"Es macht keinen Sinn, die Stromnetze für den Pfingstmontag auszulegen"
Die mehr als 20 Jahre alten Regeln für den Strommarkt müssen neu geschrieben werden. „Wir stehen mitten in der größten Transformation, die der Energiesektor je gesehen hat“, sagte Michael Strugl, Präsident der Branchenvertretung „Oesterreichs Energie“, am Freitag vor Journalisten. Bis 2040 solle ungefähr doppelt so viel Strom erzeugt werden wie bisher, aufgrund der wetterbedingten Schwankungen müssten die Erzeugungskapazitäten dafür sogar verdreifacht werden.
Die E-Wirtschaft schätzt die Kosten in Österreich bis zum Jahr 2030 auf 60 Milliarden Euro, wobei die Hälfte auf den Netzausbau entfällt. Die Rahmenbedingungen dafür sollen im Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) geschaffen werden, mit dem ein koordinierter Ausbau ermöglicht und die EU-Strombinnenmarktrichtlinie umgesetzt werden soll. Österreich ist hier bereits säumig. Das ElWG „muss noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden“, sagte Strugl, ansonsten würde für die Umsetzung wohl mindestens ein Jahr verloren gehen.
Bereits jetzt können die Netze in Phasen der hohen Erneuerbaren-Produktion bei gleichzeitig niedrigem Verbrauch phasenweise nicht den gesamten Strom aufnehmen. Das ElWG sieht die Möglichkeit vor, die Einspeisung befristet zu drosseln, die E-Wirtschaft fordert das aber dauerhaft.
„Es macht keinen Sinn, die Netze für den Pfingstmontag auszulegen“, also für Feiertage mit niedrigem Verbrauch und vielen Sonnenstunden, sagte Barbara Schmidt. „Wir bauen ja auch die Autobahnen nicht für den Urlauberwechsel im Juli und August aus“, argumentiert die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie.
Bei einer Drosselung auf 70 Prozent während der Mittagsstunden im Sommer würden laut Oesterreichs Energie nur fünf Prozent der Strommenge verloren gehen. In das gleiche Netz könnten dann aber mehr PV-Anlagen integriert werden, die über das gesamte Jahr deutlich mehr Strom erzeugen. Auch die Anschaffung privater Stromspeicher würde dadurch interessanter, die Haushalte wären also „netzdienlicher“.
Speicher und Elektrolyseure zur Wasserstoffherstellung sollen laut dem ElWG-Entwurf von Netzentgelten befreit werden, wenn sie netzdienlich zum Einsatz kommen. Strugl hält diese Regelung für aufwendig und nicht praktikabel, weil das im Einzelfall geprüft werden müsste – was den benötigten Ausbau der Speicher bremsen würde.
Smart Meter und Preise
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Smart Meter, die bis Jahresende bei 95 Prozent der Haushalte installiert sein sollen. Diese digitalen Stromzähler übermitteln die Verbrauchsdaten bei den allermeisten Konsumenten ein Mal täglich. Laut ElWG-Entwurf soll die Übermittlung standardmäßig im Viertelstundentakt erfolgen, eine Option, von der bisher etwa 11 Prozent der Haushalte Gebrauch machen. Die Stromwirtschaft wünscht sich eine schrittweise Umsetzung, um zu vermeiden, dass die Datenmenge die dafür nicht ausgelegten Stromnetze überlastet.
Keine Einigung gibt es bisher bei den Regeln zur Tarifanpassung. Oesterreichs Energie ist dazu Teil einer Arbeitsgruppe, unter anderem mit Konsumentenvertretern.
Einen Konsens zu finden ist wichtig, weil das ElWG eine Zweidrittelmehrheit braucht, also die Zustimmung von FPÖ oder SPÖ.
Kommentare