Superstar für die ÖBAG gesucht
„Wir haben neun Millionen Teamchefs, neun Millionen Virologen und jetzt haben wir auch neun Millionen Aufsichtsräte, die ganz genau wissen, wie man vorzugehen hat“. Helmut Kern, Aufsichtsratschef der ÖBAG, hat trotz des Desasters um die Staatsholding seinen Humor nicht verloren.
Keine Postenbesetzung in Österreich stand je so stark im öffentlichen Fokus wie die Nachfolge des abgehenden Alleinvorstands Thomas Schmid. Dem ebenfalls unter Beschuss geratenen Aufsichtsrat darf jetzt nicht der kleinste Fehler passieren. Er bekommt seine zweite – und vermutlich letzte – Chance.
Das ist dem Gremium auch klar. Schritt eins ist die Ausschreibung des Headhunters. Obwohl die ÖBAG selbst auch Rahmenverträge mit Personalberatern hat, wird der Headhunter neu ausgeschrieben. „Wir greifen nicht auf den ÖBAG-Pool zurück. Und um jeden Anschein von Befangenheit zu vermeiden, ist ein Vergaberechtler mit dabei“, erklärt Kern.
Der Headhunter wird gemeinsam mit dem Nominierungsausschuss des Aufsichtsrates voraussichtlich Ende Mai, Anfang Juni die Ausschreibung für den Vorstand formulieren. Schmid hatte bekanntlich große Teile der Ausschreibung mithilfe einer befreundeten Personalberaterin selbst aufgesetzt.
Dem Nominierungsausschuss gehören neben Kern noch der FPÖ-nahe Wärmepumpenhersteller (und Strache-Trauzeuge) Karl Ochsner und Telekom-Betriebsratschef Werner Luksch an. Nach dem Sommer sollen die Hearingtermine mit den Bestgereihten stattfinden, der Favorit wird dem gesamten Aufsichtsrat präsentiert.
Planziel für den Amtsantritt ist Beginn 2022, vielleicht geht’s rascher. Das hängt von der Kündigungsfrist des Neuen ab. Viele Vorstände können binnen sechs Monaten aus ihren Verträgen raus, andere erst mit Vertragsende.
Anforderungsprofil
Soviel zum Prozedere. Die heiklere Frage ist das Anforderungsprofil. Erfahrene Spitzenmanager, die alle lieber nicht genannt werden wollen, sind sich ziemlich einig. Eine Holding braucht keinen CEO aller CEOs, also nicht noch ein Alphatier, das die ohnehin sehr selbstbewussten Chefs der Beteiligungsunternehmen an die Leine nehmen will. Damit wäre der Schiffbruch vorprogrammiert. Der Neue muss die Steuerung von Unternehmen beherrschen und viel Erfahrung haben, soll sich aber nicht ins operative Tagesgeschäft einmischen. Durchsetzungsfähigkeit sei notwendig, „aber nicht konfrontativ, sondern verbindend“.
Internationale Erfahrung, in der Schmid-Ausschreibung nicht erwähnt, könnte diesmal wieder keine Hürde sein, aber Pluspunkte bringen.
Politisches Verständnis ist ebenfalls mitzubringen. „Es muss jemand sein, der versteht, wie Österreich politisch funktioniert“, sagt Kern. Heißt nicht, dass der Betreffende selbst in der Politik war.
Erste Namen kursieren bereits, etwa EVN-Chef Stefan Szyszkowitz, ÖVP-nahe. Wer das Land NÖ als Mehrheitseigentümer hat, weiß, wie Politik funktioniert. Verbund-Chef Michael Strugl war zuvor Vize-ÖVP-Landeshauptmann in ÖO, ist aber in weit höheren Gagensphären als die ÖBAG. Genannt wird auch die ÖBAG-Direktorin Christine Catasta.
Alleinvorstand
Grüne, SPÖ und Neos wollen einen Zweiervorstand, nicht so ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel: „Die gesetzlichen Ausgestaltungen in der ÖBAG sind so, dass es klar ist, dass es für das aktuelle Portfolio einen Einzelvorstand gibt. Das ist ausreichend. Deswegen sehe ich hier keine Notwendigkeit für eine Änderung. Das sieht auch der Aufsichtsrat so.“ Der Alleinvorstand wurde von Schmid in die Satzung der neu gegründeten ÖBAG hinein reklamiert, wohl um einen zweiten FPÖ-Vorstand zu verhindern.
In ÖVP-nahen Wirtschaftskreisen finden sich kaum Befürworter eines Alleinvorstandes. „Heute nicht mehr argumentierbar“, lautet der Tenor. Das Vier-Augen-Prinzip erfordere einen zweiten Vorstand. Ein weisungsgebundener Prokurist ist nicht auf Augenhöhe.
Susanne Kalss, Österreichs führende Unternehmensrechtlerin (WU Wien), plädiert ebenfalls vehement für einen Zweier-Vorstand. Der Aufgabenbereich habe sich mit BIG und Verbund deutlich ausgeweitet, ein Vermögen der Republik über 27 Milliarden Euro „darf nicht einer Person überantwortet werden. In einer Aktiengesellschaft hat der Aufsichtsrat kein Eingriff- und Weisungsrecht. Das spricht ganz klar für ein Vier-Augen-Prinzip auf Vorstandsebene“.
Alle großen Holdings haben zwei oder mehr Vorstände. Etwa die ÖBB-Holding, die B&C Industrieholding (vier Geschäftsführer) oder die LLI von Raiffeisen. Beinahe jede Pimperl-GmbH des Bundes hat zwei Chefs. Der ORF dagegen leistet sich nach wie vor nur einen Geschäftsführer. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der nicht amtsführende grüne Wiener Stadtrat Peter Kraus fordert übrigens, bei der bevorstehenden Hauptversammlung des Verbunds sollten Wien und NÖ Aufsichtsratschef Schmid nicht bestätigen. Eine Wiederwahl sei nicht tragbar.
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