Schellhorn: "Ich gebe im November den Schlüssel ab"
Sepp Schellhorn, Ex-Neos-Abgeordneter im Nationalrat, Hotelier und Gastwirt aus Salzburg, betreibt unter anderem zwei Skihütten (in Bad Gastein und Hofgastein) mit insgesamt 1.500 Sitzplätzen. Ein Gespräch über Ruhetage mitten in der Hochsaison, die Schmerzgrenze beim Preis fürs Skiwasser auf der Hütte und warum er in einem Jahr keinen Schlüssel mehr zu seinem eigenen Hotel haben wird.
KURIER: Schnee auf der Piste, offene Grenzen, hohe Liftpreise. Wie wird der Winter?
Sepp Schellhorn: Ich denke, der Wunsch nach Winterfrische wird größer. Also der Wunsch, draußen zu sein, jedoch nicht unbedingt auf der Piste. Viele werden diesen Winter zwar in die Berge fahren, aber nur ein, zwei Mal Ski fahren gehen.
Was heißt das für Ihre beiden Ski-Hütten?
Ich kalkuliere mit einem Umsatzminus von 30 Prozent zum Vorjahr. In Bad Gastein waren immer viele Russen, Ukrainer, Polen und Tschechen. Zwei dieser Nationen fallen heuer ganz weg. Zudem klafft das alte Jännerloch wieder auf. Die Menschen kämpfen mit hoher Inflation, Einkommensverlusten, haben obendrein scheinbar immer öfter ein schlechtes Gewissen, wenn sie Ski fahren gehen – Stichwort Öko-Bilanz.
Ist Letzteres nicht eher das vorgeschobene Argument jener, die ohnehin keine Lust zum Skifahren haben?
Mag sein. Bei Flugreisen hält sich das schlechte Gewissen jedenfalls in Grenzen. Fest steht, dass der Skitourismus ein Nachwuchsproblem hat. Eine Entwicklung, die mir Sorgen macht. Schließlich war der Winter seit Jahrzehnten die Cashcow, die Saison mit den hohen Deckungsbeiträgen. Wo ist eine Strategie für den Winter 2040?!
Wer soll eine solche präsentieren?
Vielleicht die Österreich Werbung. Sie hat sonst keine echte Aufgabe mehr. Der letzte große Wurf für den Wintertourismus kommt jedenfalls aus dem Jahr 1974: die Einführung der Energieferien. Hätten wir diese Ferien nicht, würde in Wien niemand mehr Ski fahren gehen.
Es hat doch immer geheißen, dass Skiurlauber so treu sind. Auch, weil sie aus der oberen Einkommensschicht kommen, die weniger preissensibel ist.
Das mag heute noch für das Klientel vom Arlberg und Kitzbühel gelten, vielleicht noch fürs Paznauntal. Aber selbst die oberen 10.000 überlegen jetzt, was sie sich noch leisten.
Wie regieren Sie als Hüttenwirt?
Ich muss diesen Winter natürlich neu budgetieren. Voriges Jahr hatte ich zum Beispiel 85 Mitarbeiter, heuer muss ich mit 60 auskommen.
Gibt es auch bei Ihnen plötzlich Ruhetage mitten in der Hochsaison?
Ich bin Pächter, die Hütten gehören der Bergbahn und ich bin damit verpflichtet, täglich von 9 bis 16 Uhr offen zu halten. Ohne Ruhetag. Bei Hütten ohne Betreiberpflicht wird man sich aber an Ruhetage gewöhnen müssen. In der Stadt hat man sich schon daran gewöhnt.
Weil die Wirte für sonntags kein Personal finden oder weil sie keine 100 Prozent Aufschlag zahlen wollen.
Ich zahle gern 100 Prozent Aufschlag. Aber nicht, wenn dieser dann statt bei meinem Mitarbeiter bei einem gewissen Herrn Magnus Brunner (Anm. Finanzminister) landet. Mit Glück bekommt der Mitarbeiter gerade mal 50 Prozent vom Zuschlag netto raus.
Apropos Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Suchen Sie noch immer für die längst angelaufene Wintersaison?
Ja. Und weil immer über die schlechte Bezahlung lamentiert wird: Unter 7.000 Euro brutto finde ich keinen Küchenchef für eine Skihütte. Das sind die Ist-Gehälter. Die Kollektivvertragsverhandlungen sind nicht mehr als ein Scheingefecht. Keiner zahlt heute noch auf KV-Basis. Die Personalkosten steigen von Jahr zu Jahr. Voriges Jahr lag das niedrigste Gehalt, das ich gezahlt habe, bei 2.800 Euro brutto, heuer bin ich schon bei 3.150 Euro.
