Sonnentor-Chef über Gift am Bio-Feld: "Sind keine Insel der Seligen"
KURIER: Als Faustregel hat immer gegolten, dass Bio um zehn bis 12 Prozent teurer ist als konventionelle Ware. Stimmt das überhaupt noch so?
Johannes Gutmann: Nein, das hat sich schon gedreht. In Zeiten, in denen der Kunstdünger plötzlich das Dreifache kostet, sind natürlich die konventionellen Preise empfindlich gestiegen. Das heißt, es gibt mittlerweile schon manche Ware, die nicht mehr unter dem Bio-Siegel verkauft wird. Sondern als konventionelle Ware – weil ja die Preise dort auch nicht mehr schlecht sind.
Eine gute Entwicklung?
Ich habe da ein lachendes und weinendes Auge. Letztlich ist jeder Quadratmeter mehr Biofläche gut für die Umwelt.
Biobauern haben mitunter Probleme, weil ihre Felder von anderen konventionellen Feldern kontaminiert sind. Nimmt dieses Problem weiter zu?
Das ist schon lange Jahre so. Mit einer neu gegründeten Bio-Bewegung haben wir an 15 Standorten in Ostösterreich ein Jahr lang Proben von Luft, Regenwasser und sogar Bienenbrot genommen und diese wissenschaftlich ausgewertet.
Sonnentor-Chef Johannes Gutmann zu Gast im Checkpoint bei Simone Hoepke
Mit welchem Ergebnis?
Wir sind auf 67 verschiedene, langfristige resistente Umweltgifte gekommen, die wir in unserer Atemluft oder auch im Bienenstock gefunden haben. Das Besorgniserregende ist, dass 13 Prozent dieser Umweltgifte längst verboten sind.
Woher kommen sie dann?
Es gibt in der EU einen Schwarzmarkt für diese verbotenen Mittel, von denen es ja noch Restbestände gibt.
Landen diese auch im großen Stil auf heimischen Feldern?
Natürlich gibt es auch in Österreich diesen Schwarzmarkt. Wir sind ja keine Insel der Seligen. Solche Dinge müssen wir endlich aufzeigen.
Haben Sie mit dieser Studie etwas erreicht?
Zumindest mal einen Termin beim Bundesumweltamt, das jetzt sagt, wir seien ihnen zuvorgekommen, sie hätten auch so eine Studie geplant gehabt.
Im Supermarkt gibt es Bio mittlerweile in unterschiedlichsten Preisklassen. Ist das eine gesunde Entwicklung oder eine Verwässerung des Marktes?
Jedes Kilo Bio muss unter entsprechenden Kriterien gewachsen sein und ist damit gut. Aber natürlich muss bei günstigen Lockartikeln irgendwo entlang der Wertschöpfungskette gespart werden. Das kann letztlich auch Wertschätzung und Kundenvertrauen kosten. Wir liefern generell nicht an Supermärkte, Diskonter oder Drogeriemärkte. Viele sagen deswegen ich spinne, aber ich weiß, dass das nichts bringen würde.
Warum nicht?
Weil ich die Preisspiele dort nicht mitmache.
Welche Preisspiele?
Am Anfang ist alles super, aber nach drei Monaten ist die erste Verliebtheitsphase vorbei. Dann beginnt die Wertvernichtung, in dem die Einkäufer der Ketten Rabatte und Werbekostenzuschüsse fordern. Und weil der Produzent teure Maschinen auslasten und Kredite zurückzahlen muss, steht er mit dem Rücken zur Wand und stimmt zu.
Sonnentor verkauft im Fachhandel, in 35 eigenen Läden und Online. Woher kommt das Wachstum?
In der Pandemie hat natürlich der Onlinehandel geboomt, das hat vielen stationären Händlern sehr geschadet. Vermieter von Handelsflächen sind seitdem von ihrem hohen Ross runtergestiegen.
Was heißt das konkret?
Wir bekommen jetzt Verkaufsflächen angeboten, an die früher nicht zu denken war. Oft um 20 Prozent billiger als vor der Pandemie.
