Der abgesandelte Wirtschaftsstandort
Wolfgang Unterhuber
12.03.24, 17:34„Österreich ist abgesandelt.“ Dieser Spruch hat fast schon Kult-Charakter. Getätigt wurde er im Sommer 2013 vom damaligen Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl.
Leitl kritisierte damals die ausufernde Bürokratie, die hohen Arbeitskosten und dass die SPÖ mit neuen Steuerplänen internationale Investoren abschrecke. Das Wirtschaftswachstum lag in Österreich im Jahr 2013 übrigens bei null Prozent. Geschichte wiederholt sich ja zuweilen.
Ein Leitl-Déjà-vu hat man auch, wenn man sich die aktuelle Studie des internationalen Beratungsunternehmens Deloitte zur Industrie in Österreich durchliest. Nur, dass sich die Rahmenbedingungen für die heimische Industrie offenkundig kontinuierlich verschlechtern. Die im internationalen Vergleich dauerhaft überdurchschnittlich hohen Energiekosten werden für die Betriebe mittlerweile ein echtes Problem. Und Besserung ist nicht in Sicht.
Dazu kommt die weiterhin überdurchschnittlich hohe Inflation. Das bedingt höhere Löhne. Die aber kann ein Industriebetrieb nicht so einfach an seine ausländischen Kunden abwälzen. Niemand, der etwas von Wirtschaft auch nur annähernd versteht, kann es deshalb den heimischen Industrieunternehmern verdenken, dass sie an Abwanderung denken.
Warum soll man auch in einem Land eine Investition tätigen, wo über neue Steuern für Leistungsträger und wo über weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich diskutiert wird? Vielleicht war das auch ein Grund, warum im Vorjahr Boehringer-Ingelheim das groß angekündigte neue Werk in Bruck an der Leitha mit 800 Beschäftigten dann doch abgeblasen hat.
Dazu kommt die in Österreich grassierende Unternehmerfeindlichkeit. Unternehmer gelten als Schlitzohren und Ausbeuter und werden gerne mit berühmt-berüchtigten Pleitiers in einen Topf geworfen. Dass ausgerechnet der mächtige SP-Gewerkschafter Josef Muchitsch unlängst von seinem Parteichef mehr Wirtschaftsfreundlichkeit einforderte, sagt in dem Zusammenhang alles.
Ändern wird sich freilich nichts. Neun von zehn der befragten Unternehmer gehen laut Deloitte deshalb davon aus, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich weiter sinken wird. Also werden sie weiter auslagern. Nach Asien, in die USA oder einfach in andere EU-Staaten. Letzteres ist besonders peinlich. Zeigt es doch, dass es auch vor der Haustür attraktivere Standorte gibt als Österreich.
Seit die SPÖ/ÖVP-Regierung in den 1990er-Jahren die kaputte Staatsindustrie durch Privatisierungen rettete, fand in diesem Land keine richtige Industriepolitik mehr statt. Das rächt sich jetzt. Die Industrie aber ist die harte Währung einer Volkswirtschaft. Ohne Industrie ist ein Standort dann nämlich tatsächlich abgesandelt.
wolfgang.unterhuber@kurier.at
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