Skandal um Meinl Bank: Ein Urteil mit schwerwiegenden Folgen
Mehr als zehn Jahre ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien schon gegen Verantwortliche der Meinl Bank im Anlageskandal Meinl European Land (MEL). Der mutmaßliche Schaden wird von der Kriminalpolizei („Soko Meinl“) mit rund 1,69 Milliarden Euro beziffert. Der Verdacht: schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Marktmanipulation und Untreue. Bisher hat die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Causa aber nicht viel weitergebracht. Derzeit wird die Bestellung eines neuen Sachverständigen von zwei Beschuldigten rechtlich bekämpft.
Doch die Causa MEL hat vor allem auch eine zivilrechtliche Seite – und deren schwerwiegende Folgen sind nun in einem Musterfall absehbar. Geschädigte Anleger klagen die Privatbank dabei auf Schadenersatz. Und beim Handelsgericht Wien geht es Schlag auf Schlag.
„Wir haben 2500 Klagen eingebracht und erhalten jede Woche 15 bis 20 neue Urteile“, sagt Gerhard Wüest, Chef des Prozessfinanzierers AdvoFin, auf Anfrage zum KURIER. „Jetzt ist uns aber ein Meilenstein gelungen. Wir haben erstmals ein Schadenersatz-Urteil gegen den früheren Meinl-Bank-Vorstand Peter Weinzierl persönlich erstritten.“ Und AdvoFin-Anwälte Ulrich Salburg und Sebastian Furtmüller ergänzen: „Das ist das erste Mal, dass ein Meinl-Bank-Vorstand persönlich zur Haftung verurteilt wurde.“
Wüest und Salburg gehen davon aus, dass sie auch Ex-Banker Julius Meinl in weiteren Prozessen persönlich belangen können.
„Arglistige Täuschung“
Denn in dem druckfrischen 66 Seiten starken Urteil fährt Richterin Angelika Müller mit der Meinl Bank, mit Weinzierl, aber vor allem auch mit Julius Meinl selbst Schlitten. Das geharnischte Urteil liest sich über weite Teile wie eine messerscharfe Anklageschrift; nicht zuletzt kann die Richterin auf eine umfangreiche und einzigartige OGH-Judikatur zurückgreifen.
Der Kernvorwurf dabei ist die arglistige Täuschung (Anmerkung: der Anleger) durch irreführende Ad-hoc-Meldungen und Marktmanipulation.
Der Tatbestand Arglist ist sozusagen der Bihänder im Zivilrecht, sprich die zivilrechtliche Form des Betrugs. Geschädigte Anleger haben bei Arglist nämlich nicht drei Jahre, sondern sogar 30 Jahre Zeit, ihre Geldforderungen per Gericht einzuklagen. So startet der Prozessfinanzierer AdvoFin, der insgesamt 5000 MEL-Geschädigte vertritt, eine neue Sammelklageaktion für alle MEL-Anleger, die noch keine rechtlichen schritte gegen die Meinl Bank unternommen haben.
Vorwürfe bestritten
Die Privatbank, Weinzierl und Julius Meinl bestreiten jedenfalls alle Vorwürfe vehement. Das Urteil ist auch noch nicht rechtskräftig, dem Vernehmen nach werden sie Berufung einlegen. Laut diesem neuesten Urteil behaupten die Bank und Ex-Vorstand Weinzierl, dass sie an der Erstellung der „unrichtigen beziehungsweise unvollständigen Ad-hoc-Meldungen der Immobilienholding MEL nicht involviert gewesen seien“.
Intern genehmigt
Richterin Müller kommt in ihrer Beweiswürdigung zu einem anderen Schluss. Anfang Februar 2007 gab die MEL in einer Ad-hoc-Meldung bekannt, dass sie „die bisher größte Kapitalerhöhung (1,48 Mrd. Euro) in der Unternehmensgeschichte erfolgreich abgeschlossen und vollständig platziert hat“. Dabei sollen fast 42 Prozent der Wertpapiere bei einer Konzernschwester geparkt worden sein.
Das wussten nur die MEL-Anleger nicht, sie hätten bei Kenntnis wahrscheinlich nicht in MEL-Papiere investiert. Laut Gericht sollen diese Ad-hoc-Meldungen dem damaligen Bankvorstand Julius Meinl von seiner Assistentin vorgelegt und vom ihm genehmigt worden sein.
„Das Gericht hat keine Zweifel, dass Julius Meinl zum Zeitpunkt der Schaltung der Ad-hoc-Meldungen über den Erfolg der Kapitalerhöhungen deren inhaltliche Unrichtigkeit und Eignung zur Irreführung für Marktteilnehmer bewusst war“, heißt es in dem Urteil. Julius Meinl soll „einen daraus resultierenden Schaden der Anleger in Kauf genommen“ und „sich damit abgefunden“ haben. Doch Meinl selbst wurde in diesem Fall nicht zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt, sondern seine Bank und sein früherer Bank-Vorstand Weinzierl.
Laut Urteil soll Weinzierl den Kläger zum Kauf von MEL-Wertpapieren verleitet haben, indem die mit dem Investment verbundene Risiken bewusst verschwiegen worden sein sollen. Oder anders gesagt: Das MEL-Risiko wurde in den Werbebroschüren falsch dargestellt.
50.685 Euo Schadenersatz
Meinl Bank und Weinzierl müssen dem geschädigten Anleger 50.685 Euro Schadenersatz samt vier Prozent Zinsen zahlen – wenn das Urteil am Ende rechtskräftig ist. Die Anwaltskanzlei von Peter Weinzierl teilt dem KURIER schriftlich mit, "dass von unserer Seite keine Stellungnahme abgegeben wird". Die Anwaltskanzlei der Meinl Bank beantwortete bis Redaktionschluss die Mailanfrage das KURIER nicht.
Die Causa MEL
Die Immobilienholding Meinl European Land (MEL) mit Sitz auf Jersey ist Zentrum eines der mutmaßlich größten Anlageskandale Österreichs. Laut Gerichten gingen die Anleger aufgrund der MEL-Werbebroschüren fälschlicherweise davon aus, dass bei den MEL-Zertifikaten kein Wertverlustrisiko bestehe. Das Gegenteil war der Fall. Im August 2007 wurde bekannt, dass MEL massenhaft Wertpapiere zurückgekauft hatte, ohne die Anleger darüber informiert zu haben. Der Staatsanwalt ermittelt gegen 14 Personen, die Bank und vier Gesellschaften. Die Vorwürfe werden bestritten.
Kommentare