Jobgarantie mit Auflage
Um den Ein- oder Umstieg in den Pflegeberuf schmackhaft zu machen, wirbt der Heimbetreiber mit einer Jobgarantie und streckt einen Teil der Ausbildungs- oder Lebensunterhaltskosten vor, sofern nicht das AMS dafür aufkommt. "Wir gehen hier quasi in Vorleistung und können ganz individuelle Modelle zurechtschneidern", erläutert Kellner. Als Gegenleistung muss sich der Bewerber jedoch verpflichten, vier bis fünf Jahre lang bei SeneCura zu bleiben und 40 bis 50 Prozent der vorgestreckten Summe wieder zurückzuzahlen. Die Gewerkschaft sieht solche Vereinbarungen kritisch und bezeichnet sie gerne als "Knebelverträge".
Gastro-Personal abgeworben
Seit dem Lockdown vor einem Jahr buhlt Senecura mit der Aktion "Pflege als Chance" auch um Arbeitslose aus dem Tourismus, die die Branche wechseln wollen. "Aus den vielen Anfragen haben wir derzeit etwa 500 Interessenten, 100 davon sind schon in einer Pflege-Ausbildung", berichtet Kellner, der von der großen Nachfrage selbst überrascht war. "Täglich kommen fünf bis zehn Anfragen" Nicht jede/r habe aber die nötigen Voraussetzungen für den Job, weshalb eine eigene Bildungsberatung angeboten wird.
Auslands-Anwerbungen
Als dritte Säule versucht der international vernetzte Konzern vermehrt Gesundheits- und Pflegepersonal aus Kroatien sowie ferneren Ländern wie Indien oder Marokko anzuwerben. "Allein aus Österreich werden wir den Bedarf in den kommenden Jahren nicht decken können", ist Kellner überzeugt. Bei SeneCura würden jetzt schon Mitarbeiter aus 55 verschiedenen Nationen arbeiten. Marokko habe viele junge Arbeitskräfte mit guter Ausbildung im Gesundheitsbereich . Wegen der Covid-bedingt rigiden Reisebeschränkungen liege ein bereits vor zwei Jahren angekündigtes Anwerbe-Projekt derzeit auf Eis.
Größtes Problem bei Drittstaaten-Personal ist die Anerkennung der Qualifikationen (Nostrifizierung). Diese soll künftig auch an der hauseigenen EMG Akademie erfolgen, kündigt Kellner an.
Noch in der Warteschleife hängt die von der Regierung versprochene "Pflege-Lehre" in Österreich nach Schweizer Vorbild. "Bei unserer Schwesterfirma Senevita haben wir 270 Lehrlinge im Einsatz und die besten Erfahrungen. Das müsste doch auch bei uns funktionieren", so Kellner.
Expansionskurs
Mit 85 Häusern ist SeneCura, Teil des französischen Pflege-Multis Orpea, schon jetzt größter Betreiber von Pflege- und Gesundheits(Reha)-Einrichtungen in Österreich. "Wir expandieren nach wie vor", kündigt Kellner weitere Übernahmen von Pflegeheimen bzw. neuer Projekte in Österreich an. "Es gibt einige Gemeinden, die jetzt in der Pandemie mit ihren Pflegeheimen überfordert sind". Seit der Pflegeregress abgeschafft wurde, sei der Ansturm auf Heimplätze groß. "Es gibt immer noch Wartelisten". Daran habe auch die Corona-Pandemie nichts geändert.
Übergriffs-Vorwürfe in NÖ
"Tief betroffen" zeigt sich Kellner zum publik gewordenen Verdacht von Übergriffen auf Heimbewohner im SeneCura-Pflegeheim Sitzenberg-Reidling im Bezirk Tulln/NÖ. Der Verdacht richtet sich gegen vier Pflegekräfte - drei Frauen und einen Mann - im Alter von 30 bis 45 Jahren. Die Tatvorwürfe sollen bis ins heurige Jahr hineinreichen - wie lange der Zeitraum war, ist laut Staatsanwaltschaft Gegenstand von Ermittlungen, ebenso die Zahl der Opfer. Weiters wird geprüft, ob es körperliche Folgen bzw. Verletzungen gab.
"Wir haben den Sachverhalt umgehend mit einer internen Kommission untersucht, die betroffenen Dienstverhältnisse wurden mit sofortiger Wirkung aufgelöst und wir haben Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft erstattet", sagt Kellner. Es gelte aber natürlich die Unschuldsvermutung und die Ergebnisse der Ermittlungen seien nun abzuwarten.
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