The Wolf of Abu Dhabi

Der ehemalige Vize-Präsident der OMV ist in Haft / Sechs Milliarden Dollar sind weg.

Plötzlich war er weg. Als Chef der IPIC, des am österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV maßgeblich beteiligten Staatsfonds von Abu Dhabi, wurde Khadem Al Qubaisi im April 2015 über Nacht davongejagt. Damals gab es erste vage Korruptionsvorwürfe. Der Lebensstil war zu auffällig geworden. Villen an der Côte d’Azur, Wohnung mit Blick auf den Eiffelturm, Penthouse in New York, Privatjet und die Garage voll mit Protz-Karossen. Derartiger Luxus wäre selbst mit der sicher nicht bescheidenen Gage eines IPIC-Managers nicht finanzierbar.

Mittlerweile ermitteln die Justizbehörden in sechs Ländern. Von Malaysien über Abu Dhabi, Singapur, die USA und Liechtenstein bis in die Schweiz. Der 44-Jährige sitzt seit Kurzem im Emirat in Haft. Seine Konten im Wüstenstaat sind eingefroren, die USA wollen Vermögen im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar beschlagnahmen und fordern Qubaisis Auslieferung.

Der einst so mächtige Manager, dem auch in Österreich der rote Teppich ausgerollt wurde, soll einer der maßgeblichen Player in einem monströsen, internationalen Korruptions- und Geldwäsche-Skandal sein. Die US-Justiz geht derzeit laut Wall Street Journal von rund sechs Milliarden Dollar aus.

Im Zentrum der gigantischen Malversationen steht der malaysische Staatsfonds 1MDB, der von einem kleptokratischen Netzwerk ausgeplündert wurde. Zu den 9 Verdächtigen zählen neben Qubaisi Malaysiens Ministerpräsident Razak Najib, dessen Stiefsohn, Helfer im privaten Umfeld, Manager des Fonds sowie ein weiterer Staatsmanager aus Abu Dhabi.

Fast schon eine Ironie: Aus dem gestohlenen Geld flossen rund 65 Millionen Dollar in die Produktion des Hollywood-Blockbusters "The Wolf of Wall Street", in der Hauptrolle Leonardo DiCaprio. Die Story des völlig durchgeknallten Finanzhais ähnelt frappant der Karriere von Qubaisi. "Diese Dekadenz, die Überheblichkeit und Unmäßigkeit, die exzessiven Feste, die Korruption und schließlich der Absturz – genau das ist sein Leben", erzählen Leute, die Qubaisi lange kennen.

Ursprünglich bescheiden im Auftreten, dürfte dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Manager die geliehene Macht als CEO der IPIC zu Kopf gestiegen sein. Vor zwei Jahren antwortete er der Nachrichtenagentur Reuters auf kritische Fragen: "Remember, I am a boxer. If anyone plays around with me, I can squash them like a mosquito." Sagt so ziemlich alles über den Charakter.

Die 136 Seiten dicke Anklage der US-Staatsanwaltschaft, die dem KURIER vorliegt, beginnt mit der Auflistung der Vermögenswerte, die beschlagnahmt werden sollen:

Die Rechte am "Wolf of Wall Street" und am EMI-Musikkatalog.

Etliche Luxus-Immobilien, etwa das Hotel L’Ermitage und Villen in Beverly Hills, die Penthäuser im "Time Warner"-Tower und im "Walker Tower" in New York, Anteile am Park-Lane-Hotel, Gebäude in Los Angeles und London.

Um 200 Millionen Dollar kaufte die Clique beim Auktionshaus Christie’s Kunst ein. Van Goghs "La Maison de Vincent a Arles" fällt mit 5,5 Millionen Dollar noch in die etwas preisgünstigere Kategorie. Bei einem Verkaufsevent im kleinen Kreis für besonders gut betuchte Kundschaft wurde "Yellow and Blue" von Mark Rothko erstanden, Schätzpreis zwischen 40 und 60 Millionen Dollar. Wären außerdem noch zwei Bilder von Monet und für knapp 49 Millionen Dollar "Dustheads" von Jean-Michel Basquiat.

