Trotz hoher Zinsen: Experten raten weiterhin zu Eigentum
Die Rahmenbedingungen am Immobilienmarkt haben sich verändert. Die Zinsen sind deutlich gestiegen und die Preise leicht gefallen. Die institutionellen Anleger können auch nach Anlageformen mit mehr Rendite suchen. Doch alle, die dringend eine Wohnung suchen, haben diese Möglichkeit nicht. Sollen sie trotzdem jetzt eine Immobilie kaufen?
„Ja, es macht durchaus Sinn, weiter in Immobilien zu investieren“, ist Richard Buxbaum überzeugt. Der Prokurist und Leiter der Abteilung Wohnimmobilien bei Otto Immobilien sieht gute Gründe, vor allem weiter in der Bundeshauptstadt zu kaufen. „Wien ist ein extrem attraktiver und weltweit bekannter Standort und daher auch ein sicheres Immobilieninvestment.“ Buxbaum verweist auf internationale Studien und Städterankings, bei denen Wien immer sehr gut abschneidet.
Eigenmittel
Ohne Eigenmittel sei es wegen der teureren Kredite allerdings schwierig geworden, Immobilien zu kaufen. Außerdem gebe es sehr unterschiedliche Motive für den Kauf, die über die Geldanlage hinausgehen, weiß Buxbaum. Manche wollen Kinder und Enkelkinder unterstützen, damit sie sich auch eine Wohnung oder ein Haus leisten können. „Man muss sich natürlich immer anschauen, um welche Immobilie es dabei geht. Dazu sollt man einen Experten oder eine Expertin befragen.“ Die Lage der Immobilie und die Qualität der Infrastruktur sei nach wie vor ein wichtiger Faktor.
Dass die Regeln für die Vergabe von Wohnbaukrediten deutlich verschärft wurden (siehe unten), habe „die Nachfrage bei jenen Immobilien, die in das Preissegment fallen für die man früher leichter einen Kredit bekommen hat, deutlich reduziert“. Vielen bleibe nicht anders übrig als in die Miete zu flüchten, seil sie sonst keine Alternativen haben. Buxbaum erwartet noch eine weitere Zinserhöhung.
Allein wegen des Bevölkerungszuwachs werde die Nachfrage nach Wohnraum vor allem in Wien weiterhin steigen. Dazu kommt, dass derzeit deutlich weniger gebaut wird als in den vergangenen Jahren. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für eine Immobilieninvestition. „Irgendwo muss gewohnt werden. Es wird eine gewisse Knappheit geben.“
Das unterstreicht Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbands der Immobilientreuhänder in der Wirtschaftskammer. In den Jahren vor der Pandemie seien jährlich rund 90.000 bis 100.000 neue Wohneinheiten errichtet worden. Heuer würden nur 47.000 erwartet, nächstes Jahr 40.000.
Gründe seien zum einen Verzögerungen bei der Bewilligung von Bauprojekten infolge der Pandemie. „Alleine in Graz sind es 150 unbearbeitete Projekte.“ Bis zum Baustart würde es dann noch 3 bis 5 Jahre dauern. Zum anderen liege es an gestiegenen Baupreisen infolge von Engpässen bei den Rohstoffen. Nun hätten sich die Baupreise zwar eingependelt, aber angesichts der hohen Lohnsteigerungen würden sie aber auch nicht fallen. „Die Auftragsbücher werden sich aber leeren“, so Gollenz, dann werde die Situation wieder besser.
Schon jetzt liegen die Preise angesichts einer um 11 Prozent geringeren Nachfrage um 6,8 Prozent tiefer als im Vorjahr, das Angebot an Eigentumsobjekten um 7,6 Prozent höher. „Bei neuen Objekten ist daher jetzt ein guter Zeitpunkt zum Kauf“, so Gollenz. Bei Gebrauchten hingegen sei derzeit die preisliche Lage eher schlecht, weil wenige verkaufen würden. Für Menschen mit weniger verfügbarem Eigentum werde es wohl bis 2025 leichter werden, eine Immobilie zu erwerben, da es die hohen Lohnsteigerungen leichter machen würden, die strengen FMA-Regeln einzuhalten. Zudem könnten auch die Zinsen bis dahin wieder sinken. „Wer jetzt die Mittel hat, sollte kaufen“, ergänzt Hannes Dolzer, Obmann des Fachverbands der Finanzdienstleister.
