Stratege oder beinharter Abkassierer? Der fabelhafte Mister Tojner
Andrea Hodoschek
28.07.24, 05:00"Es gibt Grenzfälle im Geschäft zwischen seriös und fantasievoll. Er ist ein Grenzgänger, aber einer, der immer von der anderen Seite kommt“, beschreibt ein bekannter Industrieller den Unternehmer Michael Tojner.
Ein Deal-Maker, Investor, ein Stratege, besonders gut und schnell im Erkennen von Gelegenheiten – so sehen ihn Wohlmeinende. Ein beinharter Abkassierer, der am Ende immer gewinnt, oft auf Kosten von Investoren und Aktionären – monieren seine Kritiker, die in letzter Zeit immer mehr werden.
Der 58-Jährige, der es neben Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz als einziger Österreicher auf das Cover von Forbes brachte und als Austro-Milliardär abgefeiert wurde, hat immer schon stark polarisiert.
Auf der Homepage von Rapid wird Präsidiumsmitglied und Sponsor Tojner nach wie vor als „einer der erfolgreichsten Unternehmer der Republik“ geführt. Sein Industrieimperium, das er unter dem Dach der Schweizer Technologie-Holding Montana Tech Components günstig zusammenkaufte, ist beachtlich. 2,6 Milliarden Umsatz 2023, knapp 13.000 Mitarbeiter, Beteiligungen an Montana Aerospace, Varta und Aluflex Pack. Operativer Gewinn 2022 knapp 400 Millionen.
Varta wurde für Aktionäre zum Desaster
Doch das Imperium hat Risse bekommen. 2023 drehte das Gruppen-Ergebnis ins Minus. Der börsenotierte Batteriehersteller Varta, den der Doppel-Doktor Tojner 2008 zum kolportierten Schnäppchenpreis von 40 Millionen Euro als Sanierungsfall erwarb, wurde für die Aktionäre zum Desaster.
Das hoch verschuldete deutsche Unternehmen soll vor der Insolvenz gerettet werden, StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) heißt die Wunderwaffe. Das Grundkapital wird auf null herabgesetzt, „sämtliche der bestehenden Aktien verlieren ihren Wert“, erfreute Varta zu Wochenbeginn die Anleger.
Seit der Übernahme seien 1,1 Milliarden investiert worden. „Das wichtigste Ziel ist, die Schuldenlast der Varta zu reduzieren. Die Entscheidung für das Sanierungsverfahren ist mit harten Einschnitten verbunden – auch ich verliere den gesamten Aktienwert“, verteidigt Mehrheitseigentümer Tojner gegenüber dem KURIER. Er trage diesen Schritt jedoch mit, „um Varta eine Zukunft zu geben, fast 4.000 Arbeitsplätze zu sichern und das Unternehmen als Wirtschaftsfaktor der Region und vor allem als Technologieträger für Europa zu erhalten.
"Schillernder Glücksritter"
„Kompensationslos rasiert“ würden die Varta-Aktonäre, unter denen viele Österreicher seien, vom „schillernden Glücksritter Tojner“, empört sich Florian Beckermann vom Interessenverband für Anleger. Dass Varta und auch die Holding Montana noch keine Bilanz für 2023 gelegt haben, sieht Beckermann „nicht erst seit René Benko als klares Warnsignal“. Grund der Verzögerung sei die Cyberattacke, die Varta wochenlang stillgelegt hatte, erklärt ein Tojner-Sprecher.
Er betont, dass Tojner 2023 noch 50 Millionen in Varta gesteckt habe. Stimmt schon, aber der drahtige Sportfreak, der ständig unter Strom zu stehen scheint, hat allein seit 2021 Varta-Aktien um mehr als 143,5 Millionen Euro abgestoßen, errechnete Beckermann aus den „Directors Dealings“. 2022 verkaufte Tojner ein großes Paket, bevor der Kurs einbrach (der sich vom Höchststand 170 auf heute 2,34 Euro atomisierte) und der CEO von Bord ging. Für die FMA jedoch kein Thema, Insiderhandel wurde dementiert.
Mit dem StaRug hat übrigens ein schon einmal ein österreichischer Unternehmer die Aktionäre enteignet, KTM-Chef Stefan Pierer bei der Übernahme des Autozulieferers Leoni AG.
