USA-China: Handelskrieger mit Tarnkappe

USA-China: Handelskrieger mit Tarnkappe
Wie US-Präsident Donald Trump den Aufstieg der Asiaten bremsen will.

Es war ein Abgang mit starken Worten: In fünf, spätestens zehn Jahren würden die USA den Wirtschaftskrieg gegen China verloren haben. Und sie würden sich davon nie mehr erholen: Das hatte Trumps düsterer Chefstratege Steve Bannon noch rasch einem Journalisten ins Notizheft diktiert, bevor er seinen Hut nehmen musste.

Die USA auf Kollisionskurs zu China: Hat sich das mit Bannons Abschied erledigt? Nein, sagt Gary Hufbauer von der Denkfabrik Peterson Institute (Washington) zum KURIER. In Trumps innerem Zirkel würden einige ähnlich denken, etwa Handelsminister Wilbur Ross, der Berater Peter Navarro oder der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer.

Anders als das Gros der Ökonomen glauben sie nicht daran, dass ein offener Warenaustausch beiden Seiten nützt – in ihrem Weltbild gibt es dabei immer Gewinner und Verlierer. Und dass die USA 2016 im Außenhandel mit China ein Defizit von 310 Mrd. Dollar aufgerissen haben, ist für sie der Beweis: Amerikas Firmen würden über den Tisch gezogen.

Im Kabinett sitzen freilich auch moderate Charaktere, die wissen, dass die USA mit Handelskriegen nichts gewinnen können – wie der Chef des Nationalen Wirtschaftsrates Gary Cohn, Finanzminister Steve Mnuchin oder hochrangige Militärs.

"Das ist ein Witz"

Bisher behielten die Hardliner die Oberhand. Von Handelskrieg spricht man, wenn sich ein Staat mit aggressiven Maßnahmen Vorteile auf Kosten anderer verschaffen will. Weil sich das kein Land gefallen lässt, gerät das rasch außer Kontrolle. Die Basis dafür ist gelegt: Seit seinem Amtsantritt hat Trump einige US-Gesetze aus der Mottenkiste geholt, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. Die Paragrafen aus 1962 und 1974 räumen dem Präsidenten mächtige Befugnisse ein, Importe aus dem Ausland zu beschränken oder mit Strafzöllen zu belegen, ohne dass der Kongress zustimmen müsste. Trump sei ein "Protektionist mit Tarnkappe", kommentierte Ex-Obama-Berater Chad Bown.

Sicherheit So gab Trump im April eine Untersuchung in Auftrag, ob Stahl- und Alu-Importe die nationale Sicherheit gefährden. Falls ja, könnte er aus einem bunten Strauß von Strafmaßnahmen gegen ausländische Unternehmen wählen. "Das Argument ist natürlich ein Witz", sagt Hufbauer. Ernst nehmen muss man den Vorstoß aber: Durch die Berufung auf nationale Sicherheit wird nämlich die Welthandelsorganisation (WTO), die globale Schiedsinstanz bei Handelskonflikten, umgangen. In Fachkreisen werde das die "nukleare Option" genannt.

US-Firmen sind besorgt

In der Wirtschaft regt sich aber Widerstand, die harte Tour zu fahren – aus Angst vor Retourkutschen, aber auch, weil es vielen US-Partnerländern schadet. "Die meisten Stahlimporte aus China sind ohnehin mit hohen Zöllen belegt", sagt Bown. Treffen würde es eher Stahlfirmen aus Kanada, Deutschland, Japan, Südkorea. Oder Österreichs Voestalpine. Dort wertet man als gutes Zeichen, dass der für Juli angekündigte Bericht bisher nicht erschienen ist.

Einfach fallen lassen werde Trump den Vorwurf aber nicht, glaubt Hufbauer. "Das würde als Zeichen der Schwäche gewertet. Den höchsten Stellenwert hat für Trump die Autoindustrie, aber Stahl kommt gleich dahinter."

