Schnitzel statt Hummus: Wie viel Nationalismus braucht der Naschmarkt?

Nur in Wien: Christoph Schwarz und Julia Schrenk kommentieren regelmäßig Amüsantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches aus dem Alltag der Stadt.
Der aktuelle Wien-Blog: Die Wiener Märkte leben von Diversität. Nicht von falsch verstandenem Patriotismus à la FPÖ.

Etwas mehr Abwechslung, ja, die täte dem Wiener Naschmarkt gut. All jene, die sich nicht ausschließlich von Hummus, Falafel und Wasabinüssen ernähren, werden dem wohl zustimmen.

Denn die Zahl der Stände, die am Naschmarkt wirklich noch besondere Spezialitäten anbieten, für die sich der Weg hierher lohnt, ist zwar konstant. Aber eben auch konstant gering.

Die Mehrzahl der Händler bietet eher die eingangs genannten Produkte. Und zwar, so scheint es, oft aus Industrieküchen von Großhändlern.

Abhilfe schaffen will nun ausgerechnet die Wiener FPÖ. Sie fordert in einer Presseaussendung zusätzliche "Regionalstandln" für den Naschmarkt. In vier noch zu errichtenden Gebäuden solle ein "Österreich Kulinarium" entstehen.

Schaler Beigeschmack

Das klingt auf den ersten Blick charmant. Gute regionale Produkte, die mit dem derzeitigen Angebot des Marktes mithalten können, gibt es in Österreich wahrlich genug. Dafür sorgen nicht zuletzt die heimische Landwirtschaft und viele kleine Erzeuger.

Was für einen schalen Beigeschmack sorgt, ist der dumpfe Nationalismus, der in der FPÖ-Aussendung mitschwingt. Und den die Partei nicht einmal zu kaschieren versucht. Klar auch: Immerhin ist das die eigentliche Botschaft, die die Blauen an ihre Wähler aussenden wollen.

Einige Kostproben gefällig?

Wenn die FPÖ die Wiener Märkte als "wichtige Nahversorger für die Bevölkerung im Grätzl" sieht, wie es FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp formuliert, und "nicht als einen Platz, auf dem hauptsächlich Gastronomie aus fernen Ländern angeboten wird", dann wird die latente Fremdenfeindlichkeit offenkundig.

Warum, fragt man sich, sollten die Wiener sich denn nicht auch mit Spezialitäten aus anderen Ländern "nahversorgen"? Und richtet sich der FPÖ-Vorstoß eigentlich nur gegen nah- und fernöstliche Lebensmittel, die hier von muslimischen Händlern verkauft werden? Oder auch gegen französischen Käse und italienischen Prosciutto?

Leidiges Südtirol-Thema

Dass das blaue "Österreich Kulinarium" zehn Stände umfassen soll, zeigt dann endgültig, woher der Wind weht: Neun Stände seien für Produkte aus den neun Bundesländern gedacht, erklärt Nepp. Und der zehnte Stand? Erraten! Dort solle es Spezialitäten aus Südtirol geben.

Es ist dies die nächste (kleine) Episode im schwer eigentümlichen Südtirol-Engagement der FPÖ, mit dem sie seit Jahren aneckt. Sei es Heinz-Christian Straches Forderung nach Doppelpässen für deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler im Vorjahr. Oder der Skandal, den Martin Graf mit seiner Forderung nach einer Volksabstimmung über die Rückkehr Südtirols im Jahr 2009 provozierte. Immer wieder wärmt die FPÖ das Thema auf.

Die Forderung nach einem Südtirol-Stand auf der Österreich-Meile eines Markes? Ein Signal an bestimmte Wählersegmente, das hier schlicht nichts verloren hat.

Dann wäre da noch der Ruf nach einem "sektoralen Bettelverbot für die Märkte, damit das Marktfeeling der Besucherinnen und Besucher nicht gestört“ werde. Auch er findet sich in der Aussendung. (Wem in der blauen Kommunikationsabteilung ist eigentlich der üble Anglizismus "Feeling" durchgerutscht?)

An dieser Stelle sollte längst klar sein: Es geht in dieser Geschichte nicht um kulinarische Vielfalt, sondern um (falsch verstandenen) Patriotismus.

Beeindruckend bleibt, wie es der FPÖ damit gelungen ist, ihr fast gesamtes politisches Programm in nur einer Meldung unterzubringen. Einzig die Idee nach Einrichtung eines Kickl'schen Ausreisezentrums am Rande des Naschmarkts und die Einführung von 1,50-Euro-Jobs für ausländische Marktstandler blieben unerwähnt.

Aber der Wahlkampf ist ja noch jung.

Christoph Schwarz und Julia Schrenk kommentieren an dieser Stelle regelmäßig Amüstantes, Skurriles und manchmal auch Nachdenkliches, das (wahrscheinlich) nur in dieser Stadt passiert.

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