Hohe Zugangshürden für Dienstleister: Ist Österreich überreguliert?
Wer als Blumenliebhaberin eine coole Geschäftsidee aus dem Ausland nach Österreich bringen will, stößt auf viele Vorschriften und Gebühren. Zunächst muss die kreative Selbstständige der Floristen-Innung beweisen, dass sie einen „Brautstrauß, eine Gefäßfüllung mit geschnittenen pflanzlichen und eine Pflanzengefäßfüllung“ anfertigen kann. So steht es in der Verordnung zur Meisterprüfung. Werden im Blumenladen dann auch noch Bücher oder Kunst angeboten, fällt eine weitere Grundumlage für ein zweites Gewerbe an.
Nur ein Beispiel für hohe Gründungshürden in Österreich. Wie eine Detailauswertung der OECD-Datenbank durch das Neos Lab zeigt, gelten in sechs von neun untersuchten persönlichen Dienstleistungsberufen sogar die restriktivsten Beschränkungen im europäischen Vergleich. Konkret handelt es sich um die Berufe Kosmetiker/in, Bäcker/in, Fleischer/in, Friseur/in, Maler/in und Installateur/in. Bei den Taxifahrern liegt Österreich im Mittelfeld, weil dieses Gewerbe auch in vielen anderen Ländern streng reguliert ist. In Summe bedeutet dies Platz 1 im Hürden-Ranking, während Schweiz oder Schweden kaum Regulierungen vorsehen (siehe Grafik).
Als Hauptgründe für den Platzierung orten die Neos die aus ihrer Sicht überholte Gewerbeordnung sowie die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer (WKO) und die sich daraus ergebenen Befähigungsprüfungen in Bereichen, die woanders allein der Markt regelt. Zwar gab es zuletzt 2017 eine Entrümpelung der Gewerbeordnung, die Zahl der reglementierten Gewerbe hat sich jedoch nur geringfügig von 80 auf 75 reduziert. „Der Hufschmied kann seither auch ohne wirtschaftskämmerlich bestätigten Befähigungsnachweis praktiziert werden. Es gibt aber immer noch um die 60 reglementierte Gewerbe mehr als zur Zeit von Kaiser Franz Joseph “, erläutert Günther Oswald, der die Analyse zu den Gründungen für das Neos Lab erstellt hat.
Schutzinteressen
Begründet wird die Notwendigkeit der Reglementierung mit dem Schutz vor Leib und Leben sowie Vermögen oder Umwelt. Warum die Befähigung jedoch auch in Dienstleistungsberufen wie etwa Kosmetik und Fußpflege oder Friseurgewerbe von der Wirtschaftskammer bestätigt werden muss, verstehen die Neos nicht. Die WKO sieht das anders und verweist auf Behandlungen wie Diabetes-Fußpflege, Piercings oder Permanent-Make-ups, für die es Kenntnisse über Hauteigenschaften oder der anzuwendenden Präparate bedarf.
Es sei fraglich, ob die ausgewählten Dienstleistungen ohne Befähigungsnachweis erbracht werden könnten, heißt es auf Anfrage aus der WKO. "In Österreich ist der Gewerbezugang bereits niederschwellig. Selbst dort, wo eine bestimmte Qualifikation gefordert wird, stehen mehrere Möglichkeiten offen, von Prüfung über z.b. Nachweise über eine Kombi aus Schule/Lehre und Praxis bis hin zur individuellen Befähigung".
Gebühren
Die Neos wittern hinter den Hürden auch ein gutes Geschäft für die WKO und ihre Funktionäre. Wer zwei oder mehrere Gewerbescheine hat, muss mehrfach Grundumlage zahlen. Würde eine Gewerbeberechtigung reichen, könnten die Betriebe um rund 70 bis 80 Mio. Euro jährlich entlastet werden, errechnete Oswald.
Lukrativ für die Funktionäre sind die Befähigungsnachweise, etwa über die Meisterprüfung. Für die Prüfungen fallen Gebühren an. Im Vorjahr wurden 23.600 Meisterprüfungen und rund 3.000 Unternehmerprüfungen abgeschlossen, was gut 4,5 Mio. Euro an Kosten verursachte. 90 Prozent davon, also 4,1 Mio. Euro, flossen laut Analyse an die Prüfer. Dabei handelt es sich keineswegs immer um Funktionäre, betont die WKO.
Vorbild Schweden
Würde Österreich die Regulierung gemäß OECD-Definition auf schwedisches Niveau zurückfahren, könnte die Produktivität der Betriebe im Schnitt um mindesten 1,5 Prozentpunkte gesteigert werden, sagt Oswald. „Mehr Wettbewerb und produktivere Unternehmen könnten gerade in Zeiten hoher Teuerung zu niedrigeren Preisen führen“. Auch hätten Länder, mit niedrigen beruflichen Zugangshürden höhere Unternehmens- und Gründerzahlen. Vor allem bei den Kapitalgesellschaften gibt es Aufholbedarf.
Die schon vor zwei Jahren von der Regierung versprochene flexible Rechtsform für Start-ups - Stichwort FlexKapG - lässt derweil noch immer auf sich warten. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird gerade im Justizministerium ausgearbeitet. "Der Entwurf befindet gerade in der politischen Koordination", heißt es dazu auf Anfrage.
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