Die persönliche Transformation des abtretenden CEOs, Konzern soll bis 2050 -neutral sein, Brecht-Zitat zum Abschied, bald Gas aus Nord Stream 2 für Europa
Als der Deutsche Rainer Seele vor sechs Jahren den Job als CEO von Österreichs größtem Industrieunternehmen antrat, war der Klimawandel in der OMV kein Thema. Der studierte Chemiker kam von Wintershall und war ein Öl- und Gasmanager, wie er traditioneller nicht sein konnte. Mit starker Affinität zu Russland und Wladimir Putin.
Heute spricht Seele über den Klimaschutz, als wäre er immer schon ein Grüner gewesen. Bei ihm und im Vorstand sei „ein persönlicher Wandel“ erfolgt, man dürfte den Klimawandel nicht als Bedrohung, sondern müsse ihn als große Chance sehen, sagte Seele bei seiner Abschiedspressekonferenz am Mittwoch. Jeder Einzelne müsse seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Spätestens bis 2050 solle auch die OMV -neutral sein. Entscheidend für den Erfolg der EU-Klimaziele seien ein technologie-offener Ansatz sowie Planbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Freilich, räumt Seele ein, hätte die OMV schon früher reagieren können, wie alle anderen Unternehmen auch.
Gespräche im Lift
Er gehe ohne Groll, sondern mit Freude über das Rekord-Ergebnis, betonte der 61-Jährige. Die Jahre bei der OMV seien „eine schöne, aber auch herausfordernde Zeit“ gewesen. Er sei stolz, mit den Mitarbeitern das 2015 „in Schieflage geratene Unternehmen“ nicht nur stabilisiert, sondern auf Erfolgskurs gebracht zu haben. Das Schönste seien überhaupt die Gespräche mit Mitarbeitern im Fahrstuhl gewesen.
Brecht-Zitat
Zu den internen Verwerfungen und Grabenkämpfen zitierte Seele Bertolt Brecht: „Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“. Er habe mit Vergangenheitsbewältigung aufgehört, nur eines habe er gelernt – man sollte den Menschen vertrauen, aber darauf vorbereitet sein, „dass nicht jeder dieses Vertrauen verdient“. Die Insider werden wissen, wer gemeint ist. Über seine Zukunftspläne will Seele nichts verraten, er sprach von einer „spannenden Herausforderung“.
Der abtretende OMV-Chef wollte keine strategischen Fragen mehr zur Zukunft des Konzerns beantworten. Er kommentierte auch nicht den möglichen Ausstieg aus der profitablen rumänischen Tochter Petrom, der KURIER berichtete.
Die Halbjahresrekordbilanz mit einem Sprung des operativen Gewinns (bereinigt um Lagerhaltungseffekte) auf 2,17 Milliarden verdankt die OMV der anspringenden weltweiten Konjunktur und steigenden Öl- und Gaspreisen, sowie der Chemie-Tochter Borealis.
Die um vier Milliarden Euro mehrheitlich übernommene Borealis lieferte 50 Prozent des Konzerngewinns. Seele: „Borealis hat die Ertragskraft der OMV verdoppelt. Die künftige Ausrichtung ist nicht nur nachhaltig, sondern ein äußerst profitables Geschäftsmodell“. Das Interesse an der zum Verkauf stehenden Borealis-Düngemittelsparte sei rege.
Während die Raffinerie-Margen sanken, lieferte die herkömmliche Öl- und Gasförderung 859 Millionen zum Konzernergebnis bei. Insgesamt investiert die OMV heuer 2,7 Milliarden Euro.
In der zweiten Jahreshälfte 2021 werde bereits das erste Gas aus Russland über die Pipeline Nord Stream 2 nach Europa fließen. Seele geht davon aus, dass Gas bei der Energiewende eine entscheidende Rolle spielen werde. Weil Gazprom und die russischen Banken keine Kredite bekamen, finanziert die OMV die umstrittene Pipeline mit mehr als 800 Millionen Euro mit. Die Zinszahlungen beginnen im zweiten Halbjahr 2021, sagte Seele. Er betonte die höhere Versorgungssicherheit für Europa, die Abhängigkeit von der Transportroute durch die Ukraine gebe es künftig nicht mehr.
Noch offen ist die Förderbeteiligung in Sibirien (Urengoy), die Seeles erstes großes Projekt war. Eine Realisierung ließ er offen, das sei ebenfalls ein Thema für seinen Nachfolger Alfred Stern, dem er viele Rosen streute.
Kommentare