Telekom Austria will 15.000 Funktürme ausgliedern
In der teilstaatlichen A1 Telekom Austria häufen sich die hochkarätigen Meetings. Im Juli waren Vertreter des mexikanischen Mehrheitseigentümers America Movil in Wien, derzeit weilt Christine Catasta, Interimschefin der Staatsholding ÖBAG, in Mexiko. Begleitet von Helmut Kern. Wenn der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit im Gepäck ist, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht nur um einen Höflichkeitsbesuch handelt, sondern dass Wichtiges im Busch ist.
Das große Thema in der Telekom ist die Ausgliederung der Mobilfunk-Türme in eine eigene Tower-Gesellschaft. Der Konzern besitzt in den sieben Konzern-Ländern 15.000 solcher Türme, 7900 davon stehen in Österreich.
Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit dem Vorjahr schon mit verschiedenen Modellen. Als Berater wurde Goldman Sachs geholt. Projektleiter in der Telekom ist (sicher rein zufällig) Ivo Ivanovski, ein Günstling von America-Movil-Mehrheitseigentümer Carlos Slim. Ivanovski war bis 2015 in Nordmazedonien Minister für Informationstechnologie, unter dem nach schweren Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen Premier Nikola Gruevski. Milliardär Slim tanzte höchstpersönlich bei Ivanovskis Hochzeit an.
Die Ausgliederung der Stahltürme wäre an sich noch nichts Schlimmes. Die große Frage ist, was dann kommt. Denn Österreich hat mit den Mexikanern als Mehrheitseigentümer und der staatlichen Beteiligung eine ganz spezielle Situation.
Viele Telekom-Unternehmen in Europa verkaufen derzeit Teile ihrer Infrastruktur, um Schulden abzubauen und/oder den teuren Ausbau der 5G-Netze zu finanzieren. Sie müssen an die Turm-Firmen Miete bezahlen. Auf der Suche nach Veranlagungen investieren große Fonds, Equity-Gesellschaften und Versicherungen zunehmend in öffentliche Infrastruktur. Und haben neben Gas-, Strom- und Wasserleitungen auch die Mobilfunk-Kommunikation entdeckt.
Die Telekom-Konzerne wagten es lange nicht, ihre Infrastruktur zu verkaufen. Doch die Nachfrage ist enorm, und die Tower-Gesellschaften werden, obwohl reguliert, zu wesentlich höheren Preisen gehandelt als die Netzbetreiber. Während eine Akquisition in der Telekom-Industrie mit dem rund Siebenfachen des Ebit bewertet wird, liegen die Tower-Multiples bei 18 bis 22, sind also bis zu dreimal so teuer.
Telefonica verkaufte die 31.000 Funkmasten der Tochter Telxius für 7,7 Milliarden Euro an den US-Konzern American Tower, einen der Weltmarktführer. Die Spanier bauen damit einen Teil ihres hohen Schuldenberges ab.
Ende 2020 verscherbelte die chinesische CK Hutchison („Drei“) die rund 24.000 europäischen Funkmasten (darunter auch in Österreich) um zehn Milliarden Euro an den spanischen Funkmastbetreiber Cellnex, den Marktführer in Europa. Allerdings schaltete sich die britische Wettbewerbsbehörde ein, sie befürchtet höhere Preise für die Kunden und schlechtere Dienstleistungen für die Netzbetreiber.
Milliarden-Wert
Insider gehen davon aus, dass die Funktürme der Telekom-Austria locker einige Milliarden Euro wert sind. Am Kapitalmarkt sind die Pläne längst bekannt. Im Bericht über das 3. Quartal 2020 versteckte sich erstmals ein winziger Hinweis, den aber nur Auskenner zu lesen verstanden.
Aus Londoner Investorenkreisen ist zu hören, dass America Movil Druck in Richtung Ausgliederung und Verkauf macht. Die Beteiligten wollen die Funktürme nicht als kritische Infrastruktur sehen. Spezialisierte Tower-Gesellschaften könnten die Funktürme eben besser managen.
In der Branche gibt es auch gegensätzliche Meinungen. Die Argumente: Die gut gemangte Telekom Austria ist finanziell bestens aufgestellt, hat Schulden reduziert und bräuchte einen solchen Deal überhaupt nicht, um in 5G investieren. Sind die Türme erst einmal verkauft, ist die Infrastruktur ein für alle Mal weg. „Wer die Infrastruktur hat, der hat die Macht“, warnt ein Insider. Die Türme seien ja nicht beliebig vermehrbar.
Es gibt Modelle, bei denen auch der für 5G erforderliche Glasfaser-Anteil in der Basisstation inkludiert ist. In diesem Fall wäre auch die 5G-Zukunft Österreichs in Händen der neuen Eigentümer.
Am meisten profitieren würden die Mexikaner. Die österreichischen Steuerzahler hätten das Nachsehen. Ihnen gehören praktisch nur 28 Prozent der Funktürme, sie haben jedoch den Mobilfunk-Ausbau vor dem Einstieg von America Movil mitfinanziert.
In der Branche wird derzeit heftig darüber spekuliert, dass die Mexikaner groß Kasse machen könnten und sich möglicherweise danach aus Österreich verabschieden. 2023 läuft der Syndikatsvertrag mit der ÖBAG aus. Die großen Investitionsankündigungen sind bis heute leere Versprechen. Sodass die Telekom Gefahr läuft, beim Glasfaser-Ausbau von der Konkurrenz abgehängt zu werden.
Einer Tower-Gesellschaft und erst recht deren Verkauf muss die ÖBAG zustimmen. Immerhin wurde die Staatsholding neu gegründet, um heimische Infrastruktur vor dem Ausverkauf zu schützen.
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