Warum ein schneller Umstieg auf E-Autos ausgebremst werden könnte

243 Millionen Fahrzeuge rollen derzeit auf den Straßen der EU – und sorgen damit für rund ein Viertel der EU-weiten CO2-Emissionen. Knapp die Hälfte davon stammt allein aus dem Pkw-Verkehr. Das soll sich in Zukunft radikal ändern: Geht es nach den Plänen der EU, dürfen neue Fahrzeuge ab dem Jahr 2035 keine treibhausschädigenden Emissionen mehr ausstoßen. De facto bedeutet dies ein Verbrenner-Verbot und den Umstieg auf E-Autos.
Diese Total-Wende stellt Europa aber vor gewaltige Herausforderungen. Die vielleicht größte davon: Um in den kommenden Jahren Zig-Millionen neuer E-Autos auf den Markt zu bringen, fehlt es schlicht an den erforderlichen Rohstoffen. „Die Produktion von E-Autos wird für 50 bis 60 Prozent des diesbezüglich gesteigerten Bedarfs verantwortlich sein“, heißt es in einer neuen Studie der Katholischen Universität Leuven (Löwen) in Belgien. (siehe: www.eurometaux.eu)

Auto-Batterien
Und diese gewaltige Zunahme der Nachfrage werde unweigerlich zu Engpässen führen, wird prognostiziert. Schlimmer noch: "Diese Engpässe beim Metallangebot können in den kommenden 15 Jahren die gesamte Energiewende in Europa gefährden." Potenzielle Auswirkungen würden Preissteigerungen bei den Rohstoffen betreffen, die Innovation, mögliche Veränderungen des Konsumverhaltens und eine Verzögerung des technischen Fortschritts.
Lithium, Kobalt, Nickel, Kupfer, Seltene Erden – bei fast allen Rohstoffen, die für den Bau von Batterien für E-Autos unerlässlich sind, ist Europa zu einem großen Teil oder fast ausschließlich von China abhängig.
Europa selbst hat wenig aufzubieten. Bei Bauxit etwa liegt der Selbstversorgungsgrad in der Europäischen Union bei null. Beim Schwermetall Dysprosium, Neodymium (gehört zu den Seltenen Erden) und Lithium sieht es derzeit in Europa genauso düster aus. Das Metall Lithium steckt praktisch in jedem Gegenstand, der einen wiederaufladbaren Akku hat.
Selbst beim Bedarf von Zink kann sich die EU derzeit nur knapp zu einem Drittel selbst mit dem nötigen Aufkommen versorgen. Wie also soll das gehen – vollständiger Umstieg auf E-Autos, während die Bedingungen dafür offenbar noch nicht vorhanden sind?
Anfrage in Brüssel
Antworten auf diese dringliche parlamentarische Anfrage erwarten sich rund vier Dutzend EU-Abgeordnete binnen der nächsten drei Wochen von der EU-Kommission in Brüssel. Darunter Barbara Thaler, Verkehrssprecherin der ÖVP im EU-Parlament, die warnt: "Europa muss seine Rohstoffabhängigkeit verringern, nicht verlagern." Eine Möglichkeit sieht sie ebenso wie Teile der Automobilindustrie darin, den Verbrennermotor nicht vollständig zu verbieten, "sondern weiter zu entwickeln" – in Richtung synthetische Kraftstoffe oder BioFuels.
Das allerletzte Wort darüber ist in der EU noch nicht gesprochen – in der EU-Kommission wird zwar noch geprüft, doch die Tendenz geht in Richtung völliges Verbrenner-Aus für neue Fahrzeuge im Jahr 2035.
In ihrer Studie erwartet die Uni Leuven jedenfalls für das laufende Jahrzehnt die größten Probleme, die Nachfrage bei Rohstoffen zu erfüllen. Leichte Entspannung könnte es erst nach 2030 geben, wenn ohnehin verbesserte Batterien bereits in großer Menge recycelt und die Rohstoffe darin wieder verwendet werden könnten.
Zu wenig Ladestationen
Eine weitere Hürde in Richtung E-Mobilität will indes das EU-Parlament am Mittwoch nehmen: Abgestimmt wird in Straßburg über den massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur in der EU.

"Das Laden muss so einfach wie das Tanken werden", lautet die Forderung. Demnach muss bis 2026 auf allen größeren europäischen Straßen alle 60 Kilometer eine Ladestation verfügbar sein. Mit 36 Millionen neuen emissionsfreien Fahrzeugen wird bis 2030 in der EU gerechnet – drei Millionen öffentliche Ladestationen sollen ihnen dann zur Verfügung stehen.
Von diesem Ziel ist Europa allerdings noch meilenweit entfernt. Wer heute mit seinem E-Auto von West- nach Osteuropa reisen will, muss seine Wegstrecke sehr gut planen: Denn während in den Niederlanden schon jetzt alle 1,5 Kilometer eine Ladestation zu finden ist, wird man in Polen nur alle 150 Kilometer fündig.
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