Unsicherheiten
Die Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Standort seien in Österreich aktuell nicht gegeben. Unternehmen würden sich schwertun, für die Zukunft zu planen, sagt Ungar-Klein: „Sie wissen nicht, ob sie Umsätze machen oder Märkte haben werden und ob die Lieferketten oder die Energiepreise gesichert sind. Dazu kommt die zunehmende Bürokratisierung in der EU.“
Österreich sei auf dem Weg, von einem Musterland zu einem Entwicklungsland zu werden, warnt der Experte. In den vergangenen Jahren sei viel verabsäumt worden: „In vielen Bereichen ist nichts passiert.“
Verlorene Wertschöpfung
Laut einer Modellrechnung der Initiative sind dem Land in den vergangenen vier Jahren wegen unzureichender Infrastruktur fast 380 Mrd. Euro an Wirtschaftsleistung entgangen. Das bedeute, dass sich, wenn die notwendigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen gegeben wären, mehr Unternehmen angesiedelt hätten, mehr Arbeitsplätze entstanden und mehr Steuereinnahmen generiert worden wären, sagt Ungar-Klein.
Allein heuer seien 95 Mrd. Euro an Wertschöpfung verloren gegangen. Den stärksten Hebel sieht Ungar-Klein in Investitionen in die digitale Infrastruktur. Ein flächendeckender Breitbandausbau koste rund zehn Mrd. Euro, könne aber 90 Mrd. an Wertschöpfung bringen. Weil etwa die Attraktivität von Standorten im ländlichen Raum zunehme.
Herausforderungen
Die für die Erhebung befragten Manager von Großunternehmen in Österreich sehen den Fachkräftemangel, die Energiekosten, die Teuerung und die Steuerpolitik sowie die Entbürokratisierung als größte Herausforderungen für den heimischen Standort. 57 Prozent beklagen auch eine drastisch gesunkene Arbeitsmoral und Leistungsbereitschaft in ihren Unternehmen.
Dass die Produktivität gesunken sei, hätten auch internationale Rankings gezeigt, meint Ungar-Klein. Dazu beigetragen habe sicherlich die zunehmende Thematisierung der Work-Life-Balance: „Viele glauben, es geht sich auch mit drei oder vier Tagen Arbeit aus. Aber wer soll das finanzieren?“
Eine umfassende Strategie für den Standort müsse diese Themen ebenso ansprechen wie die Infrastrukturbereiche Energie, Verkehr und die für die digitale Transformation bedeutende Informationstechnologie, heißt es in Report. Daneben müssten auch Maßnahmen zur Versorgungssicherheit und die hohe Rohstoffabhängigkeit von Drittländern adressiert werden.
Vorbild Schweiz
Als Vorbild für eine österreichische Standort- und Infrastrukturstrategie könne die Schweiz gelten, meint Ungar-Klein. Dort gebe es fünfmal so viele ausländische Investitionen wie in Österreich. Auch in internationalen Rankings, etwa jenem der Lausanner Hochschule IMD, liegen die Eidgenossen seit Jahren auf den vorderen Plätzen, während Österreich zuletzt auf Rang 26 abrutschte. Standortagenden seien in der Schweiz in einem Ministerium gebündelt, sagt der FBA-Initiator. In Österreich habe man sich in der vergangenen Legislaturperiode hingegen auf den Klimaschutz konzentriert und andere Bereiche außer Acht gelassen.
Er sieht auch noch einen weiteren Grund für den Erfolg des Schweizer Modells. Während die Schweiz für sich in Anspruch nehme, ein wettbewerbsfähiger Standort zu sein, sei in der österreichischen Strategie für Forschung, Technologie und Innovation lediglich von einem „wettbewerbsfreundlichen“ Standort die Rede. „Das Wort gibt es gar nicht“, sagt Ungar-Klein.
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