Fernkälte: Eine Waffe im Kampf gegen die Sommerhitze
Auch, wenn die laufende Woche den Hitzegeplagten eine Verschnaufpause bietet: Die Durchschnittstemperaturen und auch die Zahl der Tropennächte steigen. Im Juni lagen die Tageshöchstwerte in Wien zwölf Mal über der 30-Grad-Marke.
Dementsprechend baut Wien Energie bereits seit 15 Jahren das Fernkälte-Angebot aus. Man habe damit „ein Produkt, das sehr zukunftsträchtig ist“, ist Konzernchef Michael Strebl überzeugt. Bisher sind 180 Gebäude angeschlossen, schon bald sollen unter anderem das renovierte Parlament, die Staatsoper und das neue KaDeWe auf der Mariahilfer Straße dazukommen. Das Netz wächst laut Wien Energie jährlich um 10 bis 15 Prozent. Bis zum Jahr 2027 plant der Konzern Investitionen in Höhe von 90 Millionen Euro.
Höhere Effizienz
Der Ausbau läuft laut Strebl wie geplant, trotz Corona-Pandemie und Verwerfungen auf den globalen Lieferketten. Heuer geht die neue Kältezentrale Stubenring in Betrieb. Angeschlossen sind bereits die Alte Post, das Universitätsarchiv und ein Hotel. Weitere Gebäude sollen folgen.
Der Standort ist aber auch für die Weiterentwicklung des Fernkälte-Netzes wichtig. Denn bis 2025 will Wien Energie den „Fernkältering“ rund um die Innenstadt schließen. Das soll einerseits die Belieferung im gesamten ersten Bezirk ermöglichen. Zweitens erwartet sich Wien Energie dadurch Verbundeffekte und eine höhere Effizienz, wenn mehrere Fernkältezentralen zusammenarbeiten können.
Bis 2030 soll das Leitungsnetz auf 50 Kilometer verdoppelt und die Leistung von 200 auf 350 Megawatt erhöht werden. Damit könnten laut Wien Energie 100.000 konventionelle Klimaanlagen ersetzt werden.
Der Vorteil liegt in der Effizienz der großen Anlagen mit einer Einsparung von 70 Prozent der Energie und etwa 50 Prozent des CO2-Ausstoßes. Zudem bleiben die Dachflächen frei und der Kunde muss sich nicht um den Betrieb einer eigenen Anlage kümmern. Im Gegensatz zu separaten Klimaanlagen entsteht dabei auch keine Abwärme, was insbesondere im dicht bebauten Gebiet ein Vorteil ist.
Wie funktioniert das?
Wien Energie liefert ihren Kunden Fernkälte in Form von etwa sechs Grad kaltem Wasser. Die Arbeit machen dabei sogenannte Kältemaschinen. Die funktionieren zum Teil mit Strom, ähnlich wie ein Kühlschrank. Ein Teil der Kältemaschinen nutzt aber auch thermische Energie, verwertet also die Abwärme von der Müllverbrennung.
An die Fernkälte können nur Gebäude angeschlossen werden, die bereits ein eigenes Klimasystem haben. Dabei fließt kaltes Wasser durch Leitungen in Decken oder Wänden und erwärmt sich – kühlt also das Gebäude. Das Wasser fließt dann zu einem Wärmetauscher (siehe unten). Dort wird es durch das kalte Wasser im separaten Kreislauf der Fernkälte gekühlt. "In Wahrheit entziehe ich dem Kunden also Energie", sagt Fernkälte-Projektleiter Burkhard Hölzl. Das auf 13 bis 17 Grad erwärmte Wasser fließt dann zurück in die Fernkältezentrale. Dort erfolgt eine erste Rückkühlung mit Wasser aus dem Donaukanal, wiederum mittels Wärmetauscher. Danach kommen wiederum die Kältemaschinen zum Einsatz.
Die Fernkälte hat zwar im Sommer Hochkonjunktur, das Produkt wird aber ganzjährig verkauft. So haben etwa Großküchen, Spitäler oder Rechenzentren ganzjährig Kühlbedarf.
Verfügbarkeit
Fernkälte rechnet sich vor allem dort, wo ganzjährig Kühlbedarf besteht. Im Wohnungsneubau gibt es Pilotprojekte, etwa im Nordbahnviertel und den Althangründen
Wärmetauscher
bestehen aus mehreren Metallplatten, zwischen denen zwei separate Wasserleitungen verlaufen. Dabei gleicht sich die Temperatur der Wasserkreisläufe an, ohne dass sich das Wasser vermischt
21 Kältezentralen
betreibt Wien Energie in der Hauptstadt. Sieben davon speisen in das etwa 24 Kilometer lange Fernkältenetz ein, weitere 14 sind kleinere, dezentrale Einheiten
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