Transfers oder Kredite? Streit über geplanten EU-Wiederaufbautopf

Transfers oder Kredite? Streit über geplanten EU-Wiederaufbautopf
Alles offen: Die 27 Regierungschefs wurden sich nicht einig, wie der Billionen-schwere Corona-Hilfsfonds aufgesetzt sein soll.

So viel stand schon fest: Ja, es soll einen EU-Wiederaufbaufonds geben, der die dringend nötige Erholung der Wirtschaft nach der Coronakrise unterstützt. Aber wie groß soll er ausfallen? Da schwirrten Größenordnungen von 500 bis zu 2.000 Milliarden Euro durch die Gegend. Und wie wird er befüllt?

Im Vorfeld ihres virtuellen Gipfeltreffens am Donnerstagabend hatten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs die Erwartungen kräftig gedämpft: Die Positionen lägen noch zu weit auseinander, man werde dieses Mal keine Einigung erzielen.

Düstere EZB-Zahlen

Und genau so kam es auch. Dabei hatte Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank, davor gewarnt, es könne sich rächen, „zu wenig, zu spät“ zu tun. Laut mehreren Quellen hält die EZB jetzt sogar einen Wirtschaftseinbruch im Euroraum von 9 bis schlimmstenfalls 15 Prozent für möglich.

Aber mit der ungeliebten Videokonferenz ließen sich die Gräben nicht zuschütten – obwohl die umstrittenen Corona-Bonds vom Tisch sind.

Österreich bremst

Zwar ist allen bewusst, dass die von der Corona-Pandemie hart getroffenen Länder Hilfe brauchen. Spanien, Italien und Frankreich wollen aber Zuschüsse, also nicht rückzahlbare Transfers.

Das ist für eine andere Gruppe rund um Österreich, Schweden und Niederlande unvorstellbar. Es müsse „klar sein, dass die Mittel von den jeweiligen Mitgliedsländern in weiterer Folge zurückgezahlt werden“, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz nach dem Gipfel. Also soll es nur Kredite geben.

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Mit Krediten - noch mehr Schulden - sei Italien nicht geholfen, sagt Premier Giuseppe Conte

Auftrag an die Kommission

Jetzt liegt der Ball bei der EU-Kommission. Sie wolle eine „ausgewogene Balance“ zwischen Zuschüssen und Krediten finden, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Man rede bei den Beträgen jedenfalls über „keine Milliarden, sondern über Billionen“.

Damit öffnete die Deutsche gleich eine weitere Büchse der Pandora: Die Obergrenze für das EU-Budget soll ihrer Vorstellung nach auf zwei Prozent der EU-Wirtschaftsleistung (Bruttonationaleinkommen) ausgeweitet werden. Das sollte zumindest für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahre gelten.

Zuletzt hatten sich die Staaten freilich nicht einmal auf eine Größe des EU-Budgets von 1,1 Prozent einigen können. Auch hier stand Österreich auf der Bremse.

Eigene EU-Anleihen

Wie der Aufbaufonds und der vergrößerte EU-Finanzrahmen zusammenspielen, wird noch spannend. Denn der Plan wäre, dass die EU - abgesichert durch nationale Garantien - dank der angehobenen EU-Budgetrahmens auch eigene Schulden machen darf. Wie genau und wie viel? Auch das blieb offen.

Das Geld solle, so von der Leyen, über das EU-Budget dann an die Staaten zurückfließen, vor allem für den Aufholprozess rückständiger Regionen, für Investitionen, Klimaschutz, Digitalisierung, Krisenfestigkeit oder die "strategische Autonomie" der EU (wie eigene Medizinproduktion).

FRANCE-HEALTH-VIRUS

Nicht Netflix, sondern EU-Gipfel: Macron in der Videokonferenz

Macron: "Dann fällt ganz Europa"

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwartet jedenfalls noch schwierige Diskussionen. In einigen Staaten gebe es Grundhaltungen und politische Zwänge, die zu "sehr harten Positionen" führten.

Macron befürchtet, dass die Schere zwischen den Ländern in Europa noch weiter aufgeht und somit den Zusammenhalt es Euro und den Binnenmarkt gefährdet. "Wenn wir einen Teil Europas fallen lassen, wird ganz Europa fallen", warnte er.

Transfers oder Kredite? Streit über geplanten EU-Wiederaufbautopf

Pressekonferenz nach dem Gipfel: Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel.

Höhere deutsche Beiträge

Deutschland müsse künftig mehr ins EU-Budget einzahlen, räumte Kanzlerin Angela Merkel nach dem Videomeeting ein. Das sei "richtig und gut so". Einer Vergemeinschaftung von Schulden erteilte Merkel abermals eine Absage.

Während Österreich Kanzler Kurz diese aus Prinzip ablehnt, begründete die deutsche Kanzlerin das nun vor dem Bundestag vor allem mit dem Zeitfaktor. Die dazu nötigen Beschlüsse sein nicht rasch umsetzbar, jetzt brauche es aber rasche Hilfe.

540-Milliarden-Deal ist durch

Zumindest eines ist fix: Die Regierungschefs nickten das Hilfspaket ab, das die Euro-Finanzminister vorbereitet hatten. Wie berichtet könnten theoretisch bis zu 540 Milliarden Euro mobilisiert werden. Ab Juni 2020 soll das Geld abrufbar sein.

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