Italien: Sorge wächst vor neuer Euro-Krise
Italien ist immer eine Reise wert und ja, der Tourismus floriert auch wieder. Das ist eine der selten gewordenen guten Nachrichten. Die politische Krise, die Italiens Rechten massiven Zulauf beschert hat und in der Neuwahl am 25. September gipfelt, überschattet momentan alles. Schon ist wieder von Italien als dem kranken Mann Europas und einer möglichen neuen Euro-Krise die Rede. Denn auch "Super Mario" ist gescheitert.
Keine Wunder
Der mit viel Vorschusslorbeeren im Februar 2021 als Premier angetretene Ökonom und frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, konnte keine Wunder bewirken. Hier die chronische Wachstums- und Produktivitätsschwäche des Landes, das sündteure Pensionssystem, die schlecht funktionierende Steuereintreibung und nicht zuletzt der gigantische Schuldenberg von 2.700 Milliarden Euro (rund 150 Prozent vom BIP). Dort die in Schieflage geratene drittgrößte Volkswirtschaft der EU und nur wenige geglückte Reformen – etwa auf dem Arbeitsmarkt oder im Justizbereich.
Wegen der Rekordinflation, die ganz Europa fest im Griff hat, hat die EZB nun zum ersten Mal seit elf Jahren die Leitzinsen angehoben und weitere Zinsschritte angekündigt. Weil das für hoch verschuldete Länder wie Italien zu einem veritablen Finanzierungsproblem werden könnte, wurde zeitgleich ein neues Hilfsprogramm („TPI“) für Italien & Co beschlossen. Die vor allem in Deutschland stets scharf kritisierte indirekte Staatsfinanzierung findet so seine mögliche Fortsetzung. Die EZB springt also Italien zur Seite und kauft weiter Staatsanleihen auf, um die Risikoaufschläge, die internationale Investoren für italienische Staatspapiere verlangen, gering zu halten.
BIP pro Kopf sinkt
Noch kann sich Italien relativ leicht finanzieren, steigen die Zinsen aber weiter, wird es irgendwann eng. Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek sagt, ab "fünf Prozent wird es kritisch". Italiens Hauptproblem sei aber gar nicht so sehr der gigantische Schuldenberg, sondern die langjährige Wachstumsschwäche des Landes. Während das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Ländern wie Deutschland, Schweden oder den USA seit 2007 um mehr als zehn Prozent gewachsen sei, wäre es in Italien bis 2021 um fast neun Prozent gesunken. Brezinschek: "Die angespannte finanzielle Lage Italiens ist also nicht der Grund, sondern die Folge der Wachstumsschwäche."
"Whatever it takes"
Zehn Jahre ist es bereits her, als Draghi damals noch als EZB-Präsident versprach, gegen die Euro-Schuldenkrise alles zu unternehmen, was nötig ist. Sein Ausspruch "Whatever it takes" wurde berühmt. Griechenland, Spanien, Portugal sind aus den oftmals schmerzhaften Hilfs- und Reformprogrammen gestärkt hervor gegangen, Italien tritt auf der Stelle.
Dabei wäre es in der Theorie so einfach: Das Privatvermögen beträgt in Italien rund 9.900 Milliarden Euro, also in etwa das dreieinhalbfache der Staatsverschuldung. Mit einer einmaligen Vermögensabgabe wäre Italien also saniert, politisch lässt sich das freilich niemals umsetzen. So wurde die EZB über die verschiedenen Anleihenkaufprogramme zum Hauptfinancier des italienischen Staates.
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