Nach KURIER-Bericht: Hoffnung für beatmete Menschen
Der KURIER-Bericht über einen 62-jährigen Niederösterreicher, der seit eineinhalb Jahren in seinem Bett eingesperrt ist, wurde zum gewaltigen Aufreger. Wie berichtet, wurde Günter Wagner weder ein Rollstuhl zur Verfügung gestellt, noch die notwendigen Intensivpfleger bezahlt. Somit könnte der Mann sein eigenes Zimmer nicht mehr verlassen.
Die Geschichte war nicht nur die zweitmeistgelesene Chronik-Geschichte des vergangenen Monats auf kurier.at, sondern sie sorgte auch für geschäftiges Treiben im Hintergrund und heftige politische Wellen. Erstmals seit Jahren könnte es deshalb Lösungen für hunderte künstlich beatmete Menschen in Österreich geben. Denn Wagners Fall ist derzeit eher die Regel als die Ausnahme in Österreich. "Ich bin vorsichtig optimistisch", sagt Michael Tesar vom größten Anbieter für derartige Heimbetreuung, CuraPlus.
Prinzipiell können Menschen mit der künstlichen Beatmung heute ein ganz normales Leben führen - arbeiten, ins Kino gehen oder auf Urlaub fahren. Die Versorgung dieser Patienten ist allerdings teuer, in Spitälern und Pflegeheimen sind Kosten von 150.000 Euro im Monat der Normalfall. Billiger und gesünder ist eine Betreuung laut mehreren OGH-Urteilen zuhause. Dort kostet sie etwa ein Drittel.
Doch im Hintergrund wird so heftig darüber gestritten, dass es Monate oder oft sogar Jahre dauert, bis über die Finanzierung der Pflege entschieden wird, wie zuletzt die Volksanwaltschaft kritisiert hat. Denn die ÖGK zahlt meist nur ein Viertel der Kosten, die jeweiligen Sozialfonds der Länder wollen aber nur maximal die Hälfte übernehmen. Somit bleiben rund 13.000 Euro monatlich übrig, die kaum jemand privat stemmen kann.
NÖGUS fühlte sich nicht zuständig
Während in Wien der Fonds Soziales Wien (FSW) sehr kulant ist und rasch handelt, weigerte sich der niederösterreichische NÖGUS bisher, mehr zu zahlen. Der für den NÖGUS verantwortliche Landesrat Christoph Luisser (FPÖ) verneinte vergangene Woche sogar jegliche Zuständigkeit für solche Fälle. In der Steiermark laufen derzeit mehrere Gerichtsprozesse dazu. Manche Patienten schaffen es nur mit Hilfe von Spendengeldern, versorgt zu werden. Mitunter missachten die Bundesländer sogar Gerichtsurteile. In Salzburg etwa ist die Versorgung daheim praktisch unmöglich.
Bis zur Entscheidung über die Finanzierung müssen die Patienten die mitunter letzten Tage ihres Lebens im eigenen Bett oder in oftmals überforderten Spitälern verbringen. Dazu kommen für die ohnehin geschwächten Patienten ständige Kämpfe mit der Krankenkasse. Inkontinenzunterlagen, Gummihandschuhe für Pfleger oder sogar Nahrung für die Magensonde müssen die Todkranken oft auch noch selbst bezahlen. Monatelang weigerte sich die ÖGK etwa, Wagner einen Rollstuhl zu bezahlen. Laut seiner Frau wurde ihr schlichtweg erklärt, Beatmete sollten besser im Bett bleiben (was die ÖGK so bestreitet).
Das Problem ist auch, die Krankenkasse ist für die Versorgung von Kranken da, die Länder für die Pflege. So ist es ein ewiger Streitfall, ob Beatmete krank sind oder ein Pflegefall.
Diese Woche erhielt Wagner nun von der ÖGK einen mechanischen Rollstuhl, der aber nur wenig tauglich ist. Tatsächlich benötigt der Mann aus Waidhofen/Ybbs eine elektrische Version um 35.000 Euro, die er mit den Augen steuern kann. Die KURIER-Leser zeigten sich bisher äußerst spendabel, eine Spendenaktion brachte knapp 14.000 Euro ein. Mehrere Personen boten auch Rollis an, die aber aus verschiedenen Gründen unbrauchbar waren.
Kritik von der SPÖ, Druck von der ÖVP
"Für mich ist es einfach unverständlich und beschämend, dass zwei Jahre nach dem Beschluss im Ständigen Ausschuss des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds nach wie vor Fälle bekannt werden, bei denen schwerkranken Menschen die nötige Versorgung nicht zur Verfügung gestellt wird. Welche Probleme auch immer die menschwürdige Behandlung verhindern, diese müssen zum Wohle der Patienten durch die Verantwortlichen der Sozialversicherung und des Gesundheits- und Sozialfonds als Vertretung des Landes umgehend gelöst werden", so die Reaktion von Gesundheits-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).
Bezüglich des Niederösterreichers gab es nach dem KURIER-Bericht massive Interventionen vor allem des ÖVP-Teils in der niederösterreichischen Landesregierung und vom Chefarzt der Österreichischen Gesundheitskasse, Andreas Krauter. Jedenfalls bekommt Wagner künftig eine professionelle Intensivpflege bezahlt, den offenen Teil übernimmt doch der NÖGUS. Und es geht noch weiter, die Landesräte Luisser und Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) arbeiten derzeit an einer generellen Finanzierung der Pflege für beatmete Intensivpatienten. Demnächst soll es auch Lösungen für drei ähnlich gelagerte Fälle in Niederösterreich geben, zumindest einer soll bereits genehmigt worden sein.
"Für eine langfristige Lösung werden alle zuständigen Institutionen, insbesondere die ÖGK, eingebunden", sagt Luisser nun. "Es muss eine dauerhaft tragfähige Lösung entwickelt werden. Der NÖGUS steht bereit, jede langfristige und soziale Lösung finanziell zu unterstützen."
Dem Vernehmen nach soll erstmals an einer österreichweiten Regelung gearbeitet werden. Auch Volksanwalt Bernhard Achitz hatte zuletzt einen "Bundesländer-Fleckerlteppich" beklagt. Zwei ORF-Berichte zu dem Thema sind ebenfalls aktuell in Planung.
Familie Wagner zeigt sich jedenfalls überglücklich, dass es nun endlich eine professionelle Pflege gibt. Bald möchte Günter Wagner endlich seinen ersten Ausflug aus dem Bett machen. Derzeit laboriert er allerdings noch an einer Lungenentzündung. Eine mögliche Ursache dafür ist, dass Patienten nicht das eigene Bett verlassen dürfen und so ihre Lunge nicht durchlüftet werden kann.
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