Das neue Vorstandsduo des Verkehrsbüros, Birgit Wallner und Martin Winkler, sehen den Höhepunkt der großen Preissprünge überschritten. Die Buchungslage sei gut, die Nachfrage nach Flugreisen hoch.
Birgit Wallner: Es schaut sehr gut aus, weil es einen hohen Nachholbedarf gibt. In den ersten Jännerwochen wurden bereits 35 Prozent des erwarteten Jahresvolumens gebucht. Aus den Erfahrungen des letzten Jahres, wo bald nicht mehr alles verfügbar war, wird nun früher gebucht. Es macht sich auch bezahlt, Stichwort Frühbucherbonus. Und auch der Stellenwert der Stornoversicherung ist noch höher geworden.
Wo zieht es die Leute hin und wonach sehnen sie sich?
Wallner: Die Menschen haben Sehnsucht nach dem Meer, sie wollen abschalten, Zeit mit Familie und Freunden verbringen und auf Entdeckung gehen. Beliebt sind die klassischen Destinationen: Italien, Kroatien, Griechenland, Spanien und auch wieder die Türkei. Bei den Fernreisen sind es die USA und Thailand. Zugenommen haben die Vereinigten Arabischen Emirate, und auch Japan entwickelt sich gut. Was wir auch sehen: Umso jünger, desto weiter weg zieht es die Menschen.
Statt mit Corona müssen sich Urlauber jetzt mit der Inflation herumschlagen. Kann man 2024 noch preiswert reisen?
Wallner: Ja, auf jeden Fall. Die Preissteigerungen im Reisebereich haben sich moderat eingependelt. Wir sprechen hier von drei Prozent. Wir schauen aber auch, dass wir für jedes Budget das passende Angebot haben. Dennoch sind die Flugtickets sind deutlich teurer geworden.
Wie wird sich das weiter entwickeln?
Wallner: Die Airlines sind sehr auf Effizienz getrimmt. Wenn es nun wieder mehr Kapazitäten gibt – wovon wir ausgehen können – wird sich das wieder einpendeln.
Auch im Bereich der Mietwägen hat man die Teuerung deutlich gespürt. Hat sich das wieder beruhigt?
Winkler: Vor ein bis zwei Jahren waren Autos sehr schwer zu bekommen. Dadurch sind die Preise raufgegangen. Das hat sich jetzt aber auch wieder entspannt.
Inwiefern beeinflussen Ukraine-Krieg und Gaza-Krieg das Reiseverhalten der Menschen?
Wallner: Auf der Destinationsseite merken wir Verschiebungen. Wobei wir bei den Bade-Destinationen in Ägypten, die nicht direkt angrenzen, wenig Auswirkungen spüren. Winkler: Was man beim Nahost-Konflikt spürt, ist, dass israelische Gäste, die vergangenes Jahr noch nach Österreich gekommen sind, nicht mehr kommen.
Wie sehr schmerzt der Ausfall des Russland-Geschäfts?
Winkler: Russland hatte seit jeher keinen großen Stellenwert für uns, auch bei unseren eigenen Hotels in Österreich nicht. Deshalb hat das für uns keine große Auswirkung.
Thema Nachhaltigkeit: Der Begriff wird ja schon fast inflationär verwendet. Was bedeutet er für Sie im Tourismus und bei Reisen?
Winkler: Wir setzen dort an, wo wir es auch selbst in der Hand haben, also bei unseren eigenen Hotels und Campingplätzen. Ob das PV-Anlagen sind oder in den Hotels plastikfrei zu agieren, hier kann man viel machen. Wir versuchen auch regional einzukaufen, wo es geht. Wallner: Beim Thema Reisen sehen wir eine Verschiebung bei der Nachfrage. Der Flug hat mit 11 Prozent wieder zugenommen, die Bahn ist hingegen relativ gleich aufgeblieben. Es kommt aber nicht nur auf die Anreisemöglichkeiten an. Es geht auch darum, wie man sich vor Ort verhält.
Laut dem ruefa Reisekompass 2024 wollen 58 Prozent mit dem eigenen Auto und 36 Prozent mit dem Flieger in den Urlaub kommen. Spielt das Thema Nachhaltigkeit für Urlauber überhaupt eine Rolle?
Wallner: Ich glaube, es dauert noch ein bisschen. Das Bewusstsein ist schon da – an der Umsetzung hapert es noch. Die Österreicher sind eine „Auto-Nation“. Da muss man sich überlegen, welche Alternativen es gibt. Bei der Bahn fehlt es noch an Kapazitäten, die Nachfrage wäre bereits da. Winkler: Unsere Aufgabe ist es dennoch, da wo es Potenzial gibt, dranzubleiben. Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade an einem Kipppunkt sind. Das Thema wird in den nächsten Jahren immer größer werden.
Ab wann beginnt aus Ihrer Sicht Overtourism?
Wallner: Wenn es für Urlauber und Einheimische nicht mehr passt. Winkler: Wir sagen am Beispiel Österreich immer, man muss auch die Bevölkerung mitnehmen. Wir sind eine Tourismusnation und die Akzeptanz muss gegeben sein. Und die Leistbarkeit eines Urlaubs im Inland trägt dazu bei. Wichtig ist dabei auch eine Entzerrung der Touristenströme. Letztendlich ist es ein subjektives Empfinden.