Sie sind Chef von rund 500 Mitarbeitern, 350 davon in Österreich. Die Gewerkschaft fordert für die Herbstlohnrunde schon jetzt einen Reallohnzuwachs. Was würde das Sonnentor kosten?
Jede Erhöhung des KV-Lohns um einen Prozent kostet uns um die 120.000 Euro. Ich rechne und budgetiere mit einer KV-Erhöhung zwischen sechs und sieben Prozent.
Stimmt es, dass Sie sich monatlich als Firmenchef nur einen Gehalt von etwas über 3.000 Euro netto genehmigen?
Ja, ich habe auch keine Ambitionen, das zu ändern. Ich ernähre mich super, habe ein kleines E-Auto, einen ID3, als Firmenauto, eine genügsame Familie und meine Lederhose ist 100 Jahre alt und mehrmals geflickt.
… letztere ist Ihr Markenzeichen, genauso wie das Leiberl mit der Sonne drauf. Erkennt man Sie überhaupt in einem anderen Outfit?
Viel seltener. Ich hab’ mir übrigens neulich am Flohmarkt eine zweite Lederhose gekauft. Die ist nicht ganz so abg’fuckt wie meine, aber ich pass’ erst rein, wenn ich zulege. So eine Lederhose ist praktisch. Man muss sie nur raushängen, wenn es draußen Minus 20 Grad hat und sie ist wieder desinfiziert.
Gut, dass Sie im tendenziell kalten Waldviertel leben ...
Notfalls hätte ich noch einen Kühlraum mit Minus 17 Grad. Da ist die Hose auch schon gehangen.
Ob mit oder ohne Lederhose - haben Sie jemals darüber nachgedacht, in die Politik zu gehen?
Ich habe mal im Gemeinderat kandidiert, aber zwei Vorzugsstimmen zu wenig bekommen. Im Nachhinein war ich darüber überglücklich. Ich pfeif auf die Parteipolitik. Gesellschaftspolitisch kann ich viel mehr bewirken.
Sonnentor
Das 1988 von Johannes Gutmann gegründete Unternehmen mit Sitz im Waldviertel ist auf Bio-Kräuter und Gewürze spezialisiert. Der Jahresumsatz liegt bei 60 Millionen Euro, die Eigenkapitalquote bei 70 Prozent
3.000 Euro netto
im Monat genehmigt sich Firmenchef Gutmann. Eine KV-Lohnerhöhung um einen Prozentpunkt würde seinem Unternehmen mit rund 500 Mitarbeitern rund 120.000 Euro im Monat kosten. Er rechnet in der Herbstlohnrunde mit Plus 6 bis 7 Prozent
Zum Beispiel?
Ich habe meinen eigenen Kindergarten eröffnet, habe eigene Trinkwasserquellen gehoben, mir bereits 2012 meinen Breitbandanschluss in Sprögnitz – also am schönsten Arsch der Welt – selbst organisiert. Das Unternehmen Sonnentor deckt mittlerweile 50 Prozent seines Strombedarfs mit eigenen Photovoltaikanlagen. Und von Gas sind wir unabhängig.
Sie pfeifen also auf die Politik. Trotzdem unterstützen Sie Van der Bellen beim Bundespräsidentenwahlkampf. Wäre Unternehmer Heini Staudinger Ihnen nicht irgendwie näher?
Er ist ein guter Unternehmer, der viel bewegt hat – unter anderem hat er quasi das Crowdfunding in Österreich legalisiert. Davon haben wir auch beim Bau unserer 400-Kilowatt-Solaranlage profitiert, die wir zum Teil so finanziert haben. Aber dass die Hofburg-Wahl mit diversen Kandidaten zur Klamauk-Veranstaltung verkommt, finde ich traurig und des Amtes nicht würdig. Ich bin ja beruflich viel im Ausland und musste mich oft für unsere Politiker entschuldigen – von Strache bis Kurz. Da war ich schon froh, dass wir einen Bundespräsidenten hatten, für den wir uns nicht genieren mussten.
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