Die Pflege: Eine Branche, die selbst viel Pflegebedarf hat
Wir wären nicht gewaschen und meistens nicht gekämmt.
Diese Zeilen stammen aus dem wohl berühmtesten Muttertagsgedicht, könnten aber auch für die vielen Pflegekräfte aufgesagt werden. Der Tag der Pflegenden ist heute und fällt damit mit dem Muttertag zusammen. Passend, immerhin sind laut Rotem Kreuz 85 Prozent aller Berufsangehörigen in Gesundheits-und Krankenpflegeberufen weiblich, in der häuslichen Pflege beträgt der Anteil der Frauen rund 73 Prozent.
„Es braucht bessere Rahmenbedingungen und einen verstärkten Fokus auf Vorsorge statt Nachsorge“
Den Menschen, die sich tagtäglich – egal, ob im Beruf oder in der häuslichen Pflege – anderen Menschen widmen, nur ein Gedicht aufzusagen, wäre allerdings zynisch. Die Zeit, in der das Beklatschen ausgereicht hat (was es eigentlich ohnehin nie getan hat) wie während der Corona-Pandemie, ist längst vorbei. Die Pflege an sich befindet sich schließlich selbst in einer veritablen Krise.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine alternde Gesellschaft und dadurch zwangsläufig mehr pflegebedürftige Menschen, prekäre Arbeitsverhältnisse und weniger Menschen, die den Beruf anstreben ergeben eine ungünstige Gemengelage. Laut einer Bedarfsprognose von der Gesundheit Österreich GmbH braucht man bis zum Jahr 2030 rund 50.000 zusätzliche Pflegepersonen, bis 2050 sogar fast 200.000 in Österreich, um die aktuelle Versorgungssituation aufrechterhalten zu können.
„Sehr hohe Mehrbelastung durch Überstunden bei gleichzeitig weniger Zeit für Betreuung“
Eine andere Zahl, die besorgniserregend ist, geht aus Studien der Arbeiterkammer und des Wiener Gesundheitsverbunds hervor: 41 Prozent der Pflegepersonen gehen davon aus, ihren Beruf wegen körperlichen und psychischen Beschwerden frühzeitig verlassen zu müssen.
Kein Wunder also, dass viele Organisationen, die mit Pflege betraut sind, den Tag der Pflege für einen Aufschrei nutzen (siehe Zitate).
Reformen
Doch auch in der Politik dürfte die Dringlichkeit des Problems zumindest in Teilen angekommen sein. Derzeit wird an vielen Schrauben gedreht. Die türkis-grüne Bundesregierung hat etwa eine Pflegereform auf den Weg gebracht. Besonders im Bereich der Ausbildung habe es Verbesserungen gegeben, haben Caritas oder das Rote Kreuz verlauten lassen – allerdings, auch da ist man sich einig, handle es sich nur um erste Schritte und eine generelle Systemreform ließe noch auf sich warten. In der Stadt Wien setzt man derzeit auch auf mehrere Maßnahmen. Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke und Sozialstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) präsentierten kürzlich eine Zwischenbilanz. Dank eines neuen Fachkräftezentrums und einer Ausbildungsoffensive sollen bis 2030 mehr als 16.000 Pflegekräfte ausgebildet werden.
„Es fehlen Angebote zur Entlastung berufstätiger, pflegender Angehöriger“
Vom waff, dem „Wiener Arbeitnehmer*innen Förderungsfonds“, wurde die Pflege-Soap „Nicht wieder Mary“ ins Leben gerufen. In 24 einminütigen Videos wird die frischgebackene Pflegeassistentin und nebenberuflichen DJane Mary begleitet, wie sie Beruf und Privatleben meistert.
Image
Was wie ein zu vernachlässigender Nebenschauplatz klingt, hat durchaus Relevanz: Der Pflegeberuf braucht dringend ein positiveres Image. „Wenn ich einen Beruf ständig schlecht rede, muss ich mich nicht wundern, wenn ihn niemand mehr machen will“, sagt Erol Holawatsch, Fachbereichsleiter der Gesundheitseinrichtungen der ÖGK. Genau dieser Entwicklung will der waff mit der Pflege-Soap entgegenwirken – und das scheint Erfolg zu haben. Im Kampagnenzeitraum (September 2023 bis März 2024) wurden 10.400 Interessentinnen und Interessenten für den Pflegeberuf gewonnen, eine Steigerung um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
All das, da sind sich die Experten einig, kann nur ein Beginn sein: Es brauche Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen für die Pfleger, finanzielle Unterstützung für diejenigen, die zu Hause pflegen und mehr Bewusstsein für die Vorsorge, damit weniger Menschen gepflegt werden müssen. Nur so kann die Branche wieder gesund gepflegt werden.
Kommentare