Jeder zehnte Betrieb im Tourismus vor dem Aus
Eines steht schon jetzt fest: Gebucht wird später. Wenn überhaupt.
Branchenauswertungen zufolge gingen in Österreichs Beherbergungsbetrieben bis Ende August um zwei Drittel weniger Reservierungen für den Winter ein als in normalen Jahren. Der Nervosität in der Branche ist hoch, die Prognose der Prodinger Tourismusberatung düster.
"Der Winter ist in den meisten Betrieben zu zwei Dritteln für das Betriebsergebnis verantwortlich", sagt Thomas Reisenzahn vom Tourismusberater Prodinger. Er geht davon aus, dass ein Drittel der Betriebe sich nach diesem Winter neu aufstellen muss. "Wir rechnen damit, dass zehn Prozent der Betriebe wegfallen werden." Die Rede ist damit von rund 1.650 Betrieben.
Welche Regionen besonders betroffen sind, wird von der Corona-Entwicklung vor Ort in den wichtigsten Herkunftsmärkten abhängen. Prodinger hat dazu eine Szenarienrechnung erstellt.
Rote Ampel, rote Zahlen
Im Worst-Case-Szenario gehen die Berater davon aus, dass im Dezember die Corona-Ampel auf Rot springt und das deutsche Robert Koch Institut neben Wien - hier gibt es seit gestern eine Reisewarnung aus Deutschland - Tirol und Salzburg als Risikogebiete einstuft. Sprich, dass von dort heimkehrende Urlauber eine Testpflicht haben und, bis das Ergebnis vorliegt, in Quarantäne müssen. Auch ohne dezidierte Reisewarnung aus Berlin würden so viele deutsche Gäste ausbleiben. "In diesem Szenario würden die Nächtigungszahlen um 25 Prozent einbrechen", rechnet Reisenzahn vor. Auf der Umsatzseite geht er von einem Minus von 23 Prozent aus. Klingt dramatisch, ist es auch. Schließlich muss man bedenken, dass bereits der Winter 2019/’20 aufgrund der Betriebssperren (Mitte März und April) kein Erfolg war. Die Nächtigungszahlen brachen im vorigen Winter um 18 Prozent, die Umsätze um 14 Prozent ein.
Dass die Hotels schon jetzt mit Aktionen um Auslastung im Winter kämpfen, zeichnet sich jedoch nicht ab. Die Zimmerpreise sind für Dezember und Jänner im Durchschnitt auf Vorjahresniveau, zeigen Branchenauswertungen.
Weniger Gäste bedeutet aber jedenfalls auch weniger Personal. Reisenzahn geht davon aus, dass die Betriebe im Dezember nur mit 80 Prozent der bisherigen Belegschaft in die Saison starten werden. Bereits im Sommer hatte die Branche bis zu 20 Prozent weniger Mitarbeiter beschäftigt als im Vorjahr.
Die Seengebiete haben den Sommer – auch dank niedriger Zinsen und Staatshilfen – gut überstanden. Von solchen Geschäften können die Betreiber von Stadthotels nur träumen. Sie brauchen im Durchschnitt 60 Prozent Auslastung, um profitabel zu wirtschaften, sind davon aber weit entfernt. In Wien haben nach wie vor 40 Prozent der Hotels geschlossen, in den offenen Häusern liegt die Auslastung bei durchschnittlich 28 Prozent. Als Folge musste – wie berichtet – selbst die Sacher Gruppe 140 Mitarbeiter zur Kündigung anmelden. Eine für den Herbst erwartete leichte Erholung scheint in weite Ferne zu rücken, wenn Deutschland Wien auf die Rote Liste und damit die Buchungen auf null setzt. Die fetten Jahre mit Rekordzuwachsen sind vorbei.
Apropos Buchungen: Hier sieht Reisenzahn Plattformen wie expedia, booking oder Airbnb langfristig auf der Gewinnerseite. "Nach Auslaufen staatlicher Hilfsprogramme werden im Frühjahr viele Reisebüros vom Markt verschwinden. Das spielt Plattformen in die Hand." Auch Börsianer scheinen an die Portale zu glauben – die Kurse steigen wieder.
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