Ukraine-Krieg dürfte heuer auch Außenhandel mit Deutschland bremsen

Jahrespressekonferenz der Deutschen Handelskammer in Österreich
DHK: 2021 erreichte Handelsvolumen noch Rekordwert von 119,4 Mrd. Euro - Wifo-Chef: Österreich und Deutschland müssen bei Energiepolitik enger zusammenarbeiten.

Der Außenhandel zwischen Österreich und Deutschland hat sich im vergangenen Jahr deutlich von der Coronakrise erholt. In Anbetracht des Ukraine-Kriegs und der anhaltenden Lieferkettenprobleme dürfte es für heuer aber nicht mehr so rosig aussehen. Um den Krisen zu begegnen, plädieren die Deutsche Handelskammer in Österreich (DHK) und das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für eine noch engere Zusammenarbeit der beiden Länder.

Von einem zweistelligen Wachstum wie 2021 "müssen wir uns für heuer verabschieden", sagte der Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK), Dieter Pötsch, am Mittwoch in Wien. Im Vorjahr konnte der Außenhandel noch deutlich Fahrt aufnehmen, die österreichischen Exporte nach Deutschland stiegen um 17,9 Prozent auf 47,7 Mrd. Euro. Die deutschen Lieferungen nach Österreich zogen wiederum um 19,7 Prozent auf 71,7 Mrd. Euro an. Das Gesamthandelsvolumen lag bei 119,4 Mrd. Euro, das sei ein neuer Rekordwert gewesen.

Anhaltenden Lieferkettenprobleme, stark steigende Energiepreise und große Unsicherheit

Die anhaltenden Lieferkettenprobleme, stark steigende Energiepreise und die große Unsicherheit der Unternehmen, wie sie mit diesen hohen Gaspreisen umgehen sollen, lassen den Motor heuer stottern, führte Pötsch weiter aus. Zudem stehe man vor weiteren Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem demografischen Wandel und der noch nicht ausgestandenen Coronakrise, sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.

Um den Krisen zu begegnen, brauche es nun vor allem Produktivitätswachstum und Innovation. "Was wir brauchen sind um das Produktivitätswachstum anzuschieben, sind Investitionen", so Felbermayr weiter. Einer der wichtigsten Aufgaben für Österreich und Deutschland sei es daher, ein positives Investitionsklima aufrechtzuerhalten, damit vor allem in Digitalisierung, Automatisierung und Energiewende investiert werde.

Netzwerkinfrastruktur besser abstimmen Binnenmarkt stärken

Um das zu erreichen, wäre für die beiden Länder, die ohnehin schon wirtschaftlich sehr stark miteinander vernetzt sind, eine noch engere Kooperation wichtig, insbesondere in der Energiepolitik, meint der Wifo-Chef. "Ich sehe da viel zu wenig. Die Debatten sind viel zu separiert", so Felbermayr. Die Notfallpläne, die die Politik zur Zeit ausarbeite, müssten viel besser koordiniert werden. Die Zusammenarbeit passiere zwar bereits in Teilen, "aber ich habe nicht den Eindruck, dass man da jetzt schon gut genug miteinander abstimmt".

Zudem müssten die Netzwerkinfrastruktur zwischen Deutschland und Österreich besser abgestimmt und der Binnenmarkt weiter ausgebaut werden. Auch die Ratifizierung von Freihandelsabkommen - beispielsweise mit Kanada - müsste viel stärker vorangetrieben werden.

Felbermayer warnt davor Gaspreise "künstlich zu drücken"

Vor Eingriffen der Politik, um die hohen Gaspreise "künstlich zu drücken", warnte Felbermayer jedoch. Denn die derzeit hohen Energiepreise seien "ein enormer Anreiz einzusparen" - vor allem für die Industrie, in der derzeit angenommen werde, dass die hohen Gaspreise nicht mehr auf das Niveau von vor der Krise zurückkehren würden. Ein politischer Eingriff würde diesen Anreiz wieder zerstören.

Auch Pötsch sieht große Einsparungspotenziale in der Industrie, die man in der Vergangenheit unterschätzt habe. Noch sei die Abhängigkeit vom Gas "die Achillesferse" der deutschen und österreichischen Industrie, eine Reduktion dieser sei aber bereits im Gange und komme aufgrund der Energiewende ohnehin. Würden alle bereits ausgearbeiteten politischen Maßnahmen auch rasch umgesetzt, könne die Abhängigkeit in zwei bis drei Jahren zu einem Gutteil gelöst werden, meinte der DHK-Präsident.

Eingreifen bei Inflation

Auch wenn die Gaspreise nicht künstlich gedrückt werden sollen, spricht sich Felbermayr durchaus für ein Eingreifen in die hohe Inflation aus, um sozial Schwächere nicht zu stark zu belasten. Eine Mehrwertsteuersenkung oder -aussetzung auf Lebensmittel sei aber nicht sinnvoll, da sie nicht zielgerichtet genug sei. Anstatt neue politische Maßnahmen zu erfinden, solle die Politik besser die bestehenden Maßnahmen für sozial Schwächere ausweiten, meinte der Wifo-Chef.

In Hinblick auf die längerfristigen Handelsbeziehungen mit Russland rechnet das Wifo nicht mit einer baldigen Erholung. "Wir gehen in der mittel- und langfristigen Prognose davon aus, dass wir für die nächsten zehn Jahre eine Art Eiszeit haben mit Russland", sagte Felbermayr. Ist die Abhängigkeit Europas vom russischen Gas einmal gelöst, werde sie so rasch nicht wiederkommen.

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