Eh klar, irgendwann tun’s Linienflüge nicht mehr. Dann muss ein Business-Jet her. Die Staatsanwaltschaft greift nach einem Bombardier Global 5000, 2010 erstanden um 35 Millionen Dollar.

Gelder des Netzwerkes flossen laut dem malaysischen Aufdeckerportal SarawakReport vermutlich auch in den Bau der "Opal", der weltweit fünftgrößten Jacht. Das 147 Meter lange und 16.000 PS starke Luxusschiff gehört offiziell einem Mitglied der Herrscherfamilie von Abu Dhabi. DiCaprio schipperte samt Freundeskreis damit zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Brasilien.

Rund 100 Millionen Dollar sollen außerdem in den Hakkasan-Nightclub in Vegas gepumpt worden sein. Im Spieler-Dorado wurde nicht nur investiert, sondern auch heftig gegambelt. Geschätzte 100 Millionen Euro wurden verzockt. Die US-Behörden verfolgen die Spur von 41 Millionen Dollar. Diese Summe kam von einer Gesellschaft, die Qubaisi zuzurechnen ist. Innerhalb einer Woche verspielte 2012 einer der Handlanger, ein langjähriger Freund der malaysischen Najib-Familie, im "Venetian Casino" elf Millionen Dollar. Mister Low, möglicherweise der Haupt-Drahtzieher des Skandals, hatte beim Casino-Betreiber einen Stammkunden-Account (Player No 4296).

Wie aber kann es überhaupt gelingen, von 2009 bis mindestens 2013 unbemerkt regelmäßig Hunderte Millionen Dollar zu veruntreuen?

Die Idee war simpel.

Der Staatsfonds 1MDB, der heute auf Schulden von elf Milliarden Dollar sitzt, sollte in die Infrastruktur investieren und die Wirtschaft Malaysias ankurbeln. Und gab drei Milliarden-Anleihen zur Finanzierung aus.

Bei den Anleihen kommt die IPIC in Spiel. Abu Dhabi plante mit Malaysia große Energieprojekte, die IPIC garantierte für die Anleihen und sollte dafür ein Entgelt erhalten.

Direkter Partner des Fonds 1MDB war die IPIC-Tochter Aabar Investments PJS (die ebenfalls wie ihre Mutter internationale Beteiligungen hält). Der gefeuerte Aabar-Chef Mohamed Badawy Al-Husseiny gehört ebenfalls zum Kreis der Verdächtigen.

Es gab allerdings eine zweite Firma Aabar mit fast identem Namen, die sich nur durch das Anhängsel "Ltd." unterschied. Diese Fake-Gesellschaft wurde von Qubaisi im März 2012 im karibischen Steuerparadies British Virgin Islands gegründet.

Die Abgeltungen für die Anleihen-Garantien und vermutlich auch Anleihen-Erlöse flossen teilweise an die falsche Aabar, in Summe mehr als zwei Milliarden Dollar. Unter anderem über ein Konto bei der Großbank UBS.

Inzwischen hat der Skandal auch die internationalen Banken erfasst. Fragt sich, ob es der UBS hätte auffallen müssen, dass die Überweisungen an die betrügerische Aabar gingen. Die Falcon-Bank, eine Tochter der echten Aabar, ist ebenso betroffen wie die Schweizer Privatbank BSI, der bereits die Banklizenz entzogen wurde. Bei der Rothschild-Bank in Luxemburg fielen im Juni 90 Polizisten zur Hausdurchsuchung ein. Der Verdacht lautet auf die bisher größte Geldwäsche-Aktion, in der jemals im Herzogtum ermittelt wurde.

Knapp 700 Millionen Dollar landeten vermutlich auf einem Privatkonto von Regierungschef Najib. Der Politiker dementierte die Meldung des Wall Street Journal gar nicht, sondern erklärte bloß, dass er sich nicht bereichert habe...

Der Londoner Anwalt von Qubaisi bedauerte, gegenüber dem KURIER keinen Kommentar abgeben zu können. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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