Warum Beratungsgespräche in der Bank ab sofort länger dauern
Wer ab 2. August in Sachen Geldanlage seine Bank aufsucht, wird ein bisschen mehr Zeit einplanen müssen. 15 bis 30 Minuten, so schätzen Experten, je nach Vorkenntnisse der Kunden. Denn ab kommenden Dienstag müssen EU-weit Kunden verpflichtend zu ihren Wünschen hinsichtlich nachhaltiger Veranlagung gefragt werden (Onlinebanken sind ausgenommen). Die Absicht dahinter ist, dass künftig mehr Gelder Richtung Unternehmen fließen, die nach ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) handeln. Also in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung entsprechend aufgestellt sind.
Es sei prinzipiell positiv, dass die Rendite künftig nicht das einzige Kriterium bei der Anlage sein soll, sagt Hannes Dolzer, Obmann des Fachverbands der Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer. „Und bis jetzt konnten sich Fonds relativ leicht als nachhaltig definieren“, ergänzt Martin Kwauka vom Finanzjournalistenforum. Aber es zeichnen sich einige Probleme ab. „Die Emittenten müssen die Kriterien für ihre Produkte erst ab Jänner 2023 veröffentlichen“, so Dolzer.
Es seien aber auch seitens der EU noch nicht alle Kriterien final definiert, sagt Kwauka. „Für erst zwei der sechs Umweltziele ist das der Fall.“ Auch bei den sozialen Zielen sei die EU erst am Anfang. Ein weiteres Problem sei, dass die Emittenten bei der Einstufung ihrer nachhaltigen Produkte noch sehr vorsichtig seien und den nachhaltigen Mindestanteil eher gering halten. „Die Angst ist, dass sie wegen vermeintlichen Greenwashings an den Pranger gestellt zu werden.“ Im Laufe der Zeit würden sich die Prozentsätze bezüglich Nachhaltigkeit in den jeweiligen Produkten aber erhöhen.
Verzicht
Bis dahin bestehe die Gefahr, dass Anleger mangels passender Produkte (vorerst) kein Angebot bekommen. Sie hätten dann im Beratungsgespräch die Möglichkeit, die Wünsche so weit zu reduzieren, bis passende Angebote vorliegen. „Dann könnten Kunden ganz auf Nachhaltigkeitswünsche verzichten“, sagt Kwauka. Nationale Gütesiegel für nachhaltige Investmentprodukte würden von der EU im Rahmen dieser neuen Vorgaben jedenfalls nicht anerkannt, ein EU-weites gibt es bis jetzt nicht.
Und ein weiterer, wichtiger Punkt: Aufgrund der noch ungenauen Definitionen und offenen Punkte könnte es zu Rechtsstreitigkeiten kommen, vor allem dann, wenn die Rendite nachhaltiger Produkte hinter den Erwartungen bleibt.
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