So schnell kann’s gehen: Vor einem Jahr noch kürte der renommierte britische Economist Italien unter Mario Draghi zum „Land des Jahres 2021“. Der Premier habe den Stiefel am Mittelmeer tiefgreifend verändert, er regiere mit einer „Mehrheit, die ihre Differenzen begraben hat, um ein Programm weitreichender Reformen zu unterstützen“. Heute ist Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union, wieder Patient. Die Reformen stecken, die Schulden drohen das Land zu erdrücken, weil auch der als Wunderwuzzi gehypte frühere Präsident der Europäischen Zentralbank die größte Hürde nicht geschafft hat: die Ansammlung an politischen Eigeninteressen und Eitelkeiten zu überwinden.
Die ist in Italien besonders ausgeprägt. Erinnert sich noch jemand an den linken Superstar Matteo Renzi, an dem Italien genesen sollte und der in Selbstverliebtheit unterging (jetzt versucht er’s wieder)? Und die Regierung Draghi scheiterte am Ende am Neid seines Vorgängers Giuseppe Conte, der seine Ablöse und seinen Fehltritt zur taumelnden Fünf-Sterne-Bewegung nicht verwindet.
Jetzt also Giorgia Meloni. Die Führerin der postfaschistischen Fratelli d’Italia hat es geschafft, den Brachial-Rechten Matteo Salvini rechts zu überholen und in der Popularität abzuhängen. Sie profitiert davon, nicht in der Regierung vertreten gewesen zu sein und den Italienern im Bündnis mit den anderen Rechtsparteien das Blaue vom Himmel versprechen zu können (Steuersenkungen, Familienunterstützung, Atomkraft). Sie gibt sich als handzahme Postfaschistin, die Bündnistreue zu EU und NATO gelobt, und profitiert auch davon, dass die Italiener keine Berührungsängste mit dem Faschismus (und die längste Zeit auch nicht mit dem Kommunismus) hatten und haben – von Silvio Berlusconi stammt das Wort, dass Mussolinis Faschismus eine „gütige Diktatur “ gewesen sei.
Apropos Berlusconi: Italien hat vier Ministerpräsidentschaften des verhaltensoriginellen Mailänders überlebt. Wenigstens das ist eine gute Nachricht für alles, was kommt.
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