Waldviertler Landwirt: „Ich denke ans Aufgeben“
Die knapp 200 Einwohner zählende Ortschaft Brand bei Zwettl im niederösterreichischen Waldviertel ist einigen vielleicht noch ein Begriff. Vor genau 14 Jahren lag in einem benachbarten Waldstück die aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien gestohlene – fast 50 Millionen Euro teure – Saliera vergraben. Kurze Zeit später versuchte man, den durch den internationalen Medienrummel weltberühmt gewordenen Fundort touristisch zu vermarkten. Doch inzwischen ist längst wieder Alltag eingekehrt. Über das wertvolle Salzfass redet keiner mehr. Was die meisten Bewohner interessiert, sind Themen wie Klimawandel, Borkenkäfer-Plage oder Bauernsterben.
Alfred Gutmann schlürft seinen Frühstückskaffee, während er seelenruhig durch das Fenster auf die schneebedeckte Landschaft blickt. Solange der Nebenerwerbslandwirt noch nicht auf das Feld fahren muss, hat er keinen Stress. Zusätzlich jobbt er im benachbarten Sägewerk als Fahrer von Radladern. „Von der Landwirtschaft alleine können wir nicht leben“, betont der 59-Jährige. Für die Bauern sei die Einkommenssituation mittlerweile prekär. Einerseits würden die Förderungen seit dem Jahr 2007 immer niedriger ausfallen. Andererseits habe man mit dem Klimawandel zu kämpfen. „Ich denke seit längerer Zeit darüber nach, den Betrieb aufzugeben. Meine drei Kinder werden die Wirtschaft nicht übernehmen. Die haben alle andere Jobs“, erzählt Gutmann.
Bauernsterben im Waldviertel
Baldiges Ende
Spätestens in drei Jahren, wenn der Waldviertler 62 Jahre alt ist, soll mit seinem konventionellen Anbau Schluss sein. Bis dahin versucht Gutmann – er ist der Bruder von Sonnentor-Gründer Hannes –, mit Getreide, Erdäpfel, Gemüse und Bienenweide noch einigermaßen Geld zu verdienen. „Unterm Strich bleibt mit Ach und Krach eine Null übrig. Wir müssen froh sein, wenn wir kein Minus schreiben. Wenn ich meine geleistete Arbeitszeit dazu rechnen würde, würde es schlimm ausschauen“, sagt der Bauer, der mit 13 Hektar Fläche einen relativ kleinen Betrieb führt. Im Durchschnitt besitzt ein Landwirt im Waldviertel zirka 30 Hektar Grund, um über die Runden zu kommen. „Ich hätte investieren und Flächen dazupachten müssen, wenn ich meinen Bauernhof im Vollerwerb betreiben hätte wollen. Aber dieses finanzielle Risiko war mir zu groß“, betont Gutmann. Inzwischen vergleicht er sich mit einem Schrebergärtner. „So sehe zumindest ich meine Arbeit“, betont der Waldviertler.
Schlechtes Image
Als er ein Kind war, habe die Landwirtschaft noch einen höheren Stellenwert gehabt. „Die ganze Familie hat auf den Feldern oder im Stall mitgeholfen, weil das so üblich war. Inzwischen mache ich vieles alleine“, sagt der Waldviertler. Auch das Image der Bauern sei durch die vielen Negativschlagzeilen ramponiert. „Wir werden oft als Umweltvergifter dargestellt. Ich versuche, so wenig wie möglich Spritzmittel zu verwenden.“
Bis vor fünf Jahren hatte der Waldviertler auch noch 22 Rinder, um Milch zu produzieren. Aber die Tiere sind weg, weil sich der Aufwand nicht mehr auszahlt. Mittlerweile ist sein Stall nur noch ein Lagerraum für Gerätschaften und andere Werkzeuge. Aus dem hinteren Bereich des Gebäudes melden sich mehrere Hühner, die sich hinter einer hölzernen Trennwand aufhalten und über einen Durchgang jederzeit ins Freigehege gelangen können. Ihre Eier sind in erster Linie für den Eigengebrauch bestimmt.
Verpachten
Auch wenn klar ist, dass seine Kinder den schmucken Bauernhof nicht weiterführen wollen, hat Gutmann nicht vor, die Flächen zu verkaufen. „Wir möchten den Wert des Betriebs für unsere Kinder erhalten. Deswegen überlege ich, die Flächen zu verpachten. Vielleicht kommt irgendwann eine Zeit, in der es gut ist, eine kleine Landwirtschaft zu besitzen“, sagen Gutmann und seine Ehefrau.
Neben ihrem Betrieb gibt es im Ort zum Glück noch weitere Landwirte. „Wenn wir alle nicht im Sägewerk der Firma Stora Enso arbeiten könnten, würde es jämmerlich aussehen – dann hätte unser Dorf schon lange keine Bauern mehr“, ist Gutmann überzeugt. Um weiterhin bestehen zu können, sieht er eine einzige Chance. „Ein Landwirt kann nur mit Bio überleben, wenn er seine Produkte direkt dem Kunden verkaufen kann. Wenn es in der Lieferkette viele Großhändler gibt, die mitverdienen wollen, ist der Bauer tot“, meint der Waldviertler.
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