Sozialwirtschaft will "fairen KV-Abschluss", aber Finanzierung unsicher

Sozialwirtschaft will "fairen KV-Abschluss", aber Finanzierung unsicher
Die aktuelle Finanzierungssituation nennt Volkshilfe-Chef Erich Fenninger "unanständig und zutiefst unseriös".

Die jährlichen Verhandlungen für den Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) haben am Dienstag begonnen und sind in der ersten Runde erwartungsgemäß ohne Ergebnis geblieben.

Nach einer Rekorderhöhung in der Geschichte der KV-Verhandlungen im Vorjahr (+9,2 Prozent) fordern die Arbeitnehmer heuer eine Gehaltserhöhung von 6,1 Prozent. Das Angebot der SWÖ in Höhe der Inflationsrate (voraussichtlich etwa 3,53 Prozent) war aus Sicht der Gewerkschaften zu niedrig. SWÖ-Geschäftsführerin und Verhandlungsführerin auf Arbeitgeberseite, Yvonne Hochsteiner, sieht die Gewerkschaftsforderung als "für die mehrheitlich gemeinnützigen Arbeitgeber in der Sozialwirtschaft nicht finanzierbar“. Trotzdem erwartet sie auch heuer einen "fairen Abschluss" der KV-Verhandlungen.

"Kostendruck stößt auf Unverständnis"

Auch der SWÖ-Vorsitzende und Volkshilfe-Chef Erich Fenninger beklagt die aktuelle Finanzierungssituation. "Wir stehen unter einem Kostendruck und das stößt bei mir auf Unverständnis: Wenn der Bund oder die Länder andere Dinge einkaufen, dann ist klar, dass der verlangte Preis bezahlt wird. Wir aber müssen diskutieren und verhandeln", so Fenninger. 

Er wünscht sich außerdem mehr Finanzierungssicherheit. Derzeit wüssten die Mitgliedsorganisationen, etwa Volkshilfe, Lebenshilfe oder Hilfswerk, erst im zweiten, teilweise sogar erst im dritten Quartal, wie viel Geld sie für ihre Leistungen bekommen. "Das ist unanständig, unprofessionell und zutiefst unseriös", kritisiert Fenninger. Zudem gebe auf viele Leistungen einen Rechtsanspruch der Pflege- oder Betreuungsbedürftigen.

Die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) ist die größte freiwillige Interessenvertretung für soziale Dienstleister in Österreich. Ihr gehören 620 Organisationen mit mehr als 86.000 Beschäftigten in etwa 100 Berufsgruppen an. Dazu gehören neben der klassischen Kranken- und Altenpflege auch die Arbeit im Behindertenbereich oder etwa die Betreuung oder Begleitung von Suchtkranken, Arbeitslosen, Asylsuchenden oder Haftentlassenen. 110.000 Angestellte der mehrheitlich gemeinnützigen Organisationen fallen unter den Kollektivvertrag, den die SWÖ seit mittlerweile 20 Jahren seitens der Arbeitgeber verhandelt. 70 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, genauso groß ist der Anteil an Teilzeitkräften.

Auch beim Pflegezuschuss, den die Bundesregierung 2022 eingeführt hatte, fehle es an Finanzierungssicherheit. Dieser wird aktuell nicht der Inflation angepasst. Außerdem ist Personal aus dem Behindertenbereich ausgeschlossen.

Kurzfristige Eingriffe der Politik

Zudem fordert Fenninger mehr Rechtssicherheit und mehr Einbindung in die Gesetzgebung. Immer wieder würden durch kurzfristige Eingriffe der Politik Probleme in der Praxis übersehen, was in der Branche für Unsicherheit sorge.

Die Gewerkschaft setzt in den Verhandlungen auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen wie etwa mehr Dienstplanstabilität und Entlohnung von Nacht- oder Wochenendarbeit. "Es muss auch im Interesse der Unternehmer sein, als Arbeitgeber attraktiver zu werden", sagt etwa Michaela Guglberger, Verhandlerin für die Gewerkschaft vida

Die Vertreter der Alternativen, Grünen und Unabhängigen Gewerkschafter*innen verweisen in einer Aussendung auf zu geringe Löhne in der Branche, einen akuten Personalmangel und eine rasant steigende Auftragsdichte.

Zulauf statt Personalmangel

Hochsteiner sieht keinen Personalmangel in der Pflege. Im Gegenteil: Seit 2008 soll die Zahl der Beschäftigten im gesamten Gesundheits- und Sozialbereich um 44 Prozent gestiegen sein. Vor allem die Pflege (+81 Prozent) und das Sozialwesen (+68 Prozent) sollen einen besonders hohen Zulauf haben. 

Fenninger erklärt die Knappheit an Arbeitskräften durch den steigenden Bedarf durch den demografischen Wandel und die Zunahme an psychisch Erkrankten innerhalb der Bevölkerung-

Auch den Vorwurf, dass die Berufe in der SWÖ schlecht bezahlt seien, weist Hochsteiner zurück und verweist auf die Lohnerhöhungen in den Jahren 2022-2024, die 6,63 Prozent betrugen. Damit seien sie höher gewesen als im Handel (5,99 Prozent) und fast ident mit den Abschlüssen der Metaller (6,65 Prozent), wobei es bei Letzteren ein höheres Ausgangsgehalt gab. 

Mehr als 2.000 Euro Mindestlohn

Für eine 37-Stunden-Woche verdienen Angestellte unter dem SWÖ-KV mindestens 2.067,40 Euro. Zum Vergleich: Bei den Metallern sind es auf 37 Stunden gerechnet 2.329,99, im Handel 1.895,17 Euro.

Die KV-Verhandlungen der SWÖ werden am 11. November weitergeführt. Der dritte Termin ist für den 25. November angesetzt

Kommentare