Unfaire PraktikenExplizit gegen China richtet sich der Vorwurf, die Asiaten würden Patente und Know-how von US-Firmen absaugen. Am 18. August startete Trump eine Untersuchung, die ebenso zu Strafaktionen führen könnte. An dem Vorwurf ist was dran: Viele westliche Firmen beklagen, dass in China nur Geschäfte machen darf, wer lokale Partner an Bord nimmt. Oft sind das Staatsfirmen, die so Zugriff auf sensible Daten erhalten. Cyberattacken und Betriebsspionage sind an der Tagesordnung. "Es gibt in den USA zwei Arten von Firmen", warnte der von Trump entlassene FBI-Direktor James Comey 2014: "Die, die von Chinesen gehackt wurden. Und jene, die es bloß noch nicht wissen."

Handel als Waffe

Haben die USA also Recht, wenn sie hier einen Riegel vorschieben? Schon, aber der akzeptierte Weg wäre eine Klage vor der WTO, sagt Ökonom Gary Hufbauer. Durch Trumps Vorpreschen könnten die Chinesen sehr leicht den USA den Schwarzen Peter zuschieben und von eigenen Sünden ablenken.

Denn zimperlich sind die Asiaten keineswegs. Sie setzen den Handel selbst als Waffe ein, um ihre Interessen durchzusetzen. So stellten sie 2010 den Export seltener Erden (ein Rohstoff für Hightechgeräte) nach Japan ein, um die Freilassung eines Kapitäns zu erwirken. 2011 durften Chinesen keinen Lachs aus Norwegen kaufen, weil das Osloer Komittee dem Bürgerrechtler Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis zugesprochen hatte."Kauft amerikanisch"Gefährlich ist die Abschottung der USA auch, weil sie Nachahmer auf den Plan ruft. Der erstarkende Nationalismus zeigt sich deutlich bei Staatsaufträgen. Öffentliche Ausschreibungen seien das "Hauptschlachtfeld des Protektionismus", so Hufbauer.

FirmenkäufeEin weiteres sind Übernahmen: Chinas Autobauer Great Wall hätte ein Auge auf die US-Marke Jeep geworfen, die Erfolgschancen sind gering: In den USA kann ein Regierungskomittee solche Deals einfach verbieten. Deutschland, Frankreich und Italien wollen jetzt die EU-Kommission mit ähnlichen Rechten ausstatten.

Überall nur Verlierer

Was oft ausgeblendet wird: Viele Firmen sacken mit China-Geschäften hohe Gewinne ein, sagt Gene Ma, Ökonom beim Weltbankenverband IIF – etwa, wenn Jacken mit 40 Dollar Einkaufspreis um 200 Dollar weiterverkauft werden. Mit einer Abschottungspolitik könnten die USA weder Chinas Aufstieg bremsen noch ihr eigenes Handelsdefizit senken: "Ein Handelskrieg bringt niemandem etwas."

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Gary Hufbauer, Peterson Institute

Tappen die USA und China in die Falle des Thukydides? Der griechische Historiker hielt vor 2500 Jahren einen Militärkonflikt für „unausweichlich“, wenn eine Supermacht von einem aufstrebenden Rivalen herausgefordert wird – wie der damalige Hegemon Sparta durch Athen.

Tatsächlich endeten solche Konstellationen öfter blutig als friedlich. In den vergangenen 500 Jahren kam es in 12 von 16 Fällen zu Kriegen, schreibt der Harvard-Historiker Graham Allison in seinem soeben erschienenen Buch. Unbestritten ist: China hat in den vergangenen 30 Jahren einen Aufstieg verzeichnet, der die USA vielfach auf Platz zwei verweist.

Wirtschaftsleistung

Gemessen an der Kaufkraft ist China seit 2014 die größte Volkswirtschaft der Welt. Sein Anteil an der Weltwirtschaft ist seit 1980 von 2 auf 18 Prozent explodiert, jener der USA von 22 auf 15 Prozent gesunken.

