliche Vorkommnisse oder Ereignisse oder Materialermüdung entstanden sind, sondern dass es wirklich Attacken auf die Infrastruktur gegeben hat", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag bei einer Veranstaltung von Spitzenverbänden der Wirtschaft.

Habeck unterstrich auch, dass er mit einem Weiterbetrieb der beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar II und Neckarwestheim über das Jahresende hinaus rechne. Wenn sich die Daten zum Stromnetz nicht gravierend änderten, "dann werden diese AKW auch ab Jänner weiterlaufen, bis der Winter vorbei ist". Habeck hatte zuvor mitgeteilt, dass er eine entsprechende Einigung mit den AKW-Betreibern erzielt habe. 

Die Regierung in Schweden vermutet Sabotage, auch die dänische Regierung ist der Meinung, dass die Gaslecks nicht auf einen Unfall zurückzuführen sind. Die Behörden seien zu der eindeutigen Bewertung gekommen, dass es sich um absichtliche Taten handle und nicht um ein Unglück, so Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Zudem haben Seismologen in Dänemark und Schweden am Montag starke Erschütterung in der Nähe der Gaslecks registriert. Dabei habe es sich zweifelsfrei um Explosionen gehandelt, hieß es von der Universität Uppsala.

Auch der Kreml schloss Sabotage als Ursache nicht aus. Dazu, wer dafür verantwortlich sein könnte, gibt es bisher nur Spekulationen. Möglich sei ein U-Boot- oder Tauchereinsatz entweder von russischer Seite oder von der Ukraine bzw. ihren Verbündeten, heißt es in Berichten. Der Schiffsverkehr ist im Umkreis von fünf Seemeilen um die Lecks gesperrt, Dänemark und Schweden haben Krisenstäbe zur Untersuchung der Vorfälle auf ihren Hoheitsgebieten eingerichtet.

Versorgungslage

Der Gaspreis ist nach dem Vorfall angestiegen, blieb aber unter der Marke von 200 Euro pro Megawattstunde.  Auf die Versorgungslage in Europa gibt es keine direkten Auswirkungen. Denn Nord Stream 1 wurde bereits seit einer Wartung Anfang September nicht mehr genutzt. In Moskau werden die EU-Sanktionen und das Fehlen von Turbinen dafür verantwortlich gemacht.

Die deutsche Regierung hält das für einen Vorwand, zumal Putin inzwischen erklärt hat, dass man nur dann Gas liefern werde, wenn das den russischen Interessen entspricht. Nord Stream 2 wurde im Herbst 2021 fertiggestellt und befüllt. In Betrieb gegangen ist sie aber nicht, denn Deutschland legte das Zulassungsverfahren schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine auf Eis.

Lecks an Pipelines: Habeck sieht Attacken als Ursache

Russland war bis heuer Europas wichtigster Lieferant für Erdgas. Nord Stream 1 war insbesondere für Deutschland wichtig, allerdings wurde das Gas von dort aus auch in andere europäische Staaten weiter exportiert. Eine andere wichtige Pipeline durch Polen (siehe Grafik) wurde im Laufe des Wirtschaftskrieges bereits eingestellt. Durch die Türkei und die Ukraine fließt noch russisches Gas nach Europa. Für Österreich ist insbesondere die Ukraine-Route wichtig, die das Staatsgebiet am Knotenpunkt Baumgarten erreicht. Von dort aus wird auch Gas nach Italien und Deutschland weitergeleitet.

Die Gasspeicher in der EU sind zu knapp 88 Prozent gefüllt, was etwas weniger als einem Viertel des Jahresverbrauchs entspricht. Experten gehen davon aus, dass der Staatenbund damit über den Winter kommt, wenn die Einsparungsziele erreicht werden und andere Lieferanten nicht ausfallen. In Österreich sind die Gasspeicher zu 77 Prozent gefüllt, allerdings hat das Land im internationalen Vergleich große Speicher, die ungefähr einen Jahresbedarf decken. Darin wird aber auch Gas für Verbraucher im Ausland gespeichert.  

Umweltschäden

Erdgas besteht großteils aus Methan. Dieses ist nicht giftig, aber brennbar und ein hochwirksames Treibhausgas. Unter Wasser ist es nicht sonderlich gefährlich, selbst im Falle einer Explosion unter Wasser soll es nur lokale Effekte geben, erklärte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Wenn große Mengen entweichen, schadet das aber dem Klima, denn Methan ist etwa 25 Mal so schädlich wie das CO2, das bei dessen Verbrennung entsteht.

Nach Angaben der Nord Stream 2 AG könnten alleine aus der Nord Stream 2 bis zu 177 Millionen Kubikmeter Gas entweichen. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sieht sich allerdings nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Denn man stehe unter Sanktionen, habe kaum noch Personal und die Gelder sind eingefroren.

Bei der Nord Stream AG, die die Nord Stream 1 betreibt, spricht man von einem "beispiellosen" Schaden. Wie lange die Reparatur dauern könnte, sei nicht abzuschätzen.

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