Wo es die meisten Chefinnen und die größte Lohnschere gibt
In welchen EU-Ländern die Arbeitslosigkeit am niedrigsten ist, die 4-Tage-Woche längst zum Alltag gehört und Frauen die größten Aufstiegschancen haben.
Die gute Nachricht zum Tag der Arbeit: Die Arbeitslosigkeit in den 27 EU-Ländern ist so niedrig wie seit der Einführung des Euro nicht mehr. Hohe Inflation, Ukraine-Krieg und Konjunkturflaute können den Jobmärkten wenig anhaben. Die EU-Arbeitslosenquote pendelte sich bei 6 Prozent ein.
Dabei gibt es nach wie vor große Unterschiede. Während Tschechien an der Spitze rangiert, hat Österreich seine Top-Position schon lange verspielt und rangiert mit einer Quote von 4,8 Prozent nur noch auf Rang 12.
Aber wie unterschiedlich ticken die einzelnen Arbeitsmärkte in der EU? Wo gibt es die höchste Teilzeitquote, wo gar keine Teilzeit und in welchen Ländern gibt es die meisten Frauen in Führungspositionen?
Eine Übersicht der spannendsten Besonderheiten am EU-Arbeitsmarkt:
1. Tschechien: Die Musterschüler
Das Musterland in der EU in Sachen Arbeitslosigkeit heißt Tschechien. Seit Jahren herrscht dort konstant Vollbeschäftigung.
Mit einer internationalen Erwerbslosenquote von 2,3 Prozent war das Land im Vorjahr unangefochtener Spitzenreiter vor Polen und Malta. Auch heuer wird Tschechien Spitzenreiter bleiben, denn trotz Konjunkturflaute wird nur ein leichter Anstieg auf 3 Prozent erwartet.
Experten sehen die nach wie vor starke Industrie als zentrale Säule für den Arbeitsmarkt. Nachteil: Der Fachkräftemangel ist hier noch akuter als in anderen EU-Ländern. Im Land arbeiten derzeit mehr als 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine. Die Löhne sind nicht zuletzt aufgrund der hohen Inflation besonders stark gestiegen.
2. Griechenland: Die Sonntagsarbeiter
Nirgendwo sonst in Europa arbeiten so viele Menschen am Wochenende wie in Griechenland. Und zwar mit großem Abstand. Immerhin 40,3 Prozent aller Erwerbstätigen, selbstständig wie unselbstständig, sind dort ständig oder regelmäßig auch am Samstag und am Sonntag im Einsatz. Hauptgrund ist der hohe Tourismus- und Agrar-Anteil am Arbeitsmarkt.
Hinter Griechenland folgen weit abgeschlagen Italien und Irland. Österreich liegt mit einer Quote von 24,8 Prozent auf Rang 8. Der EU-Durchschnitt bei der Wochenend-Arbeit liegt bei 22.4 Prozent. Deutschland liegt mit 18,9 Prozent unter dem EU-Schnitt. Das Wochenende genießen können die Litauer. Dort arbeiten nur 7 Prozent der Beschäftigten regelmäßig am Samstag und Sonntag.
3. Die Niederlande: Die Teilzeithochburg
Die Niederlande sind Europas Teilzeithochburg schlechthin. Nirgendwo sonst gibt es mehr Teilzeitarbeitsplätze – und zwar für beide Geschlechter. Der Schlüssel dazu heißt 32-Stunden-Woche bei partnerschaftlicher Arbeitsaufteilung und gesetzlichen Anspruch auf Heimarbeit.
Fast 43 Prozent aller Beschäftigten arbeiten weniger als 40 Stunden, bei den Frauen sind es mehr als zwei Drittel, bei den Männern jeder fünfte. Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 31 Stunden ist das Land daher auch absolutes Schlusslicht in der EU. In Österreich liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei 35,9 Stunden. Positiver Effekt: Die Niederlande hat mit knapp 83 Prozent die höchste Erwerbstätigenquote in der EU vor Schweden und Estland.
4. Estland: Die größte Lohnschere
Riesige Unterschiede zwischen den EU-Ländern gibt es bei der Lohnschere zwischen Männern und Frauen. Während in Luxemburg Männer und Frauen gleich viel verdienen, liegt der „Gender Pay Gap“ in Estland bei 21 Prozent. Der Gender Pay Gap misst gemäß Eurostat die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes (ohne Sonderzahlungen) der Frauen und Männer im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer.
Österreich (19 Prozent ) und Deutschland (18) folgen nur knapp dahinter. Bemerkenswert ist, dass Estland eine geringe Teilzeitquote hat. Hauptgrund für das ungleiche Einkommen ist dort der starke, männerdominierte Hightech-Sektor. Kaum Gehaltsunterschiede gibt es hingegen in den Vollzeitländern Rumänien und Slowenien.
5. Lettland: Die meisten Chefinnen
Rund 46,1 Prozent aller Erwerbstätigen in der EU sind Frauen. Aber nur jede dritte Führungskraft (34,7 Prozent) ist weiblich. Die meisten Chefinnen gibt es in Lettland, wo knapp 46 Prozent aller Führungspositionen von einer Frau bekleidet werden, vor allem im öffentlichen Dienst. Überdurchschnittlich viele Frauen an der Spitze haben auch Polen und Schweden mit jeweils 43 Prozent. Schlusslicht bildet Zypern mit 21 Prozent.
Österreich hält sich mit 35 Prozent knapp über dem Durchschnitt. Teilzeitland Niederlande liegt mit 26 Prozent weit zurück. Geht es um den Frauenanteil in Männerberufen wie Handwerk sticht Bulgarien hervor. Dort beträgt die Frauenquote bei den Beschäftigten im Handwerk 24 Prozent, EU-weit sind es 10,8 Prozent.
6. Schweden: Die meisten Älteren
Im Kampf gegen den Fachkräftemangel geht es auch darum, ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung zu halten. Schweden zeigt es vor. Hier stehen 77 Prozent der 55- bis 64-Jährigen voll im Erwerbsleben. Und zwar bei beiden Geschlechtern.Der EU-Schnitt liegt bei 60,5 Prozent, Österreich hinkt mit 55 Prozent hinterher.
Grund dafür sind die unterschiedlichen Pensionssysteme samt Pensionsantrittsalter aber auch die Einstellung zum Alter generell, etwa was alternsgerechte Arbeitsplätze, Ausgleit-Modelle in die Pension etc. betrifft. Ein weiterer Faktor ist das vergleichsweise hohe Qualifikationsniveau. Auch jenseits der 64 Jahre beträgt die Erwerbstätigenquote in Schweden immer noch 28 Prozent, nur in Estland und Lettland ist sie noch höher.
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