Innovation

Die Asiaten meldeten 2015 doppelt so viele Patente für Roboter und Künstliche Intelligenz an wie US-Firmen. China ist Weltmarktführer bei Computern, Halbleitern und Pharma.

Finanzen

1980 machten Chinas Währungsreserven nur ein Sechstel des „Geldspeichers“ der USA aus, heute ist es das Dreißigfache.

Wie werden die USA und China mit dieser Verschiebung umgehen? Mit Trump und Xi Jinping stehen zwei machtbewusste Figuren an der Spitze, die beide ihrer Nation zurück zu alter Größe verhelfen wollen. An Pulverfässern mangelt es nicht – vom Territorialstreit im Südchinesischen Meer über Nordkorea bis zum Handelskonflikt.
Anders als Thukydides hält Allison eine Konfrontation aber nicht für unvermeidbar. Dazu müssten beide Seiten die Lehren aus dem Kalten Krieg ziehen, wo die Welt in der Kubakrise 1962 haarscharf an der Katastrophe vorbeischrammte. Das Zeitalter der Atombombe kenne keine Kriegsgewinner mehr, das Rezept laute „Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft“.

Wirtschaftlich sind die USA und China ebenfalls eng aneinander gekettet, betont der Politwissenschafter Sebastian Harnisch von der Uni Heidelberg. Die Asiaten finanzieren mit ihren Exportüberschüssen nämlich den Kaufrausch der US-Verbraucher. Die USA schulden den Chinesen dadurch bereits mehr als 1100 Milliarden Dollar. Diese könnten kein Interesse haben, dass die US-Wirtschaft abstürzt – sie würden dann um ihr eigenes Geld umfallen.

Und zuletzt lässt auch das berühmte Zitat von Chinas verehrtem Kriegsstrategen Sun Tsu (500 v. Chr.) hoffen: „Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne Kampf zu brechen.“

USA-China: Handelskrieger mit Tarnkappe
Grafik
Graham Allison: Destined for War. Can America and China escape Thucydides's Trap? Melbourne, London: Scribe 2017

Was wollen US-Präsident Donald Trump und sein Team damit erreichen, dass sie einen Handelskrieg gegen China und den Rest der Welt anzetteln? Eine Antwort ist schwer zu finden, weil dabei ökonomische Fakten kaum, dafür Emotionen und Ideologie eine umso größere Rolle spielen. Die Hardliner im Weißen Haus teilen die Welt generell gerne in Schwarz und Weiß ein – so auch beim Handel: Einer ist der Gute, der andere der Böse. Einer gewinnt, einer verliert. Moment, haben nicht Ökonomen wie Adam Smith oder David Ricardo schon vor 250 bzw. 200 Jahren nachgewiesen, dass beim Austausch von Waren beide Seiten profitieren? Egal, das passt nicht ins Repertoire von "America first" und "Make America Great Again".

Der Kurswechsel der USA wiegt deshalb so schwer, weil eine jahrzehntelang führende Freihandelsnation es nun salonfähig macht, sich auf Kosten anderer Länder bereichern zu wollen. Aufgehen wird die Rechnung ohnehin nicht: Wer ausländische Importe willkürlich aussperrt, bedient zwar nationalistische Impulse. Die Verbraucher und Firmen im eigenen Land bezahlen dafür jedoch einen buchstäblich hohen Preis.

Allerdings wäre es ein Gebot der Fairness, das große Ganze nicht aus dem Auge zu verlieren. Chinas Wirtschaftssystem ist – aller gegenteiligen Rhetorik zum Trotz – natürlich stärker abgeschottet und unfairer als das der USA. Auch wir Europäer sollten vor der eigenen Tür kehren: Deutschland und Frankreich wollen chinesische Investoren von der EU fernhalten? Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil möchte, dass österreichische Firmen unsere Heereshubschrauber bauen? Offenbar steckt in vielen Europäern mehr Trump, als sie wahrhaben wollen.

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