Putenfleisch landet unter falscher Flagge am Teller
Neulich auf einem Plakat einer Möbelhauskette: Es gibt Putenschnitzel mit Beilage zum Aktionspreis. Mit auf dem Plakat eine rot-weiß-rote Flagge und der Hinweis „100 Prozent österreichisches Qualitätsfleisch“.
Klingt nach einem Großauftrag für heimische Putenmäster, ist es aber nicht, wie ein KURIER-Anruf bei der Firma Wech, Österreichs einzigem Schlachtbetrieb für Puten, zeigt. Von einem neuen Großauftrag weiß man dort nichts, was einigermaßen überraschend ist. Kurz darauf änderte die Möbelhauskette die Werbelinie plötzlich.
Noch immer gibt es Schnitzel zum Aktionspreis, jetzt steht neben der rot-weiß-roten Flagge aber nichts mehr über dessen Herkunft. Stattdessen nur der unverfängliche Hinweis: "Typisch österreichisches Gericht."
Branchenvertreter kochen vor Wut. Das sei eine Irreführung der Konsumenten. Diese beteuern in Umfragen gern, dass sie am liebsten Fleisch aus heimischer Produktion auf dem Teller haben. Beim Einkauf schauen sie dann aber doch vornehmlich auf den Preis, womit das Dilemma der Branche auch schon skizziert ist.
Hohe Standards
"Wir haben die höchsten Tierschutzstandards in Europa, werden aber im Konkurrenzkampf ständig von der Billigware aus dem Ausland unterboten“, sagt Robert Wieser, Obmann der Arge Pute Österreich. In heimischen Ställen haben die Puten per Gesetz um bis zu 75 Prozent mehr Platz als in anderen Ländern Europas, die Besatzdichte ist mit 40 Kilo Lebendgewicht pro Quadratmeter so gering wie in keinem anderen Land. Unter diesen Haltungsbedingungen sinkt auch der Antibiotikaeinsatz, in Österreich ist dieser zwischen 2011 bis 2017 um 55 Prozent zurückgegangen. Ein Stück heile Welt sei das trotzdem nicht, sagt Wieser. In Kantinen, Restaurants und im Supermarkt würde jetzt viel Ware aus Italien, Ungarn, Polen und Deutschland landen. Sie punktet bei den Kunden mit dem Preis.
"Die Situation wird immer dramatischer, weil immer mehr Überschussware aus dem Ausland zu Dumpingpreisen nach Österreich kommt“, bestätigt auch Karl Feichtinger, Geschäftsführer des Geflügelverarbeiters Wech. Mitunter würden ausländische Mitbewerber ihre Überschusskapazitäten regelrecht nach Österreich entsorgen, um sich das Preisgefüge am Heimmarkt nicht kaputtzumachen. „Es handelt sich um Betriebe, die ein Vielfaches an Tieren verarbeiten wie alle österreichischen Mäster insgesamt aufziehen und in deren Ställen Tierschutz keine Rolle spielt.“ Das sei mit ein Grund für die extrem niedrigen Preise.
Billiger Überschuss
Die Folge: „Deutsche Ware gibt es im österreichischen Supermarkt zu Aktionspreisen von 7,99 Euro, österreichische ab 12,99 das Kilo“, rechnet Robert Wieser vor. Er glaubt allerdings nicht, dass die Preisdifferenz von mindestens fünf Euro allein auf die höheren Einkaufspreise infolge der Tierschutzstandards zurückzuführen ist. „Ich bin überzeugt, dass die Differenz im Einkauf maximal drei Euro ausmachen kann, die Händler also bei österreichischer Ware einen höheren Aufschlag haben als bei ausländischer.“ Eine Gemeinheit, findet Wieser. Schließlich seien es die Händler gewesen, die einst gemeinsam mit Tierschutzorganisationen höhere Tierwohlstandards gefordert und umgesetzt haben.
Die Händler wiederum stehen unter Druck, die Verkaufszahlen von Putenfleisch sind rückläufig. Schuld ist der steigende Außer-Haus-Konsum. Das Schnitzel wird in Kantinen und Restaurants bestellt und nicht mehr zu Hause herausgebacken. Um die Verkaufszahlen halbwegs zu halten, verstärken Händler ihre Aktionen, beobachten Branchenkenner.
Händler betonen indes, dass sie gar keine Möglichkeit hätten, nur österreichische Ware zu verkaufen. Der Selbstversorgungsgrad liegt je nach Quelle zwischen 34 und 48 Prozent. Für österreichische Ware würde zudem deutlich mehr bezahlt werden als für ausländische, heißt es seitens der Rewe. In die genaue Kalkulation lässt sich der Konzern freilich nicht schauen.
Zweierlei Maß
Dagegen ist klar, dass die öffentliche Hand gern nach den Billigstbieterprinzip kauft. Der Staat macht also die Tierschutzgesetze, kauft aber Billigware aus dem Ausland. „Die Ärzte in den Krankenhäusern predigen, dass der Antibiotika-Einsatz in den Ställen eine Gefahr ist und reduziert werden muss“, sagt Wieser. „Vom kaufmännischen Leiter des Krankenhauses erfährt man aber, dass er Billigfleisch aus dem Ausland kauft. Da fühlt man sich schon gepflanzt.“
In Wirtshäusern landet meist Pute aus Polen, Ungarn oder der Slowakei. „In den Gastro-Großmärkten kommen 90 Prozent der Ware aus dem Ausland“, weiß Markus Lukas, Obmann der Geflügelmastgenossenschaft Österreich. Er fordert einmal mehr eine Herkunftskennzeichnung.
Noch mehr Preisdruck droht laut Lukas nach dem Brexit: „Großbritannien ist ein Netto-Importland mit einem Selbstversorgungsgrad von nur 60 Prozent.“ Nach dem Brexit werden für die Einfuhr von Pute aus dem EU-Raum Zölle von rund einem Euro pro Kilo fällig. „Damit wird für Briten Fleisch aus Brasilien und China billiger als jenes aus Europa und wir werden Überkapazitäten haben, die auf den Preis drücken.“
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