Sie haben schon versucht, Köche aus Brasilien anzuwerben. Mit welchem Erfolg?
Wir hatten 30 Bewerber, haben via Video geschaut, wie sie arbeiten, Zoom-Konferenzen gemacht, uns letztlich für sechs Bewerber entschieden. Draus geworden ist nichts.
Warum nicht?
Weil wir nach einem bürokratischen Hürdenlauf die Rot-Weiß-Rot-Card letztlich nicht bekommen haben. Die Ausbildungen der Kandidaten wurden nicht anerkannt, obwohl es sich um Universitätsabschlüsse gehandelt hat.
Ist es nicht absurd, dass ein Hüttenwirt aus Gastein bei der Mitarbeitersuche bis nach Brasilien geht?
Das große Problem bei Destinationen wie Gastein ist, dass sie reine Winterbetriebe haben. 150 Tage Saison, das war es. Die Zeiten, wo jemand im Sommer in Kärnten und im Winter in Gastein gearbeitet hat, sind vorbei. Auch die Kroaten, die im Sommer an der Adria arbeiten, wollen im Winter immer seltener zu uns kommen. Und in Bulgarien und Rumänien schaffen wir uns gerade ein Imageproblem (Anmerkung: Veto Österreichs gegen den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien). Wir haben zu wenige potenzielle Mitarbeiter.
Und wenn die Inflation so bleibt, wohl auch bald zu wenig Gäste. Was kostet ein Skiwasser auf Ihrer Hütte?
Wir haben die Schmerzgrenze von 3,80 Euro schon vorigen Winter erreicht. Dafür pressen wir noch echte Zitronen ins Skiwasser – ein Mitarbeiter macht jeden Tag zwei Stunden nix anderes als Zitronen pressen. In diesem Punkt spare ich nicht. Und eines ist auch klar – jedes Gasthaus wird am Preis vom Bier, Spritzer und Cappuccino gemessen.
Was kostet diesen Winter ein Bier auf Ihrer Hütte?
5,30 Euro für ein großes Stiegl, vorigen Winter waren es 4,90 Euro. Im Vergleich zu anderen Produkten sind die Preissteigerungen bei Getränken noch moderat. Molkereiprodukte kosten aktuell um 25 Prozent mehr, Frittierfett um 160 Prozent – und davon brauchen wir für unsere Pommes richtig viel. Unter dem Strich muss ich mir schon überlegen, wie ich die Speisekarte umstelle. Reisfleisch statt Kalbsgulasch zum Beispiel.
Neue Karte statt neuer Preis?
Es geht gar nicht anders.
Im Jahr 2023 wird auch bei Ihnen einiges neu sein. Sie übergeben den Familienbetrieb Seehof in Goldegg im November 2023 an Ihren Sohn. Geben Sie die Hotelschlüssel ab?
Ende November gebe ich den Schlüssel ab. Wenn jemand aus der Familie übernehmen will, muss man das mit Demut annehmen. Ich hatte ja zehn Jahre einen Generationenstreit mit meinem Vater, werde meinem Sohn also nichts dreinreden. Ein Kollege sagt immer: „Keine Macht den alten Männern im Tourismus“.
Interessantes Credo. Hat aber nicht viel mit der Realität zu tun, oder?
Stimmt (lacht). Neben den Ortspatriarchen gibt es auch auf Landesebene ein Patriarchat neben dem anderen. Das ist der Grund, warum jede Tourismusveranstaltung zum Hahnenkampf ausartet. Hat ein Landeskaiser einen neuen Kirchturm, brauchen alle anderen einen noch größeren Kirchturm.
Unternehmer
Das "Gasthauskind" Sepp Schellhorn betreibt den "Seehof" in Goldegg, das Angertal 1180 in Bad Hofgastein, die Alm Weitblick im Skigebiet von Sportgastein sowie das Restaurant M32 im Museum der Moderne Salzburg am Mönchsberg. Der 55-Jährige ist verheiratet und
hat drei Kinder. Im November nächsten Jahres übergibt er den Stammbetrieb Seehof seinem Sohn Felix.
Politiker
Schellhorn schließt eine Rückkehr in die Politik nicht aus. Unter anderem war er von 2018 bis 2021 stellvertretender Bundesvorsitzender von Neos. Engagiert war er auch bei der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), wo er von 2003 bis 2013 Präsident war
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