Für Buxbaum ist es daher unverständlich, dass private Käufer – auch von Vorsorgewohnungen – in Wien derzeit sehr zurückhaltend agieren. Eine Vorsorgewohnung „ist auch aus heutiger Sicht ein langfristiges und durchaus gutes Investment“.
Zurück in die Stadt
Außerhalb von Städten ist die Nachfrage unterschiedlich. Vor allem in Zeiten der Pandemie waren Immobilien am Land sehr gefragt. Buxbaum spricht von einer „verstärkten Tendenz, wieder in die Stadt zurückzukehren“. Auch wenn im Homeoffice gearbeitet wird, ist in Zeiten der CO2-Reduktion der Weg zum Arbeitsplatz ein Thema. Das gilt auch für das Angebot an Infrastruktur.
Eine Möglichkeit trotz höherer Zinsen in Immobilien zu investieren sind Baurechte. Der Grundbesitzer räumt dem Nutzer des Grundstücks das Recht ein, ein Gebäude zu errichten und es für einen langen Zeitraum von bis zu 100 Jahren zu nutzen. Dies sei eine Möglichkeit, wie man sich Wohnungseigentum ohne hohen Kapitaleinsatz leisten kann. Damit könne man neue, leistbare Wohnflächen schaffen.
Hohe Zinsen und FMA bremsen
„Es gibt keine Immobilienblase, wir haben nach wie vor eine Nachfrage“, sagt Immobilienexperte Gerald Gollenz. Dass sie geringer ist als noch vor einem Jahr, liegt an zwei Gründen. Zum einen an den stark gestiegenen Kreditzinsen. Lagen die variablen Zinsen Anfang 2022 noch bei durchschnittlich 0,25 Prozent, so sind es aktuell 4,25 Prozent. Das verteuert einen 25 Jahre laufenden Kredit über die gesamte Laufzeit um 178.000 Euro. Im Monat sind es statt 1.030 nun 1.625 Euro.
Zum anderen sorgen die verschärften Kreditvergaberichtlinien der Finanzmarktaufsicht (FMA) für einen Rückgang. „Vor allem junge Menschen haben wenig Chancen auf einen Kredit“, sagt Hannes Dolzer, Obmann des Fachverbands der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer. Er fordert nach ersten Erleichterungen weitere Reformen. Schließlich sei der Zugang zu Wohneigentum wichtig, um Altersarmut – Stichwort Pensionslücke – zu vermeiden. „Die Mieten werden unleistbar.“
Angebote vergleichen
Dolzer rät bei der Kreditaufnahme zum Angebotsvergleich. Bei einem Fixzinskredit über 300.000 Euro und 25 Jahren Laufzeit gibt es aktuell Zinsunterschiede von bis zu 0,75 Prozentpunkte im Jahr. Das macht über die gesamte Laufzeit eine Summe von 37.000 Euro aus. Bei variabler Verzinsung ist es ein Prozentpunkt, in Summe 50.000 Euro.
Auch bei der Kontoführung gibt es Unterschiede von bis zu 40 Euro im Monat, was sich auf bis zu 12.000 Euro summiert; bei den Bearbeitungsgebühren bis zu 2 Prozent (6.000 Euro).
Generell gilt: mit mehr Eigenmitteln gibt es günstigere Zinsen. Je länger die Laufzeit ist, desto geringer der monatliche Rückzahlbetrag (aber insgesamt in der Regel höhere Gesamtkosten). Und nicht zuletzt um mögliche Förderungen ansuchen.
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