Tojner-Freund und Varta-Aufsichtsrat Martin Ohneberg löste 2023 unabsichtlich eine Falschmeldung aus. Varta zeigte einen Aktienkauf Ohnebergs an, was am Kapitalmarkt als Vertrauensbeweis eines Insiders in das angeschlagene Unternehmen gesehen wurde. Spätabends folgte die Ernüchterung, Ohneberg hatte verkauft.
Seine Beziehung zu Tojner, der auch bei ihm beteiligt ist, verwehrte dem Vorarlberger Unternehmer 2020 den Österreich-Vorsitz der Industriellenvereinigung. Ohneberg, auch Präsident des Tennisverbandes, ist im Großverfahren der WKStA wegen der Wohnbaugenossenschaften Gesfö, Riedenhof und Pannonia neben Tojner einer der 30 Beschuldigten. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil wirft Tojner in einer Sachverhaltsdarstellung vor, das Land bei der Abschlagszahlung für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit betrogen zu haben. Die WKStA ermittelt seit Jahren wegen Betrugs, Untreue und Bilanzfälschung. Tojner-Vertreter und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter soll Doskozil in der Causa Geld geboten haben. Dieser dementiert, der KURIER berichtete.
Venture-Capital-Legende?
Johannes Zink, Verteidiger des Landes, beziffert den Schaden mit 100 Millionen Euro, Tojner & Co. weisen alle Vorwürfe zurück. Mit den Genossenschaften habe Tojner richtig gut verdient, rund 40 Millionen plus Wertsteigerungen, „nicht auszuschließen, dass diese Gewinne als Startkapital für andere Tojner-Projekte verwendet wurden“, spekuliert Zink.
Bei der Übernahme der B&C Holding, nach der Staatsholding ÖBAG die größte heimische Industriegruppe (Lenzing, Amag, Semperit), biss Tojner allerdings wieder auf Granit. Er habe erneut versucht, „B&C sturmreif zu schießen“, erinnert sich Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Hofer. Tojner als Gegner zu haben, „ist durchaus eine Herausforderung. Er ist extrem fleißig, kreativ und in allen Situationen zu Hause“. Was immer Hofer damit meint.
Die Staatsanwaltschaft begleitete Tojners Karriere immer wieder. In der Causa gegen den ehemaligen grünen Wien-Politiker Christoph Chorherr stand auch Tojner vor Gericht. Die Suppe war zu dünn, alle Angeklagten wurden freigesprochen.
Vom Eisverkäufer zum Großaktionär
Tojner selbst erzählt gerne die Geschichte seines unternehmerischen Anfangs als Eisverkäufer vor Schloss Schönbrunn und sieht sich lieber als „Venture-Capital-Legende“. 1998 gründete er mit der Meinl Bank (gibt es heute nicht mehr) die Global Equity Partners und legte Risikokapitalfonds auf. Man habe damals 50 Unternehmen finanziert, nur sechs Projekte seien schief gegangen. GEP verdiente bei den hochriskanten Investments mit den hohen Gebühren. Ein Flop war der Wettanbieter Starbet nach dem Ausstieg aus Bwin. Die Meinl Bank musste Anleger gerichtlich angeordnet entschädigen, die Justiz stellte das Verfahren nach jahrelangen Ermittlungen ein.
Wäre noch das Dorotheum, in dessen Aufsichtsrat Tojner sitzt. Der Versuch, vor dem Einstieg des tschechischen Milliardärs Karel Komarek gemeinsam mit den Dorotheum-Miteigentümern Soravia und Dichand die teilstaatlichen Casinos Austria zu übernehmen, scheiterte ebenfalls.
Rapid-Sponsoring
Ob Varta weiter Rapid sponsern wird, ist derzeit offen. Fragt sich, ob ein Unternehmen in dieser Situation, das seine Aktionäre derart abkassiert, weiter einen Sportverein sponsern kann. Laut Unternehmen wurde darüber noch nicht entschieden. Varta ist einer der Premiumpartner des Fußballklubs. Das 2023 eröffnete "Körner Trainingszentrum powered by Varta" ist nach dem Batteriehersteller benannt. Laut Tojner-Aussage von 2021 ist die Kooperation "auf mindestens zehn Jahre" ausgelegt. Das Sponsoring geht jetzt ins vierte Jahr. Über Zahlungsmodalitäten und Höhe hüllen sich sowohl Varta als auch Rapid in Schweigen. Bis dato habe man keine Informationen über einen Wunsch zur Änderung oder gar Beendigung der Partnerschaft, sagt dazu Rapid-Sprecher Peter Klinglmüller.
Tojner ist Vater von sechs Kindern.
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