Begrüßen Sie Maßnahmen wie in Venedig, wo Tagestouristen jetzt eine Gebühr zahlen müssen?
Winkler: Langfristig muss man sich in solchen Orten Gedanken darüber machen, weil wenn die Stimmung kippt, hat niemand etwas davon. Es müssen sich sowohl Bevölkerung als auch Gäste wohlfühlen.
Die Österreicher sind eine „Auto-Nation“. Da muss man sich überlegen, welche Alternativen es gibt. Bei der Bahn fehlt es noch an Kapazitäten, die Nachfrage wäre bereits da.
von Birgit Wallner, Vorständin Verkehrsbüro
Herr Winkler, Sie sind unter anderen für Ketten wie Austria Trend Hotel oder Radisson zuständig. Wie geht es den Hotels nach Corona?
Winkler: Wir haben unseren Schwerpunkt in der Stadthotellerie und da ist das Bild ein differenziertes. Wir sehen, dass die Hotels, die vor allem sehr stark im Tourismus positioniert sind, wieder gut unterwegs sind. Bei Hotels, die stärker im Kongress- oder Seminargeschäft tätig sind, fehlt noch etwas auf das Niveau vor der Pandemie. Ich glaube, da gibt es nachhaltig eine Transformation, wie Firmenreisen oder Kongresse stattfinden.
Müssen sich diese Hotels da neu erfinden?
Winkler: Wir haben in der Coronazeit unser Bassena-Konzept gelauncht. Hier sprechen wir verstärkt Individualreisende mit einem gewissen Anspruch an Design und Ausstattung an. Aber teilweise setzen auch Geschäftsreisende vermehrt auf diese individuell ausgestatteten Hotels.
Dafür müssen Sie wohl einiges investieren...
Winkler: Wir haben schon in der Pandemie geschaut, welche Investitionen wir voranbringen können. Aktuell wird das Hotel Astoria in der Kärntner Straße um 15 Millionen Euro groß umgebaut. Da wollen wir tolle Zimmer in einem 100 Jahre alten Traditionshaus schaffen und auf Frühstück viel Wert legen, aber ein reduziertes Getränke- und Speisenangebot haben. Weil es in der Wiener Innenstadt dafür ein super Angebot gibt und der Fokus dort sehr stark auf Nächtigung liegt. Ebenso im Hotel Rathauspark, das wir bald beginnen zu renovieren und wo auch ein starker Fokus auf Individualtouristen liegt. Was auch wichtig ist, ist weiterhin die Lage und das Gastgebertum auch zu leben.
Ist das ein Problem in Zeiten von Personalengpässen im Tourismus?
Winkler: Die Herausforderungen sind da, aber in Summe geht es wieder besser. Wir haben seit jeher einen großen Fokus auf Lehrlinge. Wir werden auch heuer wieder 40 Lehrstellen besetzen und so versuchen, den eigenen Nachwuchs selbst zu schaffen. Wir sehen aber auch, dass man mit einer guten Marke Mitarbeiter findet.
Wie sehr leiden Sie unter reinen Onlinekonkurrenten wie AirBnB?
Winkler: Gäste wollen das Erlebnis, in eine Stadt individuell einzutauchen. Da wollen wir mit unserem Bassena-Konzept hin, wo auch die Mitarbeiter keine klassischen Uniformen tragen oder das Essen im Gästebereich einnehmen dürfen. Wallner: Wenn ich in Wien bin, will ich mich fühlen wie ein Wiener. Es ist aber auch ein Budgetthema, wenn man sich für eine Ferienwohnung entscheidet. Winkler: Wichtig sind aber faire Rahmenbedingungen, wie etwa aus steuerlicher Sicht oder behördliche Auflagen wie Brandschutz. Da gibt es aber politisch weltweit Initiativen, auch wegen der Verknappung des Wohnraums. Der Trend flacht daher wegen entsprechenden Gesetzen ab. Die Frage ist aber auch, was kann man von solchen Plattformen lernen und wie kann man das ummünzen.
Gibt es nicht eigentlich schon genug Hotels in Wien?
Winkler: Das ist eher ein subjektiver Eindruck. Einige Marken sind gekommen, andere gegangen. Die Zahl neuer Hotels hat sich in den letzten Jahren stabilisiert, teilweise auch von der Immobilienbranche getrieben. Hotelprojekte muss man langfristig betrachten, sprich, dass man die Rendite über 20, 30 Jahre erwirtschaftet.
Wie sehen Sie die Zukunft der Reisebüros?
Winkler: Ich bin schon seit 2001 im Verkehrsbüro und diese Diskussion ist schon lange da. Wir hatten vor Corona und auch letztes Jahr die besten Jahre gehabt. Aus Corona heraus, wo wir Sicherheit gegeben und Kulanz geboten haben, ist Vertrauen da. Und online ist nicht zwingend günstiger und im Internet buchen nimmt auch viel Zeit in Anspruch. Die hat nicht jeder.
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