Heimhilfe: "Ich weiß nicht, wie ich das bis zur Pension schaffen soll"

Heimhilfe: "Ich weiß nicht, wie ich das bis zur Pension schaffen soll"
Die Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft gehen in die nächste Runde. Wie sieht eigentlich der Alltag in einem Pflegeberuf aus? Der KURIER hat nachgefragt.

Wenn sich Gerhard in der Früh auf sein Fahrrad schwingt, dämmert es noch. Um spätestens sieben Uhr besucht er seine erste Kundin. Er hilft ihr bei der Körperpflege, bei der Intimpflege und richtet ihr ein Frühstück, bevor er weiterfährt. Bis zum Mittagessen hat Gerhard bereits bis zu sieben Menschen in ihren Wohnungen besucht, um sie zu waschen, ihren Blutdruck zu messen oder ihnen Insulin zu spritzen.

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Seit fünf Jahren arbeitet Gerhard als mobiler Pflegeassistent in Wien und ist damit einer von rund 110.000 Beschäftigten im privaten Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich. Für diese gehen heute die Verhandlungen um den neuen Kollektivvertrag in die zweite Runde. So wie bereits im letzten Jahr fordern die Gewerkschaften GPA und vida 15 Prozent mehr Lohn bzw. zumindest ein Plus von 400 Euro pro Monat. 

Die Arbeitgeberseite, die Sozialwirtschaft Österreich, hat bisher nur die Inflationsabgeltung in Höhe von 8,8 Prozent angeboten. Kommt es zu keiner Einigung, ist die dritte Verhandlungsrunde für den 27. November angesetzt. 

Immer längere Arbeitstage

Auch Sandra arbeitet in diesem Bereich. Als mobile Heimhilfe übernimmt sie „sämtliche Tätigkeiten, die Menschen nicht mehr allein schaffen“, wie sie sagt. Den Job hat sie gewählt, weil sie „etwas Sinnvolles machen wollte“. Das war vor 20 Jahren. Seither sind ihre Arbeitstage immer länger geworden: „Früher habe ich von sieben bis 13 Uhr gearbeitet“, erklärt sie, „Aber heute bieten wir die Pflege von sechs Uhr früh bis 22 Uhr am Abend an.“ Häufig hat sie geteilte Dienste mit mehrstündiger Mittagspause. 

Bei jedem Kunden verbringen die Fachkräfte zwischen 15 Minuten und zwei Stunden. Bei kurzen Besuchen handelt es sich häufig nur um eine Medikamenteneinnahme, bei längeren Einsätzen geht es um die Körperpflege, den Haushalt oder auch darum, Mahlzeiten zu richten. 

Wollen zuhause bleiben

Das Ziel sei, dass die Menschen so lange wie möglich zuhause bleiben können. „Man kommt heutzutage erst mit Pflegestufe vier ins Altersheim, weil einfach kein Platz ist und es nicht finanzierbar ist“, erklärt Sandra. Und viele Kunden wollen ihr Zuhause auch gar nicht verlassen. Das entspricht auch Gerhards Erfahrung: „Das, was wir machen, soll nicht die Zeit überbrücken, bis Menschen ins Heim kommen, sondern eine Alternative dazu bieten. Die meisten unserer Kunden wollen zuhause versterben.“ 

Von den Kunden bekomme man für seine Arbeit Wertschätzung und Dankbarkeit, erklärt Gerhard. Das sei zwar schön, trotzdem seien er selbst und seine Kollegen immer wieder überfordert, vor allem wenn es krankheitsbedingte Ausfälle im Team gibt. 

Kilometergeld zu gering

Die Steirerin Sandra sieht ein anderes Problem in ihrem Beruf: Sie muss täglich mit ihrem privaten Auto zu den Kunden fahren, insgesamt etwa 1000 Kilometer pro Monat. Von ihrem Arbeitgeber erhält sie dafür Kilometergeld. Dieses wurde zuletzt im Jahr 2008 erhöht und beträgt 42 Cent für jeden gefahrenen Kilometer. „Das ist eine Katastrophe! Ich zahle da mittlerweile drauf“, ärgert sich Sandra. 

Allgemein wünscht Sandra sich eine bessere Bezahlung. Als Heimhilfe zählt sie zu den Betreuungs- und nicht zu den Pflegepersonen. Sie erzählt, dass sie deswegen keine Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage bekommt. Auch das ärgert Sandra: „Es ist unfair! Immerhin setzen wir uns Gefahren wie Ungeziefer oder Darminfektionen aus.“ 

Kein schlechtes Gehalt

Pflegeassistent Gerhard erhält diese Zulage. Nach eigener Angabe kommt er so auf insgesamt 2.000 Euro monatlich und ist damit zufrieden. „Das ist kein schlechtes Gehalt, also ich fühle mich nicht ausgenutzt“, erklärt er. Er hofft, dass er den Job noch länger machen kann. „Wenn ich jemandem helfe, vom Bett in den Rollstuhl zu gelangen, dann spüre ich bereits jetzt meinen Rücken“, erzählt Gerhard nachdenklich. 

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Sandra hat ähnliche Sorgen: „Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll, bis Mitte 60 in diesem Beruf zu arbeiten. Das ist körperlich zu anstrengend!“ Sie wünscht sich Pensionsvorteile für Menschen in Pflege- und Betreuungsberufen: „Es wäre super, wenn Menschen, die in der Pflege gearbeitet haben, früher in Pension gehen könnten – aber ohne Abschläge“ 

Anm.: Die Namen wurden von der Redaktion geändert. Die Gesprächpartner wollten lieber anonym